"Maybrit Illner" über den Lockdown:Katerstimmung am Tag danach

Lesezeit: 2 Min.

Neben Christian Lindner, Robert Habeck, Maybrit Illner, Melanie Amann und Hendrik Streeck am Tisch sind Manuela Schwesig, Dieter Hallervorden und Markus Söder per Video zur Diskussionsrunde zugeschaltet. (Foto: Svea Pietschmann/ZDF)

Fast so unübersichtlich wie das Öffnungskonzept von Bund und Ländern ist die Gästeliste von "Maybrit Illner". Zwischen Markus Söder und der Moderatorin knirscht es kurz. Dieter Hallervorden legt einen skurrilen Auftritt hin.

Von Kathrin Müller-Lancé

Der Tag danach ist selten schön. Das gilt für lange Nächte im Allgemeinen wie für Bund-Länder-Konferenzen im Speziellen. Und es herrscht tatsächlich ein bisschen Katerstimmung bei Maybrit Illner an diesem Abend. In der Nacht zuvor hatte Michael Müller noch stolz den Stufenplan in die Kamera gehalten, immerhin passe der ja auf eine Din-A4-Seite. Markus Söder twitterte irgendwas von "atmender Öffnungsmatrix". Jetzt versuchen sich die zum Teil sichtlich ermüdeten Talk-Gäste an einer Interpretation des komplizierten Papiers.

"Lockdown bis Ostern - weil Bund und Länder versagen?" ist der Titel, der anklagend im Raum hängt. Die Fragen, die verhandelt werden, sind die üblichen der Krise: Wer hat was falsch gemacht? Wie viel muss der Bund, wie viel müssen die Regionen entscheiden? Welche Richtwerte sind die richtigen - und wie hoch dürfen sie sein?

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Fast so unübersichtlich wie das neue Konzept ist die Gästeliste der Sendung. Per Videoschalte lassen sich ja nahezu unbegrenzt Menschen einladen. Für die Opposition sprechen FDP-Chef Christian Lindner und der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck. Außerdem dabei: der umstrittene Virologe Hendrik Streeck, Melanie Amann vom Spiegel, Markus Söder von der CSU, Manuela Schwesig von der SPD und - Palim, Palim - der Schauspieler Dieter Hallervorden. Man würde es Markus Söder und Manuela Schwesig wünschen, dass sie mindestens ein bisschen Schlaf hatten zwischen der letzten Nacht und dieser Debatte.

In ihrem Anfangsstatement teilt Schwesig immerhin gleich mal ordentlich aus: "Anstatt dass der Bund dafür gesorgt hat, dass die Selbsttests erst mal die Länder nutzen können, zum Beispiel um Kitas und Schulen abzusichern, landen sie jetzt bei Aldi". Dabei scheint sie zu vergessen, dass ihre eigene Partei immerhin als Koalitionspartner mitregiert. Eine fast schon bewährte Strategie der SPD in dieser Krise.

Auch Markus "wir in Bayern" Söder übt sich in Bewährtem, nämlich Selbstgerechtigkeit, preist seinen Freistaat für den Einkauf von Schnelltests und die FFP2-Maskenpflicht. Als Illner ihn fragt, warum er sich als einstiger No-Covid-Sympathisant auf einmal mit Inzidenzwerten zwischen 50 und 100 zufriedengebe, knirscht es kurz zwischen den beiden. Neben der wissenschaftlichen Einschätzung müsse man eben auch schauen, dass alle mitmachen, sagt Söder schließlich, "wir leben nicht in China".

Bleibt die Frage, wie viel Sinn ein stufenweiser Lockerungsplan macht angesichts grassierender Mutationen und steigender Inzidenzwerte. Für die Spiegel-Journalistin Amann ist das neue Konzept eine "Totgeburt". Es sei absehbar, dass die Zahlen sich nicht verbessern würden, und dass deshalb eher schnell die Notbremse gezogen werden müsse.

Es folgt noch ein skurriler Auftritt Dieter Hallervordens, der, 85-jährig und zweifach geimpft, fast am wachsten wirkt in dieser Runde. Zumindest schreckt er weder vor Regierungskritik noch vor Kalauern zurück: "Man hat den Eindruck, dass die Regierung von Organisation so wenig versteht wie eine Heuschrecke vom Dressurreiten. Wie sollen die Leute denen vertrauen?"

"Wie viele Menschenleben hätte man retten können mit einer besseren Organisation?", will Illner, auch schon ein bisschen erschöpft, gegen Ende der Sendung von Schwesig und Söder wissen. Beide antworten ausweichend. Wirklich neue Erkenntnisse liefert dieser Tag danach jedenfalls nicht.

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