Pressefreiheit:Hat Sachsens Polizei einen Reporter behindert?

Pegida Demonstration Sachsen LKA

Proteste gegen den Besuch der Kanzlerin: Teilnehmer einer Pegida-Demo.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Ein Kamerateam des ZDF soll durch sächsische Polizisten an der Arbeit gehindert worden sein.
  • Der Vorfall ereignete sich am Rande des Besuchs von Kanzlerin Merkel in Dresden.
  • Ein Tweet des sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer zu dem Vorfall sorgt für heftige Kritik.

Von Ulrike Nimz, Leipzig

Als Angela Merkel am vergangenen Donnerstag Sachsen besuchte, ging das verglichen mit zurückliegenden Wahlkampfauftritten recht unaufgeregt vonstatten. Etwa 300 Pegida- und AfD-Anhänger hatten sich am sächsischen Landtag verabredet, um gegen die Kanzlerin zu protestieren - eine für Dresden überschaubare Zahl. Ein Vorfall am Rande der Demonstration führt nun jedoch zu politischen Verwerfungen: Ein Kamerateam des ZDF, das den Besuch Merkels für das Magazin "Frontal 21" begleitete, soll durch Polizisten an der Arbeit gehindert worden sein.

Der freie Journalist Arndt Ginzel hatte ein Video des Vorfalls via Facebook und Twitter veröffentlicht. Gemeinsam mit einem Kameramann hatte Ginzel die Demonstration dokumentieren wollen. Der Kameramann habe sich der Versammlung zunächst allein genähert, sei dann von einem Teilnehmer beschimpft und aufgefordert worden, das Filmen zu unterlassen. Die Polizei habe daraufhin den Kameramann festgehalten, um dessen Personalien und Presseausweis zu kontrollieren, schildert Ginzel den Hergang gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Einen Grund für die polizeiliche Maßnahme nannte man uns nicht."

Beim Besuch Merkels wird der Journalist 40 Minuten festgehalten

Ein Demonstrant, der die Szene aus der Nähe verfolgte, habe dann Anzeige gegen Ginzel erstattet, gab an, beleidigt worden zu sein. Ginzel bestreitet das. Er habe der Polizei sogar angeboten, das Filmmaterial vor Ort zu sichten, um den Sachverhalt aufzuklären. Dies sei abgelehnt worden. Auch der Bitte, ihre Namen zu nennen, seien die Beamten während des 45-minütigen Vorfalls nicht nachgekommen. "Die Polizei behindert nicht nur unsere Arbeit, sie bestärkt Pegida-Anhänger in ihrem aggressiven Auftreten gegenüber Journalisten", so Ginzel, der überwiegend investigativ recherchiert, auch in der rechten Szene.

Michael Hiller, Geschäftsführer des Deutschen Journalistenverbands Sachsen, verurteilte das Vorgehen der Beamten, forderte Aufklärung und eine Entschuldigung. Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linken im sächsischen Landtag, warf der Polizei vor, als Handlanger von Pegida aufzutreten und verlangte, den Vorfall zum Thema im Innenausschuss zu machen. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen, erklärte, die Polizei dürfe sich nicht von Gegnern der freien Presse instrumentalisieren lassen.

Für heftige Kritik sorgte am Samstag ein Tweet des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). "Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten", schrieb Kretschmer und löste damit einen Shitstorm aus. Hunderte Kommentatoren warfen Kretschmer vor, er diskreditiere die betroffenen Journalisten und mache durch seine Äußerung eine unvoreingenommene Untersuchung des Falls unmöglich.

Eine Anfrage der SZ an Innenministerium und Polizei blieb zunächst unbeantwortet. Auf ihrem Twitterkanal bat die Polizei Sachsen wegen des Wochenendes um Geduld und teilte mit, dass der Dresdner Polizeipräsident die Journalisten zu einem "klärenden Gespräch" einlade. Das sächsische Innenministerium warnte auf Twitter davor, "geschnittene Filme voreilig zu bewerten". Im Falle einer Anzeige müssten Polizisten handeln und Personalien aufnehmen. "Offensichtlich ist genau das geschehen. Nicht mehr und nicht weniger."

Mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung sind Fotografen angehalten, Personen vor Ablichtung um Einverständnis zu bitten. Journalisten sind von der Regelung ausgenommen, für sie gilt das sogenannte Medienprivileg. Hinzu kommt Paragraf 23 des Kunsturhebergesetzes. Demnach dürfen "Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Anlässen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben" auch ohne Einwilligung veröffentlicht werden.

Zur SZ-Startseite
Leipzig nach Ausschreitungen

Prozess gegen Rechtsextreme
:"Ich sag bloß Connewitz"

250 rechtsextreme Hooligans ziehen Anfang 2016 durch den Leipziger Süden. Sie zerschlagen Fensterscheiben und werfen Sprengsätze. Nun beginnt ein Prozessmarathon.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: