Journalismus:"Das ist angeboren"

Lesezeit: 2 Min.

Kinderreporter Alexander aus Berlin beim Interview mit AfD-Chef Tino Chrupalla. Dass er damit viral gegangen ist, hat er erst einen Tag später mitbekommen. (Foto: Luisa Wawrzinek/ZDF)

Ein 13 Jahre alter Reporter hat den AfD-Politiker Tino Chrupalla in den Kindernachrichten verlegen gemacht. Die Geschichte eines frühen Coups.

Von Johannes Korsche

Am Freitag wussten es vielleicht ein paar Kinder aus dem Kiez und einige seiner Mitschüler, dass er für ZDF- Logo! arbeitet, sagt Alexander. Am Samstagabend weiß es halb Deutschland. Der Berliner Kinderreporter Alexander ist übers Wochenende zu einer Internet-Berühmtheit geworden. Allerdings nur mit seinem Vornamen - was seine Eltern und er auch so beibehalten wollen.

Die Kindernachrichten Logo! veröffentlichten am Samstag eines von Alexanders Interviews, er hatte sich mit dem AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla getroffen. Chrupalla erzählt dem 13-Jährigen darin, dass "mehr deutsches Kulturgut" in den Schulen gelehrt werden solle, mehr Volkslieder und Gedichte. So weit, so erwartbar. Doch der Nachwuchsreporter lässt es nicht darauf beruhen und fragt nach: "Was ist denn Ihr Lieblingsgedicht eigentlich?" Pause. "Deutsches Lieblingsgedicht?", präzisiert Alexander. Einige Ähs und abgebrochene Halbsätze später stolpert sich Chrupalla zur Antwort: "Da fällt mir jetzt gerade keines ein." Sein Lieblingsdichter sei Heinrich Heine, schiebt der AfD-Mann noch hinterher. Doch da war es schon passiert.

"Ich habe echt nicht erwartet, dass er das nicht beantworten kann"

Der kurze Ausschnitt erfüllt alles, was auf Twitter funktioniert: Das Video wurde inzwischen mehr als eine Million Mal bei Twitter angeschaut, tausendfach geteilt. Dabei war das eher Zufall, wie Alexander sagt. "Ich habe echt nicht erwartetet, dass er das nicht beantworten kann."

Alexander erlebt daraufhin bei Twitter einen "Candystorm", das seltene Gegenteil eines Shitstorms. Jan Böhmermann beruft ihn noch am Samstag (vergebens) ins Moderatorenteam des Triells. ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann postet Verständnis, wenn Alexander ihr neuer Vorgesetzter werden würde. Das alles bekam der 13-Jährige erst einen Tag später mit, als ihm ein Freund die Internetaufregung zeigte. "Ich habe gedacht, dass vielleicht Reaktionen von ein paar Kindern aus dem Kiez kommen."

Seit fast drei Jahren ist Alexander bei Logo!. Die täglichen Kindernachrichten gibt es seit 1989, werden vom ZDF produziert und auf Kika ausgestrahlt. Sie dauern zehn Minuten und bereiten die Weltlage kindgerecht auf. Ein Erfolgsrezept: die Kinderreporter, die Interviews führen. Das wollte Alexander auch machen, weil er interessante Leute kennenlernen wollte, sagt er. Sein erstes Interview führte er im November 2018: mit dem Pianisten Chilly Gonzales. Der stieg auf einmal aufs Klavier und spielte mit den Füßen, erinnert sich Alexander. "Sehr überraschend" sei das gewesen - interessante Leute eben.

Nach der Schule will Alexander vielleicht in der Biologie oder Astronomie arbeiten. (Foto: ZDF/Felix Geib)

In seinen Interviews ist Alexander schlagfertig und frech. Ob sie denn Shrek-Fan sei, fragt er Annalena Baerbock, weil die auf den Wahlplakaten immer so ein grünes Gesicht hat. Das Gespräch mit SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach eröffnet er so: "Hallo Herr Professor Doktor Doktor Lauterbach, Sie haben ganz schön viele Titel. Sind Sie wirklich so schlau oder tun Sie nur so?" Und Alexander? Tut er nur so schlagfertig und frech? "Der ist schon so, das ist angeboren", sagt sein Vater.

Ob er nach der Schule Journalist werden will, weiß er noch nicht. Genauso spannend fände er eine Karriere in den Naturwissenschaften, was mit Biologie oder Astronomie. Alexander besucht die achte Klasse eines naturwissenschaftlichen Gymnasiums. "Oder Wissenschaftsjournalist", schlägt sein Vater vor.

In seiner Freizeit schwimmt Alexander gerne, spielt Trompete und Gitarre. Ach ja, "und Karate mache ich". Anders als Chrupalla hätte Alexander übrigens eine Antwort parat gehabt, Lieblingsgedicht: "John Maynard" von Theodor Fontane. Das hatten sie mal in der Schule.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTeddy Teclebrhan bei "LOL: Last One Laughing"
:"Irgendwo dazwischen ist es lustig"

Teddy Teclebrhan ist nach allem, was man über Comedy so zu wissen glaubt, nicht witzig. Warum, zum Teufel, bringt er einen dann so zum Lachen?

Von Jakob Biazza

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: