Hört man Urbano Cairo zu, dem Verleger des Mailänder Corriere della Sera und der Gazzetta dello Sport, also der größten Tages- und der größten Sportzeitung Italiens, sowie Eigentümer des Fernsehsenders La 7, dann ist alles wunderbar. Zuhören kann man ihm, weil sein Motivationsvideo für die Werbeverkäufer im Unternehmen vor einigen Tagen publik wurde - unbeabsichtigt. Fünf Minuten und 39 Sekunden, ein Festival des positiven Denkens. Die meisten Werbekunden, sagt Cairo, seien gerade sehr interessiert, Anzeigen und Werbeblöcke zu schalten. "Überall sind wir solide", sagt er. Beretta Salumi, die Wurstwaren? "235 000 Euro." Enel, die Stromfirma? "1,1 Millionen." "Ich habe Banca Intesa angerufen, 250 000 Euro zusätzlich." Das Video passt nicht so gut in die Zeit, Cairo entschuldigte sich dafür. Auch bei der römischen Konkurrenz La Repubblica ist man zuversichtlich, nur kleinere Sparmaßnahmen sind geplant. Kurzarbeit hat auch sie nicht angemeldet. Im Netz ist sie die Nummer eins im Land. Die Zugriffe kommen auch aus dem Ausland. Selbst bei den Abonnements der Papierausgabe legt Repubblica zu, und das kam lange nicht mehr vor. Oliver Meiler
Am schwersten trifft es in Großbritannien die Gratiszeitungen. City AM und The Metro, die wie der Evening Standard von Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs gelesen werden, haben ihr Erscheinen eingestellt; der Standard hat seine Auflage stark heruntergefahren und versucht, die Pleite dadurch zu umgehen, dass Teile der Auflage als Briefwurfsendungen verteilt werden. Den großen Medienhäusern geht es wie überall auf der Welt: Die Anzeigenerlöse brechen ein und können durch das verstärkte Interesse an Online-News und explodierende Klickzahlen nicht kompensiert werden. Der Guardian berichtet, britischen Zeitungen drohten allein in den kommenden drei Monaten Verluste von 57 Millionen Pfund (65 Millionen Euro), weil Anzeigenkunden sich weigerten, ihre Webung im Umfeld von Artikeln über das Virus zu platzieren. Einzig die BBC profitiert von der Lage: Weil die Regierung damit beschäftigt ist, die Krise zu bewältigen, hat der Druck auf den Sender nachgelassen, dem von Downing Street die Zerschlagung und eine Abschaffung der Lizenzgebühr angedroht worden war. Cathrin Kahlweit
Man merkt es schon am Kiosk: Die französischen Blätter werden dünner. Wo Le Monde normalerweise um die 35 Seiten hat, sind es derzeit keine dreißig mehr. Bei der Mitte März von der Regierung verhängten allgemeinen Ausgangsbeschränkung im Land haben die meisten Redaktionen sofort auf Home-Office für fast alle umgestellt. Seit über zwei Wochen sind die Redaktionsgebäude praktisch leer, und die Zeitung entsteht aus der Ferne, mit bis zu 530 gleichzeitigen VPN-Schaltungen. Kompakteinsatz ist dagegen beim Fernsehen gefragt, wo die ohnehin schon langen Nachrichtensendungen zu noch längeren Sondersendungen ausufern. Interessant ist, was beim Radio geschah: Nachdem zunächst die unterschiedlichen Kanäle des öffentlichen Radio France zur Schonung des Personals morgens und mittags zu einer einzigen langen Informationsschneise zusammengelegt wurden, haben sie nun wieder zum jeweiligen Eigenprofil mit den angestammten Moderatoren und den von zu Hause zugeschalteten Kolumnisten zurückgefunden. Zu traurig war der Einheitssound geworden. Joseph Hanimann
Österreich
Im jüngsten Corona-Hilfspaket hat Österreichs Regierung auch eine gesonderte Medienförderung beschlossen. 32 Millionen Euro sollen der Branche helfen, durch die Krise zu kommen. Fast die Hälfte davon geht an kommerzielle Privatsender. Tageszeitungen bekommen insgesamt 12,1 Millionen Euro, Wochenzeitungen 2,7 Millionen Euro. Über die Verteilung ist sogleich ein heftiger Streit entbrannt. Obwohl die Regierung bei den Verteilungskriterien im letzten Augenblick noch ein wenig nachbesserte, bekommen unter dem Strich die Boulevardblätter einen Löwenanteil der Förderung, also die Kronen Zeitung sowie die gratis verteilten Blätter Österreich und Heute. Journalistenverbände übten daran heftige Kritik und forderten, dass neben der Auflagenzahl stärker die Qualität als Kriterium für die Förderung berücksichtigt werden müsste. Überdies gibt es inzwischen bei den meisten österreichischen Medienhäusern Kurzarbeit, auch beim gebührenfinanzierten ORF. Nicht betroffen ist dort aber die derzeit besonders beschäftigte Sparte Information. Peter Münch
Auch in Dänemark hat Corona die Medienhäuser in eine Krise gestürzt. Die Kopenhagener Zeitung Berlingske hat schon 20 Stellen abgebaut, Jysk Fynske hat die Gehälter um zehn Prozent gekappt, und dem seit 1867 bestehenden Helsingør Dagblad droht die Schließung innerhalb von vier Wochen, wenn kein Käufer gefunden wird. Vorige Woche dann verkündete die viel kritisierte Kulturministerin Joy Mogensen ein Rettungspaket: Wenn ein Medienhaus 30 Prozent seiner Werbeeinnahmen verliert, übernimmt der Staat 60 Prozent der Verluste. Wenn mehr als die Hälfte der Werbeeinnahmen wegbrechen, dann steht der Staat sogar für 80 Prozent der Verluste gerade. Die Ministerin geht davon aus, dass am Ende 180 Millionen Dänische Kronen fließen werden, das sind umgerechnet etwa 24 Millionen Euro. Wie anderswo auch trifft die Krise in Dänemark vor allem lokale und regionale Zeitungshäuser hart. Die privaten Medien seien Teil der Demokratie und des Austausches der Gesellschaft, sagte die Ministerin. "Sie sind besonders wichtig für viele lokale Gemeinschaften." Kai Strittmatter
Die von Regierungschef Viktor Orbán in Ungarn durchgesetzten Notstandsgesetze bringen die noch verbliebenen unabhängigen Medien des Landes weiter unter Druck. Denn wer in der Corona-Krise "Falschinformationen" verbreitet oder "Panik" schürt, kann nun mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Ungarn ist dabei ein spezieller Fall: Was wahr und was falsch ist, wird weitgehend von der Regierung und den von ihr kontrollierten Medien bestimmt, die unter dem Dach einer Stiftung zusammengefasst worden sind. Die Organisation Reporter ohne Grenzen fürchtet nun, "dass regierungskritische Medien in der Corona-Krise mundtot gemacht werden sollen". Konkrete Vorfälle haben ungarische Journalisten bislang noch nicht gemeldet, doch sie klagen darüber, von überprüfbaren Informationen über die Ausbreitung der Pandemie abgeschnitten zu sein. Anfang März noch waren unabhängige Medien die ersten gewesen, die auf die Gefahr durch das Coronavirus aufmerksam machten, während die regierungsnahen Medien diese Gefahr noch herunterspielten. Peter Münch