Vor allem das Pfeifen war unverkennbar. Waren in den runtergerockten Straßen West Baltimores ein paar Takte des Kinderliedes "The Farmer in the Dell" zu hören, war klar: Omar kommt. Und vor Omar Little haben in der TV-Serie The Wire alle Angst.
Der Gangster selbst hingegen fürchtete nichts und niemanden, das machte seine Figur aus: "Omar don't scare", sagt er, der über sich selbst stets in der dritten Person spricht. Und doch war Omar Little eine ganz besondere Figur in der HBO-Serie, in der es um Drogen, das raue Leben auf der Straße, um Rassismus und Kriminalität geht - und die viele für die beste Serie aller Zeiten halten.
Omar Little war furchtlos, grausam und doch verletzlich, sensibel, empathisch - ein echter Antiheld, offen schwul, inmitten all der breitbeinig marschierenden, spuckenden, harten Gangstertypen. Und Michael K. Williams spielt diesen Typ von der Straße so undurchsichtig, vielschichtig und aufrichtig, dass ihn viele, sogar Barack Obama, zu seiner Lieblingsfigur in der Serie erklären. "Das Einzige, das Omar und ich gemeinsam hatten", erklärte Williams einmal der GQ, "war seine Empfindsamkeit und seine Fähigkeit, stark zu lieben. Ich wusste, dass ich das in mir hatte."
Bei einer Schlägerei wurde er mit einer Rasierklinge an der Stirn verletzt
Williams wurde 1966 in Flatbush, New York, geboren, und arbeitete zunächst als Tänzer. In Videos von George Michael, Missy Elliot und Madonna war er zu sehen. Er sei nicht der beste Tänzer gewesen, sagte er einmal, aber mit Sicherheit der leidenschaftlichste. In einer seiner ersten Rollen spielte er 1996 in "Bullet - Auge um Auge" mit, an der Seite von Tupac Shakur.
Es hatte praktische Gründe, dass Williams bald völlig zur Schauspielerei wechselte. Als er seinen 25. Geburtstag in einer Bar in Queens feierte, wurde er bei einer Schlägerei mit einer Rasierklinge an der Stirn verletzt. Mit dieser Narbe, die auch Omar Little unverkennbar macht, wollte ihn niemand mehr als Background-Tänzer besetzen - aber viele als Schurken.
Williams spielte in den Serien Boardwalk Empire und The Night Of, im Kinofilm "12 Years a Slave" und in Ava Du Vernays Miniserie When They See Us . Er wurde für fünf Emmys nominiert, zuletzt für seine Rolle als Montrose Freeman in der HBO-Serie Lovecraft Country. "Ich wollte meinen Vorfahren Tribut zollen, jedem, der am Leben ist, jedem Schwarzen, der heute am Leben ist", erzählte er dem Rolling Stone über seine Rolle als Alkoholschmuggler Chalky White, den er in Boardwalk Empire spielt und der der Anführer von Atlantic Citys afroamerikanischer Community war. Williams engagierte sich gegen Rassismus und für eine Justizreform in Amerika und auf den Bahamas, der Heimat seiner Mutter.
Ähnlich wie Omar Little, der Drogendealer ausraubt, aber nie diejenigen, die sich eh nicht wehren können, wollte Williams in seinen Rollen stets den Underdogs ein Gesicht geben und Charaktere verkörpern, die andere übersehen hätten. So formulierte es Wendell Pierce, der in The Wire Detective Bunk Moreland spielte und der nun, zu Williams' Tod, twittert: "Die Liebe, die ich für diesen Bruder empfinde, kann nur mit dem Schmerz harmonieren, den ich jetzt empfinde." Ava DuVernay schreibt auf Instagram: "Du, Bruder, hast viele berührt." Durch seine großen und kleinen persönlichen Begegnungen, sein gesellschaftliches Engagement, durch seine Kämpfe, seine Triumphe, seine großartige Arbeit habe er viele berührt. "Du hast mich berührt."
Als Nächstes hätte er in einem Biopic über den Profiboxer George Foreman dessen Trainer Charles "Doc" Broadus spielen sollen. Michael Kenneth Williams wurde Montagnacht tot in seinem New Yorker Apartment aufgefunden. Er wurde 54 Jahre alt.