Kommissar Bukow ist Geschichte, der vorletzte Cowboy des Sonntagskrimis ist davongeritten. Jetzt hängt es an Faber aus dem Dortmunder Tatort und seinem ranzigen Parka, die Fahne des verschrobenen Einzelgängers hochzuhalten. Nachfolgerin beim Polizeiruf in Rostock ist Bukows Halbschwester Melly Böwe (Lina Beckmann), die zuletzt schon mehr oder minder sanft an die Mordkommission an der Ostsee herangeführt wurde.
Dass sie einen lustigen Twingo fährt und ein fröhlicher Mensch ist mit leichter Tendenz zur Betriebsnudel, gibt die Marschroute vor: Die Neue im Team hat so gar nichts von ihrem kauzigen Vorgänger, großartig gespielt von Charly Hübner. Besonders Profilerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) geht sie vielleicht gerade deshalb unfassbar auf den Geist. Zum Einstand hat sie Selbstgebackenes dabei, sie trägt Volksbanken-Chic, König bevorzugt Brummfresse zu Bomberjacke. Kann das gut gehen, vor allem, weil die Frauen das Ermittlerteam zusammen leiten sollen? Keine Zeit, darüber nachzudenken, die erste Tote liegt schon da.
Die Frage nach dem Täter hat sich schon nach ein paar Minuten erledigt
Eine Grundschullehrerin trifft sich mit einem Date in einer Kneipe namens Knockout, und als die Frau nach Hause fahren will, steht da der eifersüchtige Freund aus Kinderzeiten und schubst sie so rüde, dass sie fällt und stirbt. Herumplagen mit der Suche nach dem Mann, der die Frau getötet hat, muss sich kein Zuschauender, alles ist in den ersten Minuten klar, und dann hört der Film auch schon auf, Krimi zu sein.
An die Stelle tritt die Geschichte des titelgebenden "Daniel A.", der als Daniela Adamek (Jonathan Perleth) geboren wurde und von seinem Umfeld noch als junge Frau gesehen wird. Beim Date mit der Lehrerin tritt er als Daniel auf, und als die Polizei ihn sucht und befragen will, rennt er weg wie ein waidwundes Reh. Er könnte aussagen, und alles wäre gut, er hat ja nichts gemacht. Er will es aber nicht, denn sein Vater, der Polizist ist, weiß nichts von seinem Wunsch, ein Mann zu sein. Eigentlich weiß es kaum einer. Der Vater ist total drüber, seitdem er Witwer ist und seine 15-jährige andere Tochter ein Kind bekommen hat. "Wir sind eine ganz normale Familie", schreit er in die Nacht, und das ist der Kern der Story von Benjamin Hessler (Buch) und Dustin Loose (Regie): Die Suche nach Normalität in einer Welt, die keine Abweichungen zulässt.
Jonathan Perleth verkörpert die Hauptrolle unglaublich stark, es ist das Debüt eines jungen Mannes, der von der Schauspielschule Bern weg für den Polizeiruf gecastet wurde und der die innere Not der Hauptfigur sicher auch deshalb so überzeugend spielt, weil er selbst trans Mann ist. Es ist gut, dass seine Geschichte großen Raum im Film einnimmt, zuletzt gab es zu viele Sonntagskrimis, in denen eine LGBTIQ*-Nebenfigur als gut gemeintes Dekor in den Plot geschrieben wurde, ohne die Geschichte voranzubringen oder zu mehr Diversität beizutragen. Auf der Strecke bleibt in Rostock, wie sich die Figuren im Schatten Bukows und im Lichte der Kuchenplatten Böwes entwickeln. Aber so ganz neu ist die Neue ja auch nicht mehr.
Polizeiruf 110, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste.
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