Unwetter in Niederbayern:Was der Wetterbericht leisten kann - und was nicht

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TV-Meteorologen stehen nach den jüngsten Unwettern in Deutschland in der Kritik. Wie gut, wie aktuell können ihre Wettervorhersagen sein? Wer warnt die Menschen in betroffenen Gebieten?

Von Carolin Gasteiger, Violetta Simon und Marlene Weiß

Wie aktuell sind Wettermeldungen im Fernsehen und Radio?

Die Sender beschäftigen Meteorologen oder Redakteure, die für das Wetter verantwortlich sind: Sie arbeiten mit den Daten privater Wetterdienste, ergänzen sie um eigene Berechnungen oder Analysen und schreiben auf dieser Basis die Wettermeldungen. Der Wetterdienst MeteoGroup beispielsweise, der unter anderem RTL, MDR, NDR und WDR mit Wetterdaten beliefert, aktualisiert seine Vorhersagen stündlich, in Ausnahmefällen sogar alle 15 Minuten.

Wie aktuell die gesendeten Meldungen sind, variiert je nach Medium und Verbreitungsweg. Was im Internet und Radio vergleichsweise schnell übermittelt werden kann, dauert beim Fernsehen schon länger.

Geht etwa Meteorologin und Moderation Katja Horneffer im heute-journal um 21.45 Uhr live auf Sendung, bezieht sie sich in der Regel auf Kartenmaterial, das eine halbe Stunde vorher in die Redaktion geschickt wurde. Bei der Tagesschau um 20 Uhr werden die Daten zum letzten Mal eine Viertelstunde vor Beginn der Sendung aktualisiert. Ist die Lage ganz besonders bedrohlich, kann das Wetter auch live in die Sendung eingesprochen werden. "Das heißt, wenn man es um 20.14 Uhr sieht, dann ist das tatsächlich der aktuelle Stand der Dinge", sagt Kai Gniffke, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell. Anders sieht es bei aufgezeichneten Sendungen aus, etwa den Nachtausgaben der Nachrichten. Da müssten gegebenenfalls die Nachrichtensprecher auf aktuelle Entwicklungen reagieren, sagt Horneffer vom ZDF. RTL nimmt für sich in Anspruch, grundsätzlich nie Wetternachrichten zu senden, die älter als eine Stunde seien, so Chef-Meteorologe Christian Häckl.

Wie alarmistisch dürfen die Meldungen sein?

Jüngst kritisierte Meteorologe Jörg Kachelmann die öffentlich-rechtlichen Sender harsch dafür, nicht entschieden genug vor dem Hochwasser gewarnt zu haben. RTL-Meteorologe Häckl gibt Kachelmann teilweise Recht, sieht die Schuld aber nicht bei den Sendern, sondern in den Behörden. So würden etwa Hochwasserämter oft nicht rechtzeitig genug Warnungen herausgeben.

Für Hochwasserwarnungen ist beispielsweise in Bayern der Hochwassernachrichtendienst (HND) zuständig. Erfasst werden allerdings nur die Pegelstände an den größeren Flüssen, daraus errechnet der HND mit den Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) eine Hochwasser-Prognose. Aber das Raster ist viel zu grob für so lokale Katastrophen wie am Mittwoch. Welcher kleine Bach sich durch die plötzlichen Wassermengen schnell zu einem reißenden Fluss entwickeln wird, lässt sich mit diesen Daten kaum vorhersagen.

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Reportage von Isabel Meixner, Simbach

So hätte auch Kachelmann am Abend, bevor das Hochwasser Simbach am Inn so hart traf, nicht vor den Fluten warnen können, sagt RTL-Meteorologe Häckl. "Das gaben die Vorhersagekarten einfach nicht her." Das sei erst wenige Stunden zuvor möglich gewesen.

Was passiert bei einer akuten Unwettergefahr?

Wenn der Deutsche Wetterdienst offizielle Unwetterwarnungen herausgibt, haben diese bei vielen Sendern Priorität. Das ZDF hat sich freiwillig dazu verpflichtet, die Meldungen zu verlesen, ebenso der Bayerische Rundfunk. "Wenn eine Unwetterwarnung kommt, muss sofort das Programm unterbrochen werden und die Warnung so schnell wie möglich auf Sendung", erklärt Andrea Kister, Leiterin Redaktion Wetter und Verkehr beim BR.

Am Wortlaut der Unwetterwarnungen wird in den Redaktionen nichts verändert. Aber je nach Lage versuchen die Verantwortlichen, die Meldungen mit Erfahrungsberichten der Korrespondenten zu unterfüttern. Wie schlimm die Lage vor Ort ist, ist oft erst wenige Minuten vor Sendung abzusehen. Bis dahin gilt beim ZDF: "Wir müssen jedes Mal genau abwägen, wie wir eine Warnung vor einer drohenden Wettergefahr - Gewitter mit Hagel, Platzregen, Sturmböen, Gefahr von Tornados, Sturm oder Orkan - formulieren und wie viele Menschen von der Gefahr tatsächlich betroffen sein werden. Wir wollen nicht unnötig Angst verbreiten oder Menschen gegenüber Warnungen 'desensibilisieren'", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer.

Nicht nur beim Wording versuchen sie und ihr Team, die Brisanz der Lage zu veranschaulichen. Im aktuellen Fall habe sie in den Wettermeldungen vom vergangenen Freitag versucht, die Lage auf der Wetterkarte mit roter Schraffur zu kennzeichnen. Eine Kollegin habe die Grafiken so kommentiert: "'So rot habe ich bei Dir noch nie eine Karte gesehen.'"

