Ist es die Liebe, die uns antreibt? Die Frage kommt von Pfarrer Jörg Zabka. Es ist Sonntagmorgen in Berlin, Zabka steht im schwarzen Talar in der Kirche und predigt. Ein schlichter Neubau, durch die Milchglasfenster fällt Licht. Zabka sagt, dass viele von der Bibel wissen wollten, was richtig sei und was falsch. Aber darum gehe es nicht. Sondern darum, "was die Liebe uns bietet". Die Kirchenbesucher nicken. Ältere Damen sind gekommen, ein Ehepaar, ein, zwei junge Leute.
So weit, so alltäglich. Doch an dem Pfarrer der Martin-Luther-Gemeinde in Berlin-Lichterfelde ist nichts Alltag. Jörg Zabka ist schwul und lebt mit seinem Mann zusammen. Der ist ebenfalls Pfarrer. Um es vorwegzunehmen: Ihre Liebe zu leben war schwieriger, als sich das in Predigten über die Liebe so anhört. Alles andere als ein Sonntagsspaziergang. Doch erst einmal kramt die Gemeinde die Gebetbücher hervor und singt Lied Nummer 600. "Meine engen Grenzen", heißt es. Meine engen Grenzen bringe ich vor dich, wandle sie in Weite, Herr erbarme dich.
Grenzen sind das Stichwort. Im Gegensatz zur katholischen ist die evangelische Kirche in vielen Dingen sehr weit. Frauen sind Pfarrerinnen, es gibt schwule Pfarrer. 2001 wurde beschlossen, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu stärken, schwule und lesbische Paare können sich segnen lassen. Und im neuesten Familienpapier aus dem Jahr 2013 steht, dass die Ehe zwischen Mann und Frau nicht die alleinige Norm sein müsse. Doch zwischen Ideal und Wirklichkeit liegen auch in der reformierten Kirche himmelweite Unterschiede.
Das Pfarrhaus ist tabu
Jörg Zabka, 46, Dreitage-Bart, buschige Augenbrauen, kann ein Lied davon singen. Nach dem Gottesdienst radelt er nach Hause, eine kleine Wohnung in einem Klinkerbau. Eigentlich sollte er in dem großen, hell getünchten Gebäude gegenüber leben, das ist das Pfarrhaus. Doch das durfte er nicht. Weil er mit einem Mann dort einziehen wollte. Ein Pfarrhaus, das ist auch nach evangelischen Vorstellungen ein Ort für den Pfarrer, seine Gattin und vielleicht die Pfarrersköchin. Aber nicht für einen Herrn Pfarrer und seinen Mann.
Der wartet schon zu Hause. Begrüßungskuss, Alexander Brodt-Zabka, Jahrgang 1968, jungenhaftes Gesicht, trägt noch sein schwarzes Collarhemd. Er hatte selbst gerade Gottesdienst, in einer Gemeinde in Kreuzberg. Er hat ebenfalls gepredigt, dass nicht alles, was geschrieben steht, richtig sein muss. Die beiden haben gemeinsam an dem Text gearbeitet, das machen sie oft. Brodt-Zabka fallen meistens gute Anfänge ein. Wie dieser: "Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig." Das heißt? Es gehe darum, den Geist zu spüren, sagt Brodt-Zabka. "Manchmal ist es gut, dass die Liebe zu einem Menschen etwas anderes fordert als Gesetze."