Das kurzfristige Ziel ist erreicht. Denn das Thema ist nun für alle sichtbar: In einem offenen Brief an ARD und Deutschlandradio, über den auch die SZ berichtet hat, hatten rund 250 Hörspielautoren, -regisseurinnen und -musiker auf ihre zunehmend prekärer werdende Situation aufmerksam gemacht. Der Tenor: Die Aufträge werden weniger, die Honorare sinken.
Der offene Brief hat nun eine öffentliche Antwort der ARD provoziert. Darin erhebt sie ihrerseits Vorwürfe gegen die Hörspielautoren. Die Rede ist von Falschbehauptungen, stillosem Verhalten und überzogenen Erwartungen. Eine "überaus ungewöhnliche Kommunikation mit ihren Auftraggebern" bemängelt die ARD in ihrer Entgegnung. Unterzeichnet haben sie Valerie Weber, die für Kultur zuständige Programmdirektorin des WDR und derzeit Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission, sowie Peter Wiechmann, Justiziar beim SWR, der für ARD und Deutschlandradio mit dem Verband der Bühnenverleger über die Hörspielhonorare verhandelt hat.
Für die Hörspielautoren liegen die Antworten zwischen Beschwichtigung und Resignation
Die Hörspielautoren halten dagegen, dass eine interne Kommunikation stetig geführt werde, aber bislang folgenlos bleibe. Spricht man mit einigen von ihnen, so sagen sie einhellig, dass bei ausnahmslos jeder Hörspielproduktion mit den Dramaturginnen und Redakteuren auch über die Rahmenbedingungen diskutiert werde, also übers Geld, die Zahl der zugestandenen Studiotage, die wachsende Unsicherheit. Die Antworten, die sie bekämen, lägen stets irgendwo zwischen Beschwichtigung und Resignation.
In ihrer offiziellen Stellungnahme drückt die ARD außerdem ihr Befremden darüber aus, dass durch den offenen Brief die Vergütungsregeln und Tarifverträge "in Misskredit gebracht werden", die "auf Augenhöhe ausgehandelt wurden und deshalb als angemessen gelten". Die Absender des Briefes argumentieren, dass der Verband der Bühnenverleger über zehn Jahre hinweg mürbe verhandelt worden sei von den Öffentlich-Rechtlichen, die am längeren Hebel säßen. Und dass, was letztlich vor drei Jahren als verändertes Vergütungssystem vereinbart worden sei, nicht mehr der digitalen medialen Realität entspräche.
Trotz des zum Teil brüsken Tons signalisiert die ARD in ihrer Erwiderung auf den offenen Brief aber auch Gesprächsbereitschaft. Sie lädt die Autorinnen und Autoren gemeinsam mit dem Verband der Bühnenverleger ein zu einem runden Tisch. Was wiederum die Unterzeichner des offenen Briefes gutheißen. Bislang hat die ARD ausschließlich mit dem Verband verhandelt, der die Verlage vertritt, mit denen viele Autorinnen und Autoren ihrerseits Verträge abgeschlossen haben.
Ein runder Tisch könnte dazu führen, dass die Vergütung neu geregelt wird
Womöglich führt der runde Tisch zu einer Wiederaufnahme von Verhandlungen, an deren Ende die Vergütung der Hörspielmacher neu geregelt wird. Schließlich gibt es in der Stellungnahme der ARD eine Passage, die man als Eingeständnis werten kann, dass das aktuelle Vergütungssystem auch aus ihrer Sicht an der Realität gescheitert ist. Jahrzehntelang war eine Mischkalkulation der Autoren tragfähig: Ihre Hörspiele werden erst urgesendet, später ab und an wiederholt - und vor allem von anderen Sendern übernommen. Für jede Ausstrahlung gibt es ein Honorar. In Summe hat sich das zu einer passablen Vergütung addiert.
An dem System hat sich im Grunde nichts geändert, nur wurden die Honorarsätze vor drei Jahren für Erstausstrahlungen angehoben und für Wiederholungen und Übernahmen abgesenkt. Gedacht war das als Anreiz für die ARD-Anstalten, mehr Übernahmen im Programm einzuplanen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Es gibt kaum noch Übernahmen. Das hat vor allem mit der Digitalisierung zu tun: Wenn ein Hörspiel ohnehin für zwölf oder 18 Monate für alle zugänglich in der Audiothek abrufbar ist, weshalb sollte ein Sender es dann noch honorarpflichtig in seinem Kulturradio ausstrahlen?
Der Online-Zuschlag, den die Autoren bekommen, ist jedoch vergleichsweise läppisch und kompensiert in keiner Weise die entgangenen Übernahme-Honorare früherer Jahre. Sogar die ARD räumt ein, dass "die Rechnung nur aufgeht, wenn Hörspiele von anderen ARD-Häusern übernommen werden". RBB, NDR, MDR, HR, RB und SR jedoch übernehmen kategorisch nicht mehr oder nur in raren Ausnahmefällen. WDR, SWR und BR haben die Zahl deutlich gesenkt. Am besten sieht es noch beim Deutschlandradio aus, wobei es auch hier eine Tendenz zur Zurückhaltung gibt.
Die Frage wird auch sein, was den Öffentlich-Rechtlichen die Kultur noch wert ist
Die Öffentlich-Rechtlichen sparen dadurch viel Geld. Immer mehr Künstlerinnen und Künstler stehen indessen vor der Frage, ob sie es sich noch leisten können, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu arbeiten, wenn ihr Verdienst in einem so eklatanten Missverhältnis zu ihrem Aufwand steht, wie das inzwischen offenkundig häufig der Fall ist. Insofern könnte die Debatte über Autorenhonorare durchschlagen auf die große Debatte über den Kulturauftrag und das Kulturverständnis der Öffentlich-Rechtlichen. Sie könnte einmal mehr die Frage aufwerfen, was ihnen die Kultur noch wert ist.
Der WDR steht seit Monaten mitten in einem argumentativen Kreuzfeuer, es wird gestritten um Sendeplätze im linearen Kulturprogramm von WDR 3 und WDR 5, um die Frage, was überhaupt alles Kultur sei, um die Digitalstrategie des Senders in diesem Zusammenhang. An diesem Dienstag tritt der Rundfunkrat des WDR zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, das ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Dabei soll es um die künftige Gestaltung des Programmauftrags gehen und explizit auch um die Kultur. Ähnliche Debatten gibt es im und über den RBB, hat es um den HR gegeben - und sie werden wahrscheinlich auch stattfinden, wenn SWR 2 demnächst sein Angebot verändert.
Der eine Punkt ist, dass die Einsparungen der Sender auch an der Kulturberichterstattung und der Kulturproduktion nicht spurlos vorübergehen. Wie tief diese Einschnitte sein dürfen, gerade auch im Bereich künstlerischer Wortproduktionen, darüber wird öffentlich vernehmbar gestritten.
Der zweite Punkt lautet: Allen Kürzungen zum Trotz werden nach wie vor viele Hörspiele und künstlerische Features produziert - doch zu welchen Bedingungen und mit welchem Selbstverständnis? Mit immer weniger Geld sollen die Qualitätsstandards gehalten werden, bemängeln die Unterzeichner des offenen Briefs. Sie beklagen auch eine Zunahme von Krimis und von Bestseller-Adaptionen - das unterhaltsam Leichte sowie Stoffe, die sich bereits auf dem Buchmarkt oder der Bühne bewährt haben, würden das Originalhörspiel zunehmend verdrängen. Damit sind Stücke gemeint, die speziell fürs Radio geschrieben sind. Sie sind die zentrale Disziplin in dieser Kunstgattung.