"Tatort" aus Dortmund:Dicht an dicht

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In Trauer: Kommissar Faber in "Du bleibst hier". (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost)

Im ersten Fall ohne seine Kollegin Bönisch landet Kommissar Faber in der eigenen Vergangenheit. Am Ende blüht sogar der Kaktus.

Von Holger Gertz

Alles in diesem Dortmunder Tatort steht noch ganz unter dem Eindruck des vergangenen, in dem Martina Bönisch (Anna Schudt) erschossen wurde. Dass der inzwischen so halbwegs stabilisierte Extremtyp Peter Faber (Jörg Hartmann) durch diesen Verlust in erhebliche Schräglage gebracht werden würde, war abzusehen. In "Du bleibst hier" kann man nun beobachten, wie er versucht, wieder Boden unter die Füße zu kriegen. Erst mal rennt der schrat-artig aussehende Desperado dahin, wo es keinen Boden gibt und springt ins Becken des Herdecker Pumpspeicherkraftwerks. In Herdecke ist der Schauspieler Hartmann aufgewachsen, und wenn er in dieser Folge die Wurzeln von Faber sucht, berührt er ein bisschen auch seine eigenen.

Hartmann hat, mit Chefautor Jürgen Werner, das Buch geschrieben, Regisseur ist Richard Huber. Wer erwartet hätte, dass Faber wieder durchknallt und sich komplett verliert, wie zu Dienstbeginn vor gut zehn Jahren, wird nicht entsprechend bedient- das hatten sie schließlich schon mal, und Hartmann will nicht die gleiche Geschichte wieder und wieder erzählen. Also erzählen sie, wie Faber in seine Kindheit zurückreist, als er traumatisiert wurde, lange bevor er später Frau und Kind bei einem Mordanschlag verlor. Er begegnet seinem Vater, dem Friseurladen von früher, "Salon Engel", es ist eine liebevoll ausgestattete sentimental journey, nicht nur, weil Vatter Faber wegen heranbrechender Demenz langsam im Gegenlicht verschwindet. Über die Musik findet Faber Zugang zur Erinnerung, er hört ein altes Lied, "The Crystal Ship" von den Doors, und dann guckt er in sein Zimmer, und dann ist er plötzlich wieder in der Situation von damals. Die Eltern streiten.

Bei allen Dortmund-typischen Eskalationen: eine melancholische Geschichte. Der Fall an sich - von einem Immobilienhai ist nur noch eine Blutspur übrig - verblasst hinter der Trauerarbeit der Kommissare. "Also ich geh jetzt in die Stadt und trink' ein auf Martina", sagt Faber zu den Jungkollegen Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger). Und dann sitzen die drei frühmorgens dicht - und dicht an dicht - auf der Bank an der Bushaltestelle, während die Linie 452 leise weinend an ihnen vorüberfährt. Wer im Thema ist, sieht die Details und erkennt die Bezüge. Rosa Herzog fühlt sich schuldig am Tod von Bönisch, sie gibt alles, um gutzumachen, was nicht gutzumachen ist. Und so erzählen sie auch die Geschichte von Fabers traurigem Büro-Kaktus weiter, der durch Rosas Pflege plötzlich sogar blüht.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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