Familie:Wunderwaffe oder Schmu? Kinderbuch mit Einschlafgarantie

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Stockholm (dpa) - Quengelnde Kinder, die stundenlang nicht einschlafen können. Erschöpfte Eltern mit dunklen Ringen unter den Augen. Ein schwedischer Kinderbuchautor verspricht, gegen beides ein Geheimrezept zu haben.

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Stockholm (dpa) - Quengelnde Kinder, die stundenlang nicht einschlafen können. Erschöpfte Eltern mit dunklen Ringen unter den Augen. Ein schwedischer Kinderbuchautor verspricht, gegen beides ein Geheimrezept zu haben. 

Der Erfolg von Carl-Johan Forssén Ehrlin zeigt, wie verzweifelt viele Eltern sind: Obwohl - oder vielleicht gerade weil - es zum Gähnen langweilig ist, schießt sein Buch „Das Kaninchen, das so gerne einschlafen will“ auf Platz Eins der deutschen Verkaufscharts beim Online-Händler Amazon. „Daran sieht man, was Schlafstörungen für ein Riesenproblem darstellen“, sagt der Schlafforscher Alfred Wiater.

„Ich kann jeden zum Einschlafen bringen“, verspricht das Buch auf dem Titel ganz unbescheiden. Bei der dreijährigen Mila aus Köln, die in der Regel sogar gut einschläft, hat die Garantie nicht gewirkt. „Ich habe ihr eine Seite vorgelesen, dann fand sie es langweilig und wollte nicht mehr hören“, erzählt ihre Mutter Maria Braun.

Besonders aufregend ist das Buch tatsächlich nicht. Aber darin liegt vielleicht auch sein Geheimnis. „Ich lasse das Kind Teil der Geschichte werden“, sagt der Autor. „Dadurch begleitet es das Kaninchen, wenn das versucht, einzuschlafen. Das Kind identifiziert sich hoffentlich damit und will auch einschlafen.“

Damit es wirkt, sollen Eltern das Buch auf eine bestimmte Art und Weise lesen: „Das Buch beginnt mit einer Anleitung, die den Eltern sagt, wie sie das Buch lesen können - dass sie Wörter betonen können, die im Text fettgedruckt sind, dass sie manche Wörter ruhiger und langsamer lesen können“, erklärt Forssén Ehrlin. Um den Nachwuchs müde zu machen, sind etliche Gähner in die Geschichte eingebaut.

„Eine Bekannte hat gesagt, sie hat es gekauft, weil sie in der Zeitung davon gelesen hat“, erzählt Braun. „Sie hat es dreimal probiert - und alle drei Male hat es funktioniert.“ Auch wenn das Kind schon eingeschlafen ist, sollen Eltern die Geschichte vom Kaninchen, das so gerne einschlafen will, weiterlesen. Dabei sei sich ihre Bekannte allerdings ziemlich dämlich vorgekommen, sagt Braun.

Die Techniken hat Forssén Ehrlin in Vorschulen ausprobiert, sein Buch Eltern versuchsweise mit nach Hause gegeben. „Viele sind überrascht, dass es wirklich funktioniert“, erzählt der Schwede. Ein paar Jahre hat es gedauert, bis er so überzeugt davon war, dass er es im Eigenverlag herausbrachte. Seitdem reißen es ihm die Eltern aus den Händen. Inzwischen ist es auch auf Englisch, Deutsch oder Spanisch erhältlich.

Den Erfolg des Buches erklärt sich der 37-Jährige so: Es ist etwas Neues, und es hilft vielen Eltern und Kindern, Einschlafprobleme in den Griff zu bekommen. Forssén Ehrlin bekomme Briefe von übermüdeten Eltern, bei denen es jeden Tag vier bis fünf Stunden gedauert hat, ihre Kinder ins Bett zu bekommen. „Und wenn sie jetzt die Einschlafgeschichte vorlesen, dauert es etwa zwölf Minuten.“

Auch den vier Jahre alten Luis aus der Nähe von Dortmund hat das Kaninchen schon in den Schlaf begleitet. „Er ist auf der vorletzten Seite eingeschlafen“, sagt seine Mutter Mareike P. Begeistert ist die Grundschullehrerin von dem Buch trotzdem nicht. „Ich glaube, Benjamin Blümchen hätte es genauso schnell geschafft“, meint sie.

Ältere Kinder könnten sich durch die Geschichte mit ihren eingebauten Gähnern und vielen Wiederholungen leicht veräppelt fühlen. „Dann gibt es die Anweisung, verschiedene Körperteile zu entspannen. Da können Kinder doch nichts mit anfangen“, sagt Mareike P.

Wenn Kinder empfänglich für die angewandten Techniken sind, meint Schlafforscher Wiater, könnten diese durchaus die gewünschte Wirkung zeigen. „Die Gefahr, die ich sehe, ist, dass solche Methoden natürlich auch manipulativ sind und bei Kindern dazu führen könnten, sich auch in anderen Situationen leichter manipulieren zu lassen.“

Schlafstörungen, erzählt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, hätten oft mit der Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu tun. In vielen Familien sei es gar nicht mehr üblich, dass sich die Eltern vor dem Zubettgehen Zeit für ihre Kinder nehmen. „Das wird mit dem Buch automatisch gewährleistet.“

Allerdings spiele eine Änderung in der Erziehung eine viel größere Rolle als das, was man durch ein Buch bewirken könne. Wer also ein magisches Einschlaf-Mittel erwartet, wird enttäuscht. In der Schlafforschung wäre man froh, wenn man so eine Methode hätte, meint Wiater: „Die gibt es aber nicht. Dafür ist die Problematik zu komplex.“

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