Historie:Brüder, die mit Waffen kommen

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Gewaltloser Widerstand: Junge Tschechen klettern auf sowjetische Panzer, die gekommen waren, um den "Prager Frühling" zu ersticken. (Foto: Libor Hajsky/Associated Press)

Als Auslandskorrespondent erlebte unser Autor mehrere Invasionen mit, die der Kreml befohlen hatte. Über Bilder der Verzweiflung, verwirrte junge Soldaten und die unheimliche erste Begegnung mit einem Mann namens Wladimir Putin.

Von Christian Schmidt-Häuer

Am 13. März vor 54 Jahren fühlte ich mich wie berauscht als Zeuge einer historischen Stunde. Gerade akkreditiert als Korrespondent, stand ich im Heerlager der Prager Jugend Am Graben. Die Straße zwischen Wenzelsplatz und Pulverturm, die Egon Erwin Kisch den "Corso der Deutschen" genannt hatte, war völlig blockiert. Auf einem wackligen Tisch stehend, über ein hohes Metallgitter mit scharfen Spitzen gebeugt, sprach ein Mann zur Menge, der unter Stalin in der Todeszelle überlebt hatte. Trotz aller furchtbaren Fehler, sagte der Mann mit dunkler, brüchiger Stimme, zähle die Kommunistische Partei noch immer 1,4 Millionen Mitglieder. "Leider", antwortete eine Stimme. Alles lachte, auch der grauköpfige Mann hinter dem Gitter. Er hieß Josef Smrkovsky, war inzwischen Forstminister und wurde nun nach wenigen Tagen Parlamentspräsident der Reformpolitiker im Prager Frühling 1968.

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