"Tatort" aus Münster:Würde doch nur einer in die Torte fallen

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Sonst war in Münster immer Karneval, Kuhfladen, platte Fahrräder. In der Jubiläumsfolge des Tatorts gibt es das leider nicht. Diesmal unerwartet ernst: Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Thiel (Axel Prahl). (Foto: Valentin Menke/dpa)

Zu ihrem 20. Jubiläum wollen Thiel und Boerne zeigen, dass sie auch klassischen Krimi können. Wie schade.

Von Claudia Fromme

Wenn ein Tatort läuft, schaut man ihn sich mit gewissen Erwartungen an. Kommissar Murot aus Wiesbaden sieht man am besten aufrecht sitzend und niemals auf dem gemütlichen Sofa bei der Arbeit zu, weil man viel nachdenken muss. Bei Schenk und Ballauf in Köln geht man hernach seine Spendenaktivitäten durch und überlegt, vielleicht doch eine Obdachlosen- oder Prostituiertenhilfe zu unterstützen. Und in Münster, bei Thiel und Boerne, da kommt man ganzjährig in Karnevalsstimmung, da tritt einer in Kuhfladen, da gibt es viele platte Fahrräder, da regiert der Schwagerhumor.

Zur Feier der 20-jährigen Ermittlerarbeit in Münster erwartet man also, dass mindestens einer mit dem Gesicht in eine Torte fällt, um die Lovestory zwischen dem übellaunigen Kommissar und dem selbstbesoffenen Forensiker angemessen zu würdigen. Überraschenderweise ist die Episode "Ein Freund, ein guter Freund" aber ein klassischer Krimi, und in dem geht es darum: Ein Anwalt, der einem Mafiaboss zu Diensten war, wird erschossen. Der beste Freund von Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) wird entführt, alles hat mit allem zu tun, wie Ermittler Frank Thiel (Axel Prahl) irgendwann herausfindet.

Selten hat man Boerne eitler gesehen, selten Thiel muffeliger

So weit, so gut. Muss ja nicht immer ein Schenkelklopfer werden. Die Schrullen des Personals werden in dem Film, bei dem Benjamin Hessler das Buch geschrieben und Janis Rebecca Rattenni Regie geführt hat, dennoch ausführlich gewürdigt. Selten hat man Boerne eitler gesehen, selten Thiel muffeliger. Natürlich geht der Rechtsmediziner wieder eigene Wege bei der Tätersuche, diesmal sehr ausgeprägte, was damit zu tun hat, dass die Frau des Entführten seine Jugendliebe ist. Man sieht also einen liebestollen Boerne, dessen Privatleben sehr viel Aufmerksamkeit erfährt. Kurz schimmern Ansätze eines Psychothrillers durch, dann geht es weichgespült weiter, und man blickt wieder in Boernes treuherzige Augen. Und so plätschert die Handlung dahin, die zwar garniert ist mit den typischen Ping-Pong-Gags der Ermittler, aber gänzlich frei ist von Absurditäten. Man muss das Übertourte nicht mögen, sehr oft nervt es sogar, aber es ist immerhin das, was den Münsteraner Tatort besonders macht.

Darf man das sagen, dass der Film erschreckend langweilig ist, dass die Protagonisten wirken, als hätte man ihnen die Luft abgelassen? Vielleicht sollte die große Überraschung nach 20 Gaga-Jahren sein, dass man in Münster auch den klassischen Krimi kann. Am Ende hätte man sich wirklich eine Torte gewünscht.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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