"Der längste Tunnel der Welt" auf Arte:Leise und tief

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Kurz vor Espresso: Der Brennerpass zwischen Tirol und Südtirol. (Foto: Patrick Zeilhofer/© ARTE/ZDF/Spiegel TV)

Arte zeigt einen Dokumentarfilm über das Jahrhundertprojekt Brenner-Basistunnel und das wundersame Abenteuer Infrastruktur.

Von Gerhard Matzig

Die Beam-me-up-Teleportation widerspricht so vielen fundamentalen Naturgesetzen, dass es nur vernünftig und jedenfalls fein wäre, würde es den Transfer zwischen zwei Orten ohne Raum-Durchquerung irgendwann doch noch geben. Das ist dann der Zeitpunkt, da unter der Brenner-Autobahn auch das Jahrhundertprojekt des Brenner-Basistunnels (BBT) so obsolet wird, dass sich in ferner Zukunft angesichts des dann sinnfrei gewordenen längsten Tunnels der Welt die Stonehenge-Frage stellt: Wozu hat man das eigentlich gebaut?

Die vielleicht schönste Antwort - ein Espresso nach einer kurzen Zugfahrt zwischen Innsbruck, Tirol, und Franzensfeste, Südtirol, für Planungschef Andrea Lussu - liefert der sehenswerte Dokumentarfilm von Patrick Zeilhofer über den seit 16 Jahren im Glauben an technologischen Fortschritt entstehenden Tunnel. Der, zehn Milliarden Euro teuer, sollte mal 2028 fertig werden. Daraus ist 2032 geworden - und die Bayern werden es schaffen, das österreichisch-italienische Verkehrsprojekt der Superlative noch weiter zu sabotieren, indem die nötigen Zubringerstrecken immer wieder verzögert werden.

Weniger Straße, mehr Schiene, weniger Stau, mehr Öko

Bis dahin lohnt es sich, den gut halbstündigen Film Re: Der längste Tunnel der Welt - Entlastung für den Brennerpass als Dokumentation des wundersamen Abenteuers "Infrastruktur" anzuschauen. Das Gute an dem unaufgeregten Film, der das Tun der Tunnelbohrmaschine "Ida" begleitet, die so lang ist wie ein Atom-U-Boot, sind allerdings die Menschen rund um einen Bau, den man strittig nennen darf. Denen kommt der Film in lakonischen Sequenzen nahe.

Lussu, der Ingenieur aus Sterzing, gehört natürlich zu den Befürwortern des BBT, der einmal die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt darstellen und als größtes europäisches Infrastrukturprojekt auch zum emblematischen Fanal der Verkehrswende taugen soll: weniger Straße, mehr Schiene, weniger Stau, mehr Öko.

Dass so ein Bau aber auch Verdruss bereitet, abgesehen vom staubigen Abraum, der sich auftürmt in bisher idyllischen Tälern, wird ebenfalls deutlich. Die Sorgen des Pizzabäckers, der enteignet werden könnte: Der Film nimmt sie ernst. Womöglich liegt es ja auch am Südtiroler Dialekt, dass man sowohl den Visionären als auch den Realisten gerne zuhört. Der Film kommt ohne Projektentwickler-Gedröhn und Wutbürger-Geheul aus. Er ist leise und tief. Wie ein guter Tunnel. In diesem Fall: wie ein eher kurzer Tunnel.

Re: Der längste Tunnel der Welt - Entlastung für den Brennerpass, Arte, Mittwoch um 19.40 Uhr und in der Mediathek.

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