Amazon-Serie "Hunters":"Die beste Form der Rache? Rache!"

Lesezeit: 2 min

Supernazijäger: Al Pacino (r.) als Meyer Offermann in "Hunters". (Foto: Christopher Saunders/Amazon)
  • Die Gedenkstätte Auschwitz hat die Nazijäger-Serie "Hunters" für fiktionale, sehr grausame Szenen kritisiert.
  • Es gibt noch weiteren Grund zur Kritik - die Serie ist thematisch überladen und scheitert an der Vermischung von Genres, die sie versucht.

Von Jürgen Schmieder

Das einzige Problem der Amazon-Serie Hunters mit Al Pacino in der Hauptrolle sind nicht die Szenen, die nun - zu Recht - heftig kritisiert werden; Szenen, in denen jüdische Gefangene des Konzentrationslagers Auschwitz von Wächtern auf einem überdimensionalen Schachbrett als Figuren aufgestellt werden und sich gegenseitig die Kehle aufschlitzen müssen. Oder jene, in der ein sadistischer Soldat jeden abknallt, der nicht perfekt singt. Diese Szenen sind unerträglich anzusehen. Aber es gibt ein weiteres Problem mit der Serie.

Es geht in Hunters um Nazi-Jäger in den USA, die im Jahr 1977 viele von denen verfolgen, die während des Zweiten Weltkriegs grausame Verbrechen begangen haben und danach vor der Bestrafung geflüchtet sind. Nazis, die in den Vereinigten Staaten am "Vierten Reich" basteln: Sie infiltrieren US-Regierung und Institutionen wie die Raumfahrtbehörde Nasa, und sie machen, das zeigt eine weitere schauerliche Szene gleich zu Beginn der ersten Folge, völlig skrupellos weiter mit den antisemitischen Morden.

Die Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten. Die USA nahmen bei der "Operation Paperclip" deutsche Wissenschaftler auf, um sich im Kalten Krieg einen technologischen Vorteil gegen Russland zu verschaffen, auch Nazi-Jäger gab es damals. "Hunters" stellt überdies einen Bezug zur Gegenwart her: Die Nazi-Ideologie wird weiterhin in dubiosen Organisationen hochgehalten. Die Serie wirft zudem die Frage auf, ob sich die Taten der Nazis mit Grausamkeit vergelten lassen - oder wie der von Al Pacino verkörperte Chef der Nazi-Jäger sagt: "Die beste Form der Rache? Rache!"

Nur: "Hunters" will in zehneinhalb Stunden Sendezeit nicht nur eine Rachefantasie ausleben wie Quentin Tarantino in Inglourious Basterds, sondern auch ein Nazi-Thriller im Stil der 70er-Jahre sein wie Marathon Man und The Boys From Brazil. Und: Es will obendrein auch noch eine Action-Superhelden-Serie sein, die Al-Pacino-Figur Meyer Offerman kommt daher wie eine Mischung aus dem X-Men-Anführer Professor X und Batman-Alter-Ego Bruce Wayne. Ganz nebenbei wird über eine schwarze FBI-Ermittlerin noch Rassismus und Sexismus im Amerika der 1970er thematisiert. "Hunters" will alles sein und ist deshalb am Ende gar nichts.

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Mal abgesehen davon, dass die grausamen Szenen völlig zu Recht geschmäht werden. Mitarbeiter der Gedenkstätte Auschwitz schrieben bei Twitter: "Auschwitz war voll von schrecklichem Schmerz und Leid, Überlebende haben davon Zeugnis abgelegt." Ein erfundenes Schachspiel mit Menschen sei nicht nur eine gefährliche Dummheit und eine Karikatur. Es rufe auch zukünftige Leugner auf den Plan.

Zahlreiche Filme und Serien sind dadurch grandios, dass sie Genres vermischen, und noch mehr scheitern daran - auch ohne die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu behandeln. "Als Enkel von Holocaust-Überlebenden halte ich es für meine Pflicht, das Andenken am Leben zu halten", sagt Serien-Erfinder David Weil in einem Statement, das der SZ vorliegt: "Hunters basiert auf wahren Begebenheiten, es ist jedoch keine Dokumentarserie."

Hunters , bei Amazon

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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