"Titanic":Verbannung dank halbnacktem Jesus

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Fand Google anstößig: das Cover der Dezemberausgabe des Satiremagazins "Titanic". (Foto: Titanic)

Google sperrt die App des Satiremagazins "Titanic". Und zeigt: Tech-Konzerne lassen sich provozieren wie sonst nur die katholische Kirche.

Von Christiane Lutz

Ob es nun am Kruzifix lag, das aus dem Hintern des Papstes ragt, oder doch am halbnackten Jesus, ist nicht klar. Wahrscheinlich an beidem. Klar ist aber, dass Google Ende Januar die App des Satiremagazins Titanic aus dem Playstore verbannt und damit allen Nutzerinnen und Nutzern von Android-Handys unzugänglich gemacht hat, wie jetzt bekannt wurde. Auf der Dezemberausgabe war eine Zeichnung von Elias Hauck gedruckt, im Stil der Karikaturisten von Charlie Hebdo. Das Bild zeigte Papst Franziskus mit besagtem Kruzifix und einen wütenden Jesus mit baumelndem Glied, der ruft: "Denkst du wieder an ihn?" Mäßig lustig, die Titanic eben, hierzulande weiß man ja, womit man es zu tun hat. Google aber fand das Cover anstößig.

Vor nicht allzu langer Zeit wäre es die katholische Kirche gewesen, die sich sofort wegen Blasphemie beschwert hätte. Schließlich sind sie und ihr Personal beliebte Zielscheibe des Magazins. 2012 etwa war auf dem Titel der damalige Papst Benedikt XVI. mit eindeutigem Fleck auf dem weißen Gewand abgebildet: "Halleluja im Vatikan - die undichte Stelle ist gefunden!" Fand man dort nicht lustig. Diesmal aber bleibt die Kirche still. Die Rolle des Sittenwächters übernimmt jetzt Google, wie überhaupt riesige Tech-Konzerne inzwischen so oft im Netz darüber entscheiden, was anstößiger Inhalt ist und was nicht, was zeigbar ist und was eine Zumutung. Dann wird etwa bei Facebook und Instagram automatisch gelöscht.

Schwarzer Balken über dem Penis als Kompromiss? Davon will Google nichts wissen

Google schreibt in einer ersten Nachricht, sinngemäß aus dem Englischen übersetzt, die Titanic-App enthalte "Inhalte, die nicht mit unseren Sexualitäts- und Obszönitätenrichtlinien vereinbar" seien. Die Redaktion wurde aufgefordert, das betreffende Cover zu entfernen, dann würde die App auch wieder freigeschaltet.

Im Mailaustausch mit Google: Moritz Hürtgen, "Titanic"-Chefredakteur. (Foto: Frank Rumpenhorst/picture alliance/dpa)

"Wir knicken da natürlich nicht ein", sagt Chefredakteur Moritz Hürtgen am Telefon. Er habe immerhin angeboten, den Penis von Jesus mit einem schwarzen Balken zu verdecken, als kleines Entgegenkommen, damit die Abonnenten die Ausgabe noch laden können. Google wollte davon jedoch nichts wissen, das ganze Cover müsse für immer weg, zudem auch zwei weitere aus den Jahren 2018 und 2019, die der Konzern, wohl angestachelt zu einer gründlicheren Recherche, noch aufgestöbert hatte.

Wo sie bei Google schon mal dabei waren, fanden sie etwa auch dieses Cover von 2019. (Foto: Titanic)

Als die Titanic 2014 ihre digitale Ausgabe startete, hatte die Redaktion bei Google angegeben, dass es sich um ein Satiremagazin handele. Und was für Inhalte da zu erwarten seien. "Es ist ja nicht pornografisch, es ist Nacktheit und Sexualität in einem satirischen Kontext", erklärt Hürtgen. "Ich kann nachvollziehen, dass sich das einem US-Unternehmen nicht sofort erschließt, aber ich würde erwarten, dass die sich mit dem deutschen Markt auskennen." Offenbar aber nicht. Jeden Einspruch des Magazins lehnte Google ab, sagt Hürtgen. Immer auf Englisch, immer per Mail, persönlich gesprochen hat die Redaktion mit niemandem, bis jetzt geht das so.

Hürtgen sagt, das Ganze habe ihn eher amüsiert als schockiert, Empörung ist er schließlich gewohnt. Das Magazin sei zudem nicht auf Google angewiesen, auch wenn der Chefredakteur keine Downloadzahlen nennt. Die Titanic lebt seit jeher von ihren treuen Print-Abonnenten, 17 500 laut Eigenauskunft in den Mediadaten. "Wenn Google bei seiner Haltung bleibt, finden wir eben nicht im Playstore statt", sagt Hürtgen. Vonseiten des Konkurrenten Apple hat sich übrigens noch niemand beschwert.

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