Frankfurt am Main:Urteil gegen Ärztin wegen Werbung für Abtreibung aufgehoben

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Frankfurt/Gießen (dpa/lhe) - Recht auf Information oder verbotene Werbung: Erneut müssen Richter darüber entscheiden, ob die Gießener Ärztin Kristina Hänel gegen den umstrittenen Abtreibungsparagrafen 219a verstoßen hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hob die Verurteilung der Medizinerin wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück ans Landgericht Gießen. Hintergrund sei die Ende März geänderte Rechtslage, teilte das OLG am Mittwoch mit (Az.: 1 Ss 15/19). Der Fall hatte in Deutschland eine breite Debatte ausgelöst.

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Frankfurt/Gießen (dpa/lhe) - Recht auf Information oder verbotene Werbung: Erneut müssen Richter darüber entscheiden, ob die Gießener Ärztin Kristina Hänel gegen den umstrittenen Abtreibungsparagrafen 219a verstoßen hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hob die Verurteilung der Medizinerin wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück ans Landgericht Gießen. Hintergrund sei die Ende März geänderte Rechtslage, teilte das OLG am Mittwoch mit (Az.: 1 Ss 15/19). Der Fall hatte in Deutschland eine breite Debatte ausgelöst.

Die Allgemeinmedizinerin sieht in der OLG-Entscheidung allerdings keinen juristischen Erfolg: Es handele sich um eine Zeitverzögerung und „Ehrenrunde auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht“, sagte Hänel der Deutschen Presse-Agentur. Das OLG habe keine klare Entscheidung getroffen, sondern lasse das Landgericht Gießen arbeiten. Auf Twitter schrieb sie: „Ich wurde nicht freigesprochen! Das Urteil wurde aufgehoben und wieder zurückverwiesen. Kein Schritt nach vorne, sondern zwei zurück.“

Hänel war im November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Sie soll auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung angeboten und damit gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches verstoßen haben, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Hänels Berufung gegen das Urteil wies das Landgericht Gießen im Oktober 2018 ab. Ihr Anwalt hatte damals den Paragrafen 219a als verfassungswidrig bezeichnet, da er die Berufsfreiheit von Ärzten und das Informationsrecht schwangerer Frauen verletze.

Nach der OLG-Entscheidung bekräftigte die Medizinerin, sie wolle weiterhin dafür kämpfen, dass die Regelung auf Verfassungsmäßigkeit geprüft werde. „Wir werden nicht aufgeben, ehe die Informationsfreiheit für Frauen nicht erreicht ist.“

Nach monatelanger Debatte war Ende März dieses Jahres der Paragraf 219a um einen Absatz ergänzt worden. Ärzte und Kliniken können demnach öffentlich darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen. Für weitere Informationen etwa zu verschiedenen Methoden müssen sie aber auf offizielle Stellen verweisen.

Hänel hatte den auf Bundesebene ausgehandelten Kompromiss bereits damals kritisiert. Frauen wollten sich dort informieren, wo sie sich behandeln ließen, das sei allgemein üblich. Das hinter Paragraf 219a stehende Frauenbild sei entwürdigend und entmündigend, denn es besage, Frauen könnten durch Informationen für einen Schwangerschaftsabbruch geworben werden.

Er greife auch in ihre Meinungs- und Berufsfreiheit ein, sagte Hänel. Zudem sei es eine „infame Unterstellung“, Ärzte würden für Abtreibung werben und damit ein Vermögen machen. Die Informationen, die sie auf ihrer Homepage bereitgestellt habe, seien weiterhin strafbar. Das Oberlandesgericht in Frankfurt wies nun darauf hin, dass die neue Rechtslage zu einer günstigeren Bewertung für die Angeklagte führen könne.

Auch gegen zwei Kasseler Frauenärztinnen laufen Verfahren. Eine von ihnen, Nora Szász, äußerte sich ebenfalls nicht glücklich über die Entscheidung: „Das ist, als ob wir in einer Schleife wären.“ Auch bei einer erneuten Verhandlung in Gießen habe man keinen Grund anzunehmen, dass Hänel freigesprochen oder das Verfahren eingestellt werde. Es werde nur Zeit und Geld kosten. Das Kasseler Verfahren war im August auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Das Amtsgericht erklärte, erst die politische Entwicklungen abwarten zu wollen. Das Gericht habe noch nicht mitgeteilt, wie es weiter verfahre, sagte Szász.

Der hessische Ärztekammerpräsident Edgar Pinkowski sprach von einer wegweisenden Entscheidung, die ein Ende der Kriminalisierung von Medizinern bedeute. Die Linksfraktion im Wiesbadener Landtag verwies dagegen auf ein Urteil gegen zwei Berliner Ärztinnen Mitte Juni. Dies zeige, Mediziner würden „weiterhin gegängelt und in ihrem Recht eingeschränkt, Frauen umfassend und sachgerecht zu informieren“, erklärte die Abgeordnete Christiane Böhm. Der Paragraf müsse gestrichen werden. Die Grünen-Landtagsfraktion sprach von einem Etappensieg für mehr Informationsfreiheit für ungewollt Schwangere.

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