"Hart aber fair" zum Thema Sparen:Überleben in einer Welt ohne Zins

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Hart aber fair, nicht mit Frank Plasberg, sondern mit Susan Link. Die Gäste diskutieren über das Sparen im Zeitalter der Minuszinsen. (Foto: WDR/Dirk Borm)

Bei "Hart aber fair" diskutieren die Gäste über eine Zeit nach dem Sparbuch - ganz ohne Frank Plasberg.

Nachtkritik von Quentin Lichtblau

Erstmal bemerkt man eigentlich kaum einen Unterschied. Montagabend, "Hart aber fair", aber kein Frank Plasberg. Stattdessen steht da Susan Link - hält die Eröffnungsmoderation, fährt den Anfangs-Einspieler zum Thema ab, lässt die Gäste ankündigen - erst dann erklärt sie dem traditionsbewussten Talkshow-Zuschauer, was denn hier eigentlich los ist, denn der frage sich sicher schon "warum ist SIE da und ER nicht?" Plasberg ist krank, laut Link falle er aus für "einige" Ausgaben, natürlich wünscht sie ihm gute Besserung. Sie halte "seinen Platz" hier nur warm und freue sich, wenn er wiederkommt.

Susan Links Debüt als "Hart aber fair"- Moderatorin behandelt ein Thema, das viele Bürger in den vergangenen Monaten zurecht umtreibt: "Wer jetzt noch spart, ist selber schuld: Muss uns die Politik vor den Minuszinsen retten?", lautet die Ankündigung.

Geladen ist die übliche Mischung aus Experten und Politikern, Sarah Wagenknecht ist da, ein Sparkassen-Kommunikationschef Christian Achilles, Markus Blume von der CSU, ARD-Börsenexpertin Anja Kohl und Dorothea Mohn, Finanzfachfrau der Verbraucherzentrale. Oft ist bei "hart aber fair" ja auch ein lustiger Freak dabei, irgendein Prominenter mit Randbezug zum Thema und ein bisschen Halbwissen. Schade, dass dieser diesmal fehlt, er oder sie hätte dieser doch recht expertigen Ausgabe ausnahmsweise mal gut getan.

Was tun gegen Negativzinsen?

Immerhin sitzen bei "hart aber fair" aber mal mehr Frauen als Männer in der Runde, was bedeutet, dass fast alle Gäste ausreden dürfen - bis auf Wagenknecht natürlich , der es wohl in noch keiner Talkshow gestattet wurde, einen Punkt zu Ende zu bringen. Anfangs ist es aber sowieso noch recht ruhig, die Sprechenden angesichts der doch recht dramatischen Ausgangsfrage (es geht schließlich um die heilige deutsche Tugend des Sparens!) noch im Deeskalationsmodus: Dorothea Mohn glaubt, dass die Banken Negativzinsen nicht dauerhaft und breitenwirksam einführen werden, schließlich würden ihnen die Kunden entweder davon- oder auf die Barrikaden gehen. Kleine Vermögen seien nicht gefährdet.

Achilles bitte um Verständnis für die Negativzinsen, schließlich sei das, was Sparkassen so machten, ja auch eine Dienstleistung, oder so. Er macht einen eigenartigen Vergleich mit einem Metzger, der einem zum gekauften Fleisch ja auch kein Geld dazustecke. Vor dem inneren Auge der Zuschauer erscheinen Geldautomaten, die Gelbwurst ausspucken.

Börsenexpertin Kohl hingegen ist schwer beunruhigt, die Sache mit dem Zins sei für immer vorbei: "Der Zins wird nicht wiederkommen", prophezeit sie, was in einem System, das bisher auf Zins basiert habe, natürlich dramatische Konsequenzen herbeiführe: Die "Welt ohne Zins". Dass der Sparer für diese "Misere" zu haften habe, sei "fast schon zynisch und unverschämt". Hier ist sie noch einer Meinung mit Wagenknecht, die sich zwar als grundsätzlicher Fan der Sparkassen und ihrer Gemeinwohl-Ausrichtung outet, aber fordert, dass ein Girokonto stets ohne Gebühren oder Negativzinsen zu haben sein müsse.

CSU-Generalsekretär Blume bemüht sich tunlichst, sich eine Art Start-Up-Anstrich zu verpassen. Anstatt unnötiger Sparer-Ängste will er die Negativzinsen als dornige Chance begreifen: Nicht mehr sparen, sondern Anlegen, fordert er - und schwört die Runde damit schließlich auf eine Sache ein, der dann eigentlich nur noch Wagenknecht widerspricht. Dass jeder deutsche (Ex-)Sparer von einem Tag zum anderen zum Aktien-Profi werde, hält sie für unrealistisch - und angesichts der Erfahrungen mit den nicht unbedingt krisenfesten Risikogeschäften glaubt sie auch nicht, dass das "Casino" des Aktienmarkts ein guter Ort für die finanzielle Absicherung der deutschen Bürger sei.

Blume empfiehlt Aktien, Mohn empfiehlt Gold, nur Wagenknecht spielt nicht mit

Blume, der neben Aktien auch Investments im Immobilienmarkt als geeignete Variante zur eigentumsorientierten Absicherung deutscher Existenzen sieht, was Wagenknecht ebenso kritisiert, unterstellt ihr daraufhin Sozialismus-Nostalgie. Das soll irgendwie empört klingen, Blume lächelt aber so eigenartig beschämt, als wäre ihm der Vorwurf bereits beim Aussprechen peinlich.

Link will nicht auf dieses "Scharmützel abbiegen", fragt dann aber doch, gestützt durch einen Einspieler mit einem jungen Bankkaufmann, der sich Wohneigentum gegönnt hat, ob die Deutschen mit ihrer Sparerei vielleicht einfach nur zu bequem seien - und eben doch lieber mal was mit Aktien, Immobilien oder Ähnlichem ausprobieren sollten. Auch Mohn und Kohl sind dafür, nur Sachwerte hätten laut Letzterer bisher Krisen überstanden, sie empfiehlt Wohneigentum und Gold. Wagenknecht wirkt in diesem Privatinvestment-Werbeblock dann fast schon wie eine altmodische Spielverderberin, wenn sie an ehemals selbstverständliche Dinge wie eine existenzsichernde gesetzliche Rente erinnert.

Link hat sich unterdessen in dieser eher drögen Runde als gute Moderatorin erwiesen, das Plasbergsche Festnageln ist offenbar zwar nicht ganz ihre Sache, durchaus aber das souveräne Wort-Erteilen, welches sich nicht zwanghaft am kranken Kollegen orientiert. Leider hängt sie jedoch am Konzept der wie immer dämlichen Schlussrunde, in der jeder Gast nun in circa zehn Sekunden erklären muss, mit welchem anderen Gast er oder sie gerne einen Batzen Geld ausgeben würde - Erkenntnisgewinn oder Humor in deren Antworten natürlich gleich null. Aber das ist bei Plasberg ja auch nicht anders.

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