La Boum:"Diese Frau"

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(Foto: Steffen Mackert)

Die französische Präsidentschaftswahl bestimmt gerade das Leben unserer Kolumnistin. Sogar ihr Sohn diagnostiziert, dass da einiges aus den Fugen geraten ist.

Von Nadia Pantel, Paris

Je nachdem ob sie in Frankreich oder Deutschland leben, sind zwei Wochen für sie 14 Tage oder 15 Tage. Ich habe verschiedene Gründe gehört, warum die Franzosen 15 Tage sagen, wenn sie zwei Wochen meinen, der überzeugendste ist für mich, dass man "quinze jours", 15 Tage, einfacher rausnuscheln kann als "quatorze jours", 14 Tage. So oder so sind zwei Wochen eine lange Zeit. Man kann sie nutzen, um ein Blumenbeet anzulegen. Man könnte auch den Keller ausräumen, wenn man einen Keller hätte. Zwei Wochen reichen sogar aus, um einen der riesigen französischen Brocken zu lesen. Victor Hugo oder Virginie Despentes' "Vernon Subutex"-Trilogie. All das wäre schön.

Mein großer Traum wäre es aktuell, zwei Wochen lang zu schlafen. Und zwar nicht irgendwelche zwei Wochen lang, sondern die zwei Wochen, die zwischen der ersten und der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl liegen. Doch statt elegant von Siesta zu Siesta zu gleiten, schlafe ich noch nicht einmal nachts so richtig gut. Boff, sagt da der Franzose. Völlig zu Recht: Boff, boff, boff. Ich bin also ständig wach, und nichts passiert. Theoretisch besteht meine Aufgabe darin, das Land dabei zu beobachten, wie es sich zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron entscheidet. Aber ich hatte schon nach einer Woche das Gefühl, dass sich alles in endlosen Schleifen wiederholt. Liegt es an mir, fragte ich meine Freunde. Ist hier gerade alles in Bewegung und ich merke es nur nicht?

Ich schlafe nachts nicht mehr, die Freunde auch nicht. Boff, sagt da der Franzose

Meine Freunde schauten kurz hoch, sie legten gerade Blumenbeete an, räumten den Keller aus und lasen französische Brocken. Wenigstens taten sie so. In Wahrheit schliefen sie auch nicht mehr. Das habe ich herausgefunden, weil mein Sohn ein sehr guter Spion ist. "Die Eltern von Claire haben beim Fernsehen geweint", erzählte er beim Frühstück. Das Mädchen, um das es geht, heißt nicht Claire, ich kenne keine Claire, die jünger als 25 ist, aber die folgende Information ist so geheim, dass ich sie verschleiern muss. "Warum haben denn die Eltern von Claire geweint?" "Weil wieder diese Frau gewonnen hat", erzählte mein Sohn.

Ich muss zugeben, dass ich in meinem Sohn lange das Missverständnis genährt habe, Macron sei ein König. Es begann als Scherz und machte sich dann selbständig, jedenfalls war er immer beeindruckt, wenn der König im Fernsehen zu sehen war. Nun hat ein Freund, 40 Jahre alt und geistiges Kind der Revolution, ihm erklärt, dass der König früher immer den Kindern die Hälfte des Essens weggenommen habe, und dass man dem König deshalb ... Stopp, rief ich. Es ist mühsam, wenn ein Vierjähriger vorm Einschlafen so Dinge fragt wie: "Und was ist dann mit dem Kopf vom König passiert?" Wir haben jetzt jedenfalls erklärt, dass Macron gewählt wird. Ich weiß nicht, was Claires Eltern und wir machen würden, wenn wir erklären müssten, dass "diese Frau" jetzt der neue Macron ist. Es würde sicher helfen, wenn wir ausgeschlafen wären. Aber wie soll man hier denn ausschlafen?

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