ZDF-Film "Unterleuten":Idylle? Denkste!

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Eindrucksvoll: Sarina Radomski und Thomas Thieme. (Foto: Stefan Erhard/ZDF)
  • "Unterleuten" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Juli Zeh, der 2016 erschienen ist.
  • Der Dreiteiler von Regisseur Matti Geschonnek ist hochambitioniert, prominent besetzt und geprägt von einer unheilvollen Atmosphäre in sommeridyllisch-dörflicher Rahmung.
  • Die Verfilmung bleibt nah am Text und ist weitgehend gelungen, auch wenn den Figuren die Komplexität für manche Aspekte des Romans fehlt.

Von Christine Dössel

Ein alter Mann mit Sorgenblick vor einem Getreidefeld. Sonnendurchflutetes Weizengold, der Himmel blau, das Korn reif in den Ähren. Schon in seiner ersten Einstellung (mit Thomas Thieme in vermeintlich friedvoller Natur) fängt Unterleuten einen Zustand auf der Kippe ein: diese flirrende, Geist und Glieder gleichermaßen reizende wie seltsam lähmende Zeit, wenn der Sommer auf dem Höchststand und die überreife Natur am Bersten ist.

Da reitet auch schon eine junge Frau heran, und statt ein paar nette Worte auszutauschen, blafft sie Mann und Hund an, und diese bellen zurück. Damit ist der Grundton für diesen hochambitionierten, prominent besetzten Dreiteiler von Regisseur Matti Geschonnek gesetzt: eine ungemütliche, ja, unheilvolle Mischung aus Misstrauen, Unfreundlichkeit und Überhitzung in sommeridyllisch-dörflicher Rahmung.

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Unterleuten ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Juli Zeh, der 2016 erschien, und den sehr viele Deutsche sehr begeistert gelesen haben. Ein spitzfindiger deutsch-deutscher Gesellschafts- und Befindlichkeitsroman, angesiedelt in einem Dorf im Brandenburgischen, das so heißt wie der Roman: Unterleuten. Dort leben einerseits Menschen mit DDR-Hintergrund und weit zurückreichenden Verstrickungen; andererseits deren Kinder und Kindeskinder, die mit den alten Geschichten nichts mehr zu tun haben (wollen); sowie die aus Berlin zugezogenen Stadtflüchtlinge, die denken, das hier sei "das echte Leben". Leute wie der Umweltschützer Gerhard Fließ (Ulrich Noethen), zuletzt in Berlin tätig als Professor der Soziologie, nun mit der holden Jule (Rosalie Thomass) und dem gemeinsamen Baby aufs Land gezogen, um "Freiheit" zu leben: "Kein Lärm, kein Gerenne, kein Konsumterror."

Denkste! Allen Figuren in dieser personenreichen Geschichte wird gehörig ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die ohnehin gärenden Konflikte, etwa zwischen dem gefürchteten Dorfobersten Gombrowski (der Mann vom Anfang: Thomas Thieme) und seinem Hassfreund Kron (Hermann Beyer als barsch schnarrender Altkommunist), brechen auf, als in dem Kaff ein Windpark errichtet werden soll. Mitten im Naturschutzgebiet. Die Verkündung der Nachricht bei einer Dorfversammlung ist eine grandiose Szene (mit Jörg Schüttauf als herrlich gutmütigem Bürgermeister). Fortan spaltet sich der Ort in Gegner und Profiteure. Wobei eine besonders perfide Rolle der geschäftssinnigen, extraclever und gefühlskalt konzipierten Linda Franzen (Miriam Stein) zukommt. Die will in Unterleuten einen Ponyhof, Pardon, ein "Reitzentrum" aufziehen und lässt dafür jeden Anstand fahren.

Die Frauen sind in Unterleuten die weitaus gewiefteren, aber keineswegs die besseren Charaktere. Im Gegenteil. Das ist schon bei Juli Zeh so angelegt, und daran hält sich auch Geschonnek in seiner schwer realistisch im märkischen Sand geerdeten, nah am Text entlang erzählten Verfilmung, die man sich eigentlich komischer, grotesker vorgestellt hatte (Drehbuch: Magnus Vattrodt). Der Dreiteiler hat den Look eines Spreewaldkrimis mit Tendenz zum Dorfwestern oder besser: Eastern. Es herrscht grundsätzlich schlechte Laune, immer steht jemand hinterm Fenster, spioniert der alte Kron herum. "Es geschehen Dinge", raunt die Katzenfrau Hilde Kessler (Dagmar Manzel), der später noch übel mitgespielt wird. Ein bisschen mehr Leichtigkeit hätte der Sache gutgetan. Dort, wo der Film skurril sein will, etwa in den - hinzuerfundenen - Szenen zwischen der Frau vom Windpark-Business (Mina Tander) und dem bayerischen Landspekulanten Meiler (Alexander Held), gelingt das nicht so richtig.

Im ersten Teil breitet Geschonnek mit seinem All-Star-Ensemble erst mal genüsslich das Personal aus, wobei es eine Freude ist, all die tollen Schauspieler in den aus dem Roman vertrauten Rollen zu sehen. Im weiteren Verlauf kommt es zu bösen Eskalationen. Es gibt schöne Bilder und gelungene Akzente. Eindrucksvoll, wie Thomas Thieme und Christine Schorn die Vereinsamung und Verbitterung in einer lebenslang unglücklichen Ehe miterzählen. Anderes, wie die plötzliche Wandlung vom grobschlächtigen Schaller (Charly Hübner) zum lieben Nachbarn und vom soften Vogelschützer Fließ zum brutalen Schläger, ist weniger glaubwürdig.

Wie überhaupt die Figuren nicht komplex genug sind für die schlimmstmögliche Wendung, die Juli Zehs Geschichte nimmt. Für das Monströse fehlt es schlicht an Fallhöhe.

Unterleuten , ZDF, am 9., 11. und 12. März um 20.15 Uhr und in der Mediathek.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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