Satiremagazin:Kapitänin im Wellengang

Lesezeit: 2 min

Nicht männlich, noch unter 40 - und lustig. Als Chefredakteurin der "Titanic" muss sich Julia Mateus immer wieder gegen Vorurteile behaupten. (Foto: Frederike Wetzels)

Das Geschäft mit dem Humor ist ein harter Job für Julia Mateus, die erste Frau an der Spitze der "Titanic". Ist es doch auch eine Frage der Perspektive, was witzig ist und was nicht.

Von Anna Ernst

Sie seien viel zu "weich" geworden und zu "woke", jetzt da sie an der Spitze ist. Eine Frau, ausgerechnet, kann die überhaupt lustig sein? Julia Mateus, die Chefredakteurin des Satiremagazins Titanic, wird mit solchen Kritiken und Vorurteilen immer wieder konfrontiert. Eine besonders perfide Zuschrift hat sie in ihrem Büro aufgehängt wie eine Trophäe. Der Leserbrief sei anonym gewesen, erzählt die 38-Jährige am Telefon, "aber die Kategorie ,alter weißer Mann' lässt sich an bestimmten Schlagwörtern recht schnell rauslesen".

Vor noch nicht einmal einem Jahr hat Mateus die Chefredaktion des Satiremagazins übernommen. Und als wäre es nicht schon anspruchsvoll genug, so einen jahrzehntealten Krawall-Dampfer auf dem gewohnten Kurs unterhalb der Gürtel- und Geschmackslinie zu halten, haben ihre Vorgänger auch noch vergessen zu erwähnen, dass das Schiff bedrohlich nah auf einen Eisberg namens Insolvenz zuschippert. 5000 zusätzliche Abos müssen her, damit die Titanic-Prophezeiung sich nicht umgehend selbst erfüllt. Die letzten Gehälter konnten schon nur noch mit Ach und Krach und Verspätung gezahlt werden. Aber immerhin wollen jetzt alle helfen: Promis, berühmte Ehemalige und treue Weggefährten beteiligen sich an einer "Bettelkampagne", wie Julia Mateus sie nennt.

SZ PlusSatire
:"Das Problem ist, dass Lustigsein von Frauen nicht so erwartet wird"

Wie funktioniert Satire in einer von Ironie überreizten Gesellschaft und wer entscheidet eigentlich, was witzig ist? Ein Treffen mit Julia Mateus, der ersten Frau an der Spitze der "Titanic".

Von Marlene Knobloch

Der Zusammenhalt ist groß. Titanic, sagt sie, war schon immer wie eine Familie, "mit allem, was dazugehört". Mateus wuchs in diesem Quatschclan quasi auf. Zu ihrem Werdegang in Prä- Titanic-Zeiten sei nur kurz gesagt: Geburt im Oktober 1984 in einem Ort, der so erwähnenswert ist, dass er nur abgekürzt ausgesprochen wird: Hann. Münden. Dann abgebrochener Kindergarten-Besuch ("Darauf hat mich ein Journalist ernsthaft mal angesprochen"), Abitur, Studium der Soziologie, Psychologie und Kommunikations­wissenschaft in Hamburg. Und dann eben die " Titanic-Familie" . Dort machte Julia Mateus alles durch, was ging: Praktikum, freie Mitarbeit, seit 2020 hat sie eine Redakteursstelle.

Witze über Damenhygieneprodukte - auch das ist ein Kulturwandel

Zwei Jahre später wurde sie überraschend Familienoberhaupt, als erste Frau überhaupt. Ihr Team hat 15 Leute, die sie "mit kontrollierten Wutausbrüchen" im Zaum hält, wie sie selbst scherzhaft sagt. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie der eine oder andere berühmte alte Onkel sich zur Blattkritik die Ehre gibt, was oft vorkommt, und der lieben Nichte mal zeigt, wie das früher, in den guten alten Zeiten so gemacht wurde, damals, als die Martin Sonneborns, Max Goldts und Hans Zipperts ihre Edelfedern in die Klamauktinte tunkten und auch Ewigkeiten nach der Reform von '96 noch lieber die hundert Jahre alte Rechtschreibung benutzten. Das frisch ausgerufene Mateus-Matriarchat mit seinen Witzen über Quotenfrauen und Damenhygieneprodukte hat es da vermutlich nicht leicht, die mehr als 40 Jahre lang eingeübten männlichen Scherze abzulösen.

Das Geschäft mit dem Humor ist ein harter Job. Wenn Mateus nach einem langen Tag beim Feierabendbier in der Kneipe sitzt, dann ist ihr nicht immer zum Lachen zumute, schon gar nicht bei miesen Kalauern. Passenderweise hätten vor allem Männer dann gerne einen Erklärsatz für die qua Geschlecht doch schon als unlustig geltende Person am Tisch parat: Julia, das war ein Witz! Tja, das passiert Frauen auch dann noch, wenn sie die Chefin vom berühmtesten Satiremagazin Deutschlands sind.

Wäre es nicht eine hollywoodreife Story, wenn die Titanic nun von einer Frau gesteuert den Insolvenz-Eisberg verfehlt? Man möchte es ihr wünschen. Falls das alles aber doch schlecht ausgeht, dann bleibt zu hoffen, dass James Cameron auch diese Katastrophe verfilmt. Natürlich mit Kate Winslet als Julia Mateus. Und Leonardo DiCaprio als Papst Benedikt XVI. in nicht tadelloser Soutane, der mit der "Zonen-Gaby" auf dem Schiffsbug steht, lüstern auf die gurkige Banane schielt und ruft: Ich bin der König der Welt!

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus"Titanic"
:Der Untergang

Das legendäre, aber zuletzt kaum gelesene Satiremagazin "Titanic" steuert auf die Insolvenz zu. Nun versucht Chefredakteurin Julia Mateus es mit einer "Bettelkampagne".

Von Anna Ernst und Felix Stephan

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: