Prozess gegen Rechtsextreme:"Ich sag bloß Connewitz"

Leipzig nach Ausschreitungen

Auf der Wolfgang-Heinze-Straße blieb nach dem Angriff kaum ein Fenster heil.

(Foto: Peter Endig/dpa)
  • Vor dem Amtsgericht in Leipzig beginnt der erste Prozess gegen die Rechtsextremen, die im Januar 2016 an den Auschreitungen in Connewitz beteiligt waren. Zunächst stehen zwei der mutmaßlichen Täter vor Gericht.
  • 250 Neonazis zogen damals durch das linke Viertel, zertrümmerten Fensterscheiben und warfen Sprengsätze.
  • Der Angriff war offenbar wochenlang geplant.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Die Angreifer kommen aus der Dunkelheit. Schwarz vermummt stehen sie plötzlich im Imbiss Shahia II, zerschlagen die großen Schaufenster, Tische, Stühle. Einen aus Böllern gebastelten Sprengsatz werfen sie in das Waschbecken hinter dem Verkaufstresen. Die Druckwelle der Explosion reißt die Deckenverkleidung heraus. Mitarbeiter und Gäste retten sich über eine Seitentür nach draußen, sie verstecken sich bei Nachbarn. Die Randalierer verschwinden nach wenigen Minuten. Doch der Angriff ist noch nicht vorüber.

In der Nacht des 11. Januar 2016 ziehen 250 rechtsextreme Hooligans durch den Leipziger Stadtteil Connewitz, schlagen die Fensterfronten diverser Geschäfte ein, versprühen Reizgas in einer voll besetzten Kneipe. Der Sachschaden wird später auf mehr als 100 000 Euro beziffert, es gibt fünf verletzte Polizisten, 215 Verdächtige werden festgenommen, die meisten stammen aus dem Umfeld der Hooliganszene.

Schwerster Neonazi-Angriff seit den 90er Jahren

Jetzt beginnt vor dem Amtsgericht in Leipzig der erste Prozess gegen zwei junge Männer, die an dem Gewaltexzess beteiligt gewesen sein sollen. Dennis W. und Martin K. wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Der Prozess ist der Auftakt eines Justizmarathons. In den kommenden Monaten wird es mehr als 100 solcher Verfahren geben, auch vor den Amtsgerichten in Grimma, Torgau und Eilenburg.

Der Überfall auf Connewitz war der schwerste Neonazi-Angriff in Leipzig seit den 90er Jahren, als sich Linksradikale und Rechtsextreme regelmäßig Revierkämpfe lieferten. Heute stellt sich die Machtfrage längst nicht mehr: Connewitz ist im von CDU und AfD dominierten Sachsen ein tiefroter Fleck. Die Linke fährt hier regelmäßig Rekordergebnisse ein. "Antifa Area" steht auf zerschlissenen Transparenten und Häuserwänden.

Die Kämpfe der vergangenen Jahre, sie richteten sich vor allem gegen die fortschreitende Gentrifizierung. Gegen renovierte Fassaden, schicke Einfamilienhäuser und den monströsen Rewe-Einkaufsmarkt. Und gegen die Polizei. Im Dezember 2015 lieferten sich Linksautonome im Viertel eine Straßenschlacht, bei der 69 Beamte verletzt wurden. Connewitz geriet mit den Bildern von brennenden Barrikaden und Wasserwerfern bundesweit in die Medien.

Aufruf zum "Sturm auf Leipzig"

Bei Neonazis galt Connewitz als linke Festung. Uneinnehmbar. Doch im Januar 2016 witterten sie ihre Chance. In Leipzig marschierten montags Anhänger des Pegida-Ablegers Legida durch die Stadt. Bei den Demonstrationen im Zentrum der Stadt mischten sich regelmäßig gewaltbereite rechtsextreme Hooligans unter die Demonstranten. Immer wieder kam es zu Ausschreitungen.

Der einjährige Geburtstag von Legida stand bevor. Rechtsextreme Gruppierungen wie die Freie Kameradschaft und auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Brigade Halle veröffentlichten in sozialen Netzwerken Mobilisierungsaufrufe. Die Absprachen für den "Sturm auf Leipzig" erfolgten über Whatsapp oder per SMS. (Das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer hat eine Auswahl der Nachrichten veröffentlicht.)

Die Neonazis erkundigten sich in Kurznachrichten über den möglichen Versammlungsort von Legida. Schnell wurde klar, dass das eigentlich Ziel ganz woanders liegt. "Ich sag bloß Connewitz", sagt ein Hooligan aus dem Umfeld von Dynamo Dresden in einer Sprachnachricht, die er einem Freund schickte. Er wollte ihn von der Aktion fernhalten. "Hab kein Bock, dass du sinnlos Ärger hast, wegen so einer verwanzten Scheiße, weil man meint, dort durchrennen zu müssen." Andere konnten es wiederum kaum erwarten: "Wird 'ne geile Ausfahrt."

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