Wie außergewöhnlich sind so heftige Unwetter wie jüngst in Baden-Württemberg oder Niederbayern?

"TM", so nennen Meteorologen die Großwetterlage, die in den vergangenen Tagen Gebiete in Süddeutschland verwüstet hat: "Tief Mitteleuropa". Eigentlich ist sie eher selten, noch um 1950 kam sie im Schnitt nur etwa acht bis zehn Mal im Jahr vor. Inzwischen ist Tief Mitteleuropa mit dem Klimawandel etwas häufiger geworden, in normalen Jahren tritt die Wetterlage etwa ein Dutzend Mal auf - das Jahr 2002, als die Elbe ganze Regionen unter Wasser setzte, war mit 29 TM-Tagen ganz und gar nicht normal.

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Trotzdem ist die Wetterlage allein noch nichts Dramatisches, auch wenn es bei TM-Lagen oft zu Unwettern kommt. Unangenehm wird es aber, wenn so ein Tief über einem Gebiet festsitzt, vor sich hin kreiselt und immer weiter feuchte Luft ansaugt. "Dann wird es gefährlich", sagt Gerhard Lux, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes.

Wie gut können Meteorologen sie vorhersagen?

Vorhersagen kann man solche Situationen und die drohenden Regengüsse mittlerweile recht gut, in den vergangenen 20 Jahren hat sich viel getan. Vor Orkanen kann Tage im Voraus gewarnt werden, bei Starkniederschlägen oder riesigen Gewitterwolken, sogenannten Superzellen, sind es mindestens einige Stunden. Auch vor dem starken Regen in Bayern hatte der DWD mehrfach gewarnt - bis auf Landkreisebene, wobei man vorher nie ganz genau weiß, wo die größten Wassermassen fallen werden.

Allerdings gibt der DWD jährlich etwa 3000 Unwetterwarnungen heraus. Wie schlimm solche Ereignisse tatsächlich werden, hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem davon, wie gut das Wasser abfließen kann - also von der Landschaft, der Bebauung, der Kanalisation. Sind die Böden ringsum bereits nass und können nicht noch mehr Wasser aufnehmen, folgt zusätzlicher Niederschlag dem Gefälle. Wenn eine Ortschaft das Pech hat, dort zu liegen, wo die Wassermassen aus verschiedenen Richtungen zusammentreffen, kann der Regen schnell großen Schaden anrichten.

Solche Effekte im Detail vorherzusagen, ist aber schon komplizierter. Zudem sind die Regenmengen schwer präzise zu prognostizieren: Zum Teil fielen innerhalb kurzer Zeit mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter, zehn Putzeimer voll. Solche Wassermassen sind immer ein Extremereignis.

Wie werden Bürger in betroffenen Gebieten vor einer möglichen Gefährdung gewarnt?

In der Regel informieren die örtlichen Behörden die Bevölkerung über Fernseh- und Radiosender, übers Internet, aber auch über Bürgerhotlines oder Social-Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook. Die Versorgung sämtlicher Informationskanäle erfolgt über ein Modulares Warnsystem (MoWaS), das innerhalb weniger Sekunden Meldungen an Rundfunk- und Fernsehanstalten, Medienprovider, Internet- und Pagingdienstleister sowie die Deutsche Bahn AG sendet.

Außerdem kann man spezielle Apps auf mobile Endgeräte herunterladen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat etwa die App "Nina" (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) entwickelt. Nina meldet standortbezogene Gefahren wie Hochwasser und andere Großschäden und gibt Informationen und Verhaltenstipps für den Notfall. ( Hier finden Sie Infos und eine Anleitung zur Nutzung der App) Allerdings kann diese derzeit noch nicht bundesweit genutzt werden, weil die Leitstellen nicht in jedem Bundesland angebunden sind und die Einrichtung von Warnmultiplikatoren Sache der Länder ist. Somit funktioniert die App derzeit in den derzeit betroffenen Gebieten in Bayern noch nicht, in NRW hingegen zum größten Teil.

Existiert ein Warnsystem, das auch ältere Menschen ohne Smartphones erreicht?

In vielen Regionen, auch in Bayern und NRW, wird die Bevölkerung im Ernstfall durch Sirenen und Lautsprecherfahrzeuge gewarnt. Ein flächendeckendes Sirenenwarnsystem gibt es in Deutschland jedoch nicht mehr, auch sonst ist die Ausstattung der einzelnen Bundesländer unterschiedlich. Zwar steht das Modulare Warnsystem (MoWaS) allen Bundesländern zur Verfügung, wird jedoch noch nicht von allen genutzt. "Durch den kontinuierlichen Ausbau weiterer Sendestellen und Multiplikatoren sollen künftig möglichst viele Kanäle bedient werden, um die Bevölkerung im Notfall erreichen zu können", versichert ein Sprecher des BBK.

Er empfiehlt in jedem Fall, selbst aktiv zu werden und die notwendigen Informationen einzuholen, um die eigene Lage zu beurteilen. Informationen zu Wetterereignissen bietet unter anderem der Deutsche Wetterdienst. Das BBK hat auf seiner Webseite Empfehlungen zusammengestellt, wie sich Bewohner gefährdeter Regionen auf mögliche Schadenereignisse vorbereiten können. Weitere Informationen zu Vorsorge und Selbsthilfe gibt es hier.

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