"Vienna Blood" im ZDF:Das Bürscherl und der Grantler

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Ungewöhnliches Duo: Liebermann (Matthew Beard, l.) und Rheinhardt (Juergen Maurer, r.) bei einer Leichenschau. (Foto: ZDF und FILMSTILLS.AT)

In "Vienna Blood" klären ein Arzt und ein Kommissar Mordfälle auf. Der Dreiteiler wirkt wie eine Mischung aus "Sherlock" und "Freud" - und ist ein liebevolles Charakterbild Wiens.

Von Carolin Gasteiger

Im Wiener Jargon würde man diesen Max Liebermann ein Bürscherl nennen, so jung, schlaksig und nassforsch, wie er daherkommt. Denn wie viel Substanz seine Analysen haben, erkennen seine Gegenüber oft erst auf den zweiten Blick. "In Wien erkennt man den Wert eines Menschen an seinem Titel. Die Wiener sind besessen davon. In London war ich Max, einfach Max. In Wien bin ich Doktor Maximilian Liebermann. Arzt, Neurologe und Ausländer. Das lassen sie einen niemals vergessen", erläutert er zu Beginn von Vienna Blood aus dem Off.

Im Mittelpunkt des Dreiteilers, der bereits im ORF und in der BBC ausgestrahlt wurde, steht ein ungewöhnliches Ermittlerduo. Max Liebermann ist Brite, Neurologe und vor Kurzem nach Wien gezogen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts will er in Mordfällen ermitteln und trifft auf Kommissar Oskar Rheinhardt, gespielt von Jürgen Maurer ( Vorstadtweiber). Rheinhardt ist ein bodenständiger Grantler, der verbissen Kaffeebohnen kaut.

Im ersten Fall, "Die letzte Séance", wird eine Frau, die übernatürliche Botschaften empfangen kann, erschossen aufgefunden. Aber es findet sich keine Kugel. Im zweiten Teil, der am Sonntagabend im ZDF läuft, geht es um mehrere ermordete Prostituierte in einem Bordell. Wo Rheinhardt klassisch nach Indizien sucht, geht Liebermann, der in Wien die Vorlesungen Sigmund Freuds besucht, intuitiv vor. Immer dann, wenn er Rheinhardt von einem Verdacht überzeugen kann, sagt er: "Willkommen beim Fall, Inspektor."

Die Serie ist eine Art Mischung aus den Netflix-Klassikern "Sherlock" und "Freud"

Die Fälle sind Adaptionen der Kriminalromane "Liebermann Papers" des britischen Autors Frank Tallis. In der Serie spielen nun Engländer Engländer, die Wiener sind mit deutschsprachigen Schauspielern wie Roland Koch, Ursula Strauss oder Ulrich Noethen besetzt. Das Drehbuch kommt von Steve Thompson, der auch an den Büchern für die BBC-Reihe Sherlock mitgeschrieben hat.

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Und tatsächlich erinnern Liebermanns trockene Kommentare und sein schnelles Kombinieren - Matthew Beard spielt ihn herrlich lakonisch - an Benedict Cumberbatchs Sherlock. Doch mit seiner Affinität zur Psychoanalyse - und das im Wien des frühen 20. Jahrhunderts - ist der Dreiteiler Vienna Blood eher ein Mix aus Sherlock und der Netflix-Serie Freud, in der Hypnose und das Unheimliche im eigenen Unterbewusstsein verhandelt werden. All das, aber vor allem die beiden Außenseiter Liebermann und Rheinhardt machen Vienna Blood sehenswert. Der eine wehrt sich gegen die Schulmedizin und die Traditionen seiner jüdischen Familie, der andere leidet, weil er sein Kind verloren hat, und man kann dabei zusehen, wie langsam eine Art Freundschaft entsteht.

Und dann wäre da noch Wien und der damalige Zeitgeist! Mal verschlägt es die Ermittler in die Psychiatrie, wo erste Versuche mit Elektroschocktherapie stattfinden. Mal suchen sie in Wiens feinen, zunehmend antisemitischen Kreisen nach einem Mörder oder ermitteln in einer Militärakademie. So ist jede Episode, prächtig ausgestattet, immer auch ein Charakterbild der österreichischen Hauptstadt. Eine zweite Staffel ist bereits in Arbeit.

Vienna Blood . "Die letzte Séance", in der ZDF-Mediathek, "Königin der Nacht", ZDF, 22. November, 22.15 Uhr und "Der verlorene Sohn", 29. November, 22.15 Uhr.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, der Dreiteiler sei von ORF und BBC produziert worden. Allerdings wurde er dort ausgestrahlt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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