Medienleute laufen oft mit Medienleuten um die Wette und bemühen sich, manchmal schnaufend, um Deutungshoheit. Einigen der Akteure ist selbst beim Rennen Lagerdenken nicht fremd: Ums Rechthaben geht es natürlich auch.
Ein Bild wie aus dem Familienalbum: die Verlegerin Friede Springer und Joachim Gauck im Jahr 2000.
(Foto: ddp)In diesen Tagen allerdings sind in diesem eitlen Gewerbe seltsame Phänomene zu beobachten: Deutschland ist (fast) einig Zeitungsland. Die meisten wichtigen Blätter finden die Kandidatur des von SPD und Grünen präsentierten parteilosen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck offenkundig deutlich reizvoller als die Bewerbung des von Merkel und Westerwelle ausgeguckten Kandidaten Christian Wulff (CDU) - im Internet gibt es eine ganz breite Unterstützerszene für Gauck.
Zu den Besonderheiten gehört, dass Journalisten, die vor allem über das Treiben der Parteien berichten, sich an einem Kandidaten erfreuen, der nicht von Parteipolitik durchtrieben ist. Und eigentümlich ist, dass auch einige der konservativen Springer-Blätter Gauck als charismatischen Bürgerpräsidenten und Wulff als gewöhnlichen Politprofi präsentieren. Springerintern gilt es schon fast als Kuriosum, dass sich in der verlagseigenen Berliner Morgenpost ein Kommentator für Wulff starkmachte und für den Fall der Wahl Gaucks eine "veritable Staatskrise" heraufziehen sah.
Vor vielen anderen Zeitungen hatte ein Springer-Blatt Gauck spektakulär auf den Schild gehoben: Die Welt. Ein paar Tage, bevor der Spiegel den ehemaligen Pastor auf dem Titel als den "besseren" Kandidaten vorstellen konnte (was für ein im Zweifelsfall eher linkes Blatt nicht sehr überraschend war), hatte bereits der Herausgeber der Blätter der Welt-Gruppe, Thomas Schmid, in einem Kommentar die Richtung vorgegeben: "Gauck ist der Richtige". "Yes, we Gauck", sekundierte zwei Tage später Bild am Sonntag, und die Welt am Sonntag machte reichlich "liberale Herzen" aus, die dem Kandidaten von Rot-Grün zuflögen.
Ein Sommermärchen? Besonders die konservative Welt trommelt wie eine Sambatruppe für Gauck. Verglichen mit ihm, dem Kandidaten der Opposition, sehe Wulff, der Kandidat der Kanzlerin, "schlecht aus", schrieb das Blatt und kritisierte die "Durchhaltementalität" in der schwarz-gelben Koalition ("Augen zu und durch?"). Es könne nicht darum gehen, den "Parteienwillen zu vollstrecken", denn es gebe auf der anderen Seite einen Kandidaten, "der von einer breiten, vage demokratiehungrigen Bewegung getragen wird und der doch keine Sekunde lang das populäre Anti-Parteien-Ressentiment bedient".
Ist Springer nicht mehr Springer? Das größte Zeitungshaus in Europa fiel in seiner Geschichte kaum einmal durch besondere Sympathie für Kandidaten von SPD oder gar Grünen auf. Manchmal offen, meist verdeckt haben Springer-Blätter vor wichtigen Wahlen für die Bürgerlichen Position bezogen. Einst haben sogar Repräsentanten des Verlags in seltsamen Unterstützer-Kreisen wie dem Umfeld der Staatsbürgerlichen Vereinigung versucht, selbst Politik zu machen. Der Union wurde die Richtung des jeweiligen Wahlkampfs vorgegeben. Der Springer-Verlag positionierte sich früh als pro-amerikanisches, pro-israelisches, pro-marktwirtschaftliches Pro-WiedervereinigungsHaus; und die Präambeln, die dazu der Verleger Axel Springer 1967 definiert hat, gelten bis heute.
Kampf den Roten auf allen Ebenen war fast durchgängig die Parole. Es war schon eine Sensation, als sich Bild im Bundestagswahlkampf 1998 eher raushielt und weder für Helmut Kohl noch für Gerhard Schröder warb.