Die Hochzeit von London ist ein gigantisches Unterhaltungsereignis, von dem auch die deutschen Sender kräftig profitieren möchten. Viele übertragen an diesem Freitag live, das verspricht gute Quoten, immerhin mehr als zwei Milliarden Menschen, heißt es, sollen bei dem Promi-Ereignis zuschauen.
Die Hierarchen des deutschen Gebührenfernsehens sahen da offenbar keine Notwendigkeit, sich an eine Abmachung zu halten, die man für solche Großereignisse vor ein paar Jahren getroffen hatte: Sie besagt, dass ARD und ZDF in dem Fall nicht parallel übertragen, sondern sich in der Berichterstattung abwechseln. Davon ist nun keine Rede. Die beiden nationalen öffentlich-rechtlichen Programme, die sich sonst eher schwertun mit der Unterhaltung, haben ihr komplettes Programm für das Boulevard-Ereignis umgestellt, um ihr mehrheitlich älteres Stammpublikum mit der royalen Show zu bedienen. Sie übertragen mit dem Sendesignal der BBC parallel und live von neun Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags und mit jeweils sendereigenen Moderatorenteams.
Das ist nicht mal irre teuer, aber trotzdem irre. Und nicht nur, weil dem ARD-Adelsexperten Rolf Seelmann-Eggebert, 74, im Focus zu den royalen Feierlichkeiten tatsächlich der Satz einfiel: "Eine Republik ist dagegen eher trist." Oder weil das ZDF den Londoner "Tag voller emotionaler Höhepunkte" thematisch bis zur Kochshow von Markus Lanz am späten Abend fortsetzen wird.
Doppelübertragungen sind grundsätzlich ein Glaubwürdigkeitsproblem für die gebührenfinanzierten Anstalten, denn sie bedeuten, dass ARD und ZDF auf Programmvielfalt verzichten, um gegeneinander zu konkurrieren. Kritik an der royalen Doppelshow kommt parteiübergreifend aus der Politik.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte der SZ: "Wenn es denn noch einer Antwort auf die Frage bedurft hätte, ob für die Programmgestaltung auch der Öffentlich-Rechtlichen nichts vorrangiger ist als die Quote, dann ist sie mit dieser Doppelübertragung beantwortet."
Auch im Kreis der für die Rundfunkgesetze zuständigen Länder missfällt die Doppelhochzeit in allen politischen Lagern. Martin Stadelmaier (SPD) Chef der für Medienpolitik federführenden Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, sagte: "Das kann man den Menschen nicht vernünftig erklären - eine gemeinsame Berichterstattung von ARD und ZDF hätte ausgereicht". Bei Übertragungen von Fußball-Länderspielen einigten sich die Sender schließlich auch, wer welches Spiel zeigt.
Sachsens Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU) erklärt: "Dass auf ARD und ZDF zeitgleich Sondersendungen mit denselben Bildern von der royalen Hochzeit laufen, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Die Sender sind Geschwister und keine Konkurrenten." Schließlich würden beide "aus einer Geldbörse bezahlt und sollten sich ergänzen". Der Gebührenzahler habe keinen Mehrwert und "versteht ein solches Vorgehen zu Recht nicht". Beermann führt eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Länder, die für Beitragsstabilität sorgen und 2014 eine fällige Grundsatzdiskussion um den öffentlich-rechtlichen Auftrag beginnen soll. Vielleicht weiß er jetzt, mit was er anfängt.
Die Grünen-Politikerin Tabea Rößner findet es zwar in Ordnung, "dass "die königliche Hochzeit ein großes Interesse hervorruft, das die Öffentlich-Rechtlichen bedienen wollen". Warum aber ARD und ZDF beide zeitgleich übertragen wollen, "ist mir schleierhaft". Bis auf die Kommentatoren sei die Übertragung doch wohl identisch - "oder sagt William auf einem Kanal Ja und auf dem anderen Nein?" Rößner mahnt zu besseren Absprachen, sonst bleibe die Vielfalt auf der Strecke.
Es ist ein heikler Zeitpunkt, um Glaubwürdigkeit mit Aktionen wie der Doppelhochzeit preiszugeben: Viele Landtage müssen noch über die Gebührenreform abstimmen. Was ARD und ZDF aber signalisieren, ist, dass sie - finanziell gesichert und staatsvertraglich geschützt - am Ende doch tun, was sie wollen.
Die Gremienkontrolle reagiert - zahm. Ruth Hieronymi, die als WDR-Rundfunkratschefin derzeit die oberste ARD-Kontrolleurin ist, sagte, es handle sich um eine Ausnahme. Die Gremienvorsitzendenkonferenz werde "sehr darauf achten", dass es die Ausnahme bleibe. Von Gebührenverschwendung könne man aber nicht reden, weil die Kosten so günstig seien.
Mit Geld argumentiert auch die ARD-Vorsitzende Monika Piel. Die Übertragung koste nicht mehr "als normales Programm" und gehöre zu den kostengünstigsten Live-Übertragungen überhaupt, "da royale Hochzeiten in der Regel mehrere Stunden dauern und enorm viel Publikum finden". Ähnlich würde das auch ein Privatsender-Manager erklären.
Piel sagte weiter, ARD und ZDF zeigten royale Großereignisse nur in Ausnahmen gleichzeitig ("in den vergangenen zehn Jahren ganze drei Mal"). Bei der Hochzeit von Prinz William mit Kate Middleton werde das Publikum "fundiert und hintergründig informiert". ZDF-Sprecher Alexander Stock erklärte, die Hochzeit werde "das Fernsehereignis 2011". Als letztes royales Ereignis, das ARD und ZDF parallel übertragen hätten, nennt das Zweite die Beisetzung des Fürsten von Monaco vor sechs Jahren.
Dem Privatsender-Lobbyisten Jürgen Doetz (Verband VPRT) kommt da in den Sinn, ARD und ZDF hätten wohl etwas falsch verstanden: "Zu einer Hochzeit gehören zwar immer zwei, aber ARD und ZDF sind ja nicht die Protagonisten dieser Hochzeit". Die Verabredung, auf Doppelübertragungen zu verzichten, gehöre zum Fairplay im dualen Rundfunksystem. Falsch verstandenes Quotendenken der Anstalten gehe nun zu Lasten der Zuschauerzahlen der Privaten.
Bemerkenswert übrigens ist das Programm des kleinen öffentlich-rechtlichen Senders Phoenix (Jahresetat 36 Millionen Euro). Dort läuft am Freitag der Thementag "Es lebe die Republik".