TV-Kritik zu Maybrit Illner:Ein wenig Rosa für Schwarz-Weiß-Denker

Lesezeit: 3 Min.

Wie sollte eine Familie aussehen und was ist der Sinn und Zweck einer Lebensgemeinschaft? Beim ZDF-Talk zur Homo-Ehe beharrt CDU-Politikerin Katherina Reiche auf ihren bekannten Argumenten - und macht es den Gleichstellungs-Befürwortern leicht, ihr die Grenzen aufzuzeigen.

Matthias Kohlmaier

Nach etwa einer halben Stunde Talk bei Maybrit Illner zum Thema "Zwei Männer und ein Baby - gleiches Recht für Homo-Ehen?" sagt CDU-Politikerin Katherina Reiche zum Grünen-Mitglied Volker Beck folgenden Satz: "Ich respektiere ihre Lebensform." Er, also der bekennende Homosexuelle Beck, müsse aber auch ihre Meinung zulassen.

Philipp Gut, Lilo Wanders und Katherina Reiche zu Gast bei Maybrit Illner. (Foto: Jule Roehr/ZDF)

Es ist eine Kapitulationserklärung von Reiche, der bereits zu diesem Zeitpunkt die Argumente gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe ausgegangen waren. Ähnlich erging es den anderen Mitgliedern der Kontra-Gleichstellungs-Fraktion: Neben Reiche waren Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin der Initiative Familienschutz, sowie Philipp Gut, stellvertretender Chefredakteur der rechtskonservativen Schweizer Zeitung Weltwoche, eingeladen.

"Schwule und Lesben haben etwas Narzisstisches"

Philipp Gut jedoch wirkte bereits zu Beginn der Sendung leicht angewidert, als Maybrit Illner ein schwules Paar interviewte, das zwei Pflegekinder aufgenommen hat. Der Journalist hatte sich zu dem Diskurs bereits in einem Artikel mit Sätzen wie diesem geäußert: "Die Homosexualisierung erreicht Rekordwerte." Bei Illner ging der Schweizer noch einen Schritt weiter und postulierte: "Schwule und Lesben haben etwas Narzisstisches, man liebt das, was man selbst ist."

Hedwig von Beverfoerde erklärte dem interviewten homosexuellen Paar: "Sie sind keine normale Familie." Zudem sei es ohnehin der letzte und damit wichtigste Zweck der Ehe, "Kinder zu kriegen". Da Homosexuelle das niemals leisten könnten, gebe es auch keinerlei Grund, die eingetragenen Lebenspartnerschaften vollständig mit der Ehe gleichzustellen.

Für Volker Beck, dem langjährigen Kämpfer für die Rechte Homosexueller, war es ob so vieler Ewig-Gestrigkeiten überhaupt nicht schwer, in der Runde zu glänzen. Auf Beverfoerdes Äußerung über den Hauptzweck der Ehe konterte der Grünen-Politiker lapidar: "Dann dürften wir ja mit 50 nicht mehr heiraten." Die Unterstützung des Publikums war ihm sicher.

Reiche bleibt Antworten schuldig

Beck beließ es aber nicht bei einen Bonmot, er zeigte auch Bundestagskollegin Katherina Reiche ihre rhetorischen Grenzen mehr als deutlich auf. Becks Frage war eigentlich einfach: Wo liegt der Unterschied zwischen der Beziehung von Außenminister Guido Westerwelle und dessen eingetragenem Lebenspartner Michael Mronz und der Ehe von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Joachim Sauer? Reiche stammelte erst etwas vom Grundgesetz, dann von Frau, Mann und Kindern - und ließ die Frage doch unbeantwortet.

Auch sonst schien Reiche wenig aus der Diskussion der vergangenen Wochen gelernt zu haben. Sie beharrte auf eben dem Argument, das ihr erst kürzlich einen gewaltigen medialen Shitstorm eingebracht hatte. "Wir werden weniger", sagte sie und schwadronierte weiter von der "demografisch komplizierten Situation" in Deutschland. Worauf sie hinauswollte: Die Ehe muss ihre privilegierte Stellung behalten, denn nur so werden für die künftigen sozialpolitischen Herausforderungen genug Kinder produziert. Im Schattenkabinett von Edmund Stoiber war Reiche im Bundestagswahlkampf 2002 übrigens als Familienministerin vorgesehen.

Um derlei Thesen zu widersprechen, waren Beck noch zwei weitere Gleichstellungs-Befürworter zur Seite gestellt worden. Moderatorin und Travestiekünstlerin Lilo Wanders und die lesbische Schauspielerin Maren Kroymann. Beide kamen zwar nur selten zu Wort - wenn es ihnen aber doch einmal gelang, führte das zu überraschend erhellenden Momenten.

So entgegnete Kroyman auf Beverfoerdes Aussage, Mann und Frau passten zusammen "wie Schlüssel und Schloss": "Ich finde, ich passe sehr gut an einen Frauenkörper." Als sie dafür Lacher aus dem Publikum und einen mehr als irritierten Blick von der Sprecherin der Initiative Familienschutz erntete, fügte sie hinzu: "Das war kein Angebot."

Einigkeit beim Thema Adoption

Einigkeit in der Runde herrschte beim Thema Adoption - zumindest ein bisschen. Alle Teilnehmer waren der Meinung, dass das Wohl des Kindes immer im Vordergrund stehen müsse. "Ohne Vater und Mutter geht Kindern aber etwas verloren", musste Beverfoerde dennoch anfügen. Kroymanns Argument, es gehe doch eigentlich nur darum, ob Kinder geliebt werden, ging in der Folge der Diskussion unter.

Apropos Diskussion: Wie schlug sich eigentlich Moderatorin Maybrit Illner bei diesem doch sehr heiklen Thema? Es sagt schon viel aus, wenn die Abmoderation mit den Worten beginnt: "Leider sind wir jetzt nicht mehr zu einer anderen Facette des Themas gekommen."

Deutlicher wurde da Lilo Wanders: "Ich verstehe das alles nicht!" Es lässt sich noch etwas Plakativer sagen: Den Schwarz-Weiß-Denkern täte in der Debatte um die Rechte Homosexueller ein bisschen Rosa ganz gut.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: