Nachruf auf Schauspieler William Hurt:Unergründlich

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"Eine sanfte Selbstsicherheit, ja Selbstzufriedenheit" - William Hurt im Jahr 2016. (Foto: Rich Fury/AP)

Zum Tod des Schauspielers William Hurt: In den Achtzigerjahren, als in Hollywood die Actionhelden übernahmen, war er der smarte Gegenpol.

Von Fritz Göttler

In einem seiner ersten Filme, "Body Heat", erscheint er kurz in einem gespenstisch kalten Licht. Es ist heiß in Florida, und er reißt den Kühlschrank auf, stellt sich mit schwitzigem Oberkörper davor. Der Film (deutsch "Heißblütig - kaltblütig") hat 1981 William Hurt zum Star gemacht für ein paar Jahre, als ein Yuppie, ein Anwalt, der viel auf seine Smartness gibt, er joggt natürlich und hat auch einen Schnurrbart, der ihn nicht wirklich aufregend macht, und er fällt mit Karacho auf die heiße Kathleen Turner rein, die ihn für einen mörderischen Plot umgarnt. So wie Fred MacMurray auf Barbara Stanwyck hereinfiel in "Double Indemnity" von Billy Wilder, den Lawrence Kasdan als Modell nahm für seinen Neo-Noir.

William Hurt hat eine coole Diversität in seinen ersten Filmen um "Body Heat" herum entwickelt, gleich im ersten, "Altered States" von Ken Russell, war er ein Wissenschaftler, der - noch ein altes Hollywood-Genre, das Jekyll-&-Hyde-Motiv mit seinen wahnwitzigen Wissenschaftlern - mit unbekannten mexikanischen Drogen experimentiert, Selbstversuche im Isolationstank, dabei regrediert er und wird zu einem klumpigen aggressiven Urmenschen. In "Gorky Park" spielt er Arkadi Renko, den Moskauer Ermittler aus den Romanen von Martin Cruz Smith, der immer unendlich traurig wirkt und gegen Lee Marvin antreten muss.

Hurts größter Erfolg war dann "Kuss der Spinnenfrau" von Héctor Babenco, nach dem Roman von Manuel Puig. Er ist ein Häftling im Kerker einer südamerikanischen Diktatur, eine homosexuelle Diva mit flatternd bunten Gewändern und hochgestecktem Turban und gespreiztem Singsang, der in seinen Erinnerungen an Hollywoods Silver Screen haust und um seinen Zellengenossen wirbt, einen politischen Gefangenen. Natürlich hat Hurt den Oscar für diesen Film gekriegt.

Prägende Rollen gab ihm Lawrence Kasdan - abseits des Blockbuster-Kinos

Lawrence Kasdan holte ihn dann wieder für "The Big Chill/Der große Frust", zusammen mit ein paar anderen künftigen Stars, Kevin Kline, Glenn Close, Jeff Goldblum - eine Feier der amerikanischen Jugend, aber aus traurigem Anlass, einer aus der Clique hatte sich umgebracht. Für Kasdan spielte Hurt noch in "The Accidental Tourist" - ein Reiseschriftsteller im Stillstand, er fabriziert seine Bücher im Sessel daheim - und "I Love You to Death", danach wandte Kasdan sich Kevin Kline zu. 1990 absolvierte Hurt eine Rolle für Woody Allen ("Alice"), 1991 eine für Wim Wenders, da ist er ein gelassener Wanderer in der Wüste mit krimineller Aura: "Bis ans Ende der Welt". Mitte der Neunziger spielte er für Chantal Akerman in "Eine Couch in New York", mit Juliette Binoche, in einer Verfilmung von "Die Pest" von Albert Camus ist die Partnerin Sandrine Bonnaire, mit der er einige Jahre eine Beziehung hatte.

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In den Achtzigern suchte Hollywood neue Helden für die Zukunft, Ersatz für die jungen Männer der Siebziger, den "Taxi Driver" Robert De Niro und den "American Gigolo" Richard Gere, die traumatisiert waren bis in die kleinste Körperbewegung hinein. Harrison Ford war als Indiana Jones der Mann der Stunde, körperlich gewandt und sehr sophisticated. Man muss die Filme, die Hurt in den Achtzigern mit Lawrence Kasdan machte, vor dem Hintergrund dieser Blockbuster-Entwicklung sehen - Kasdan hatte davor großartige Drehbucharbeit für die "Star Wars"-Filme geliefert, "Das Imperium schlägt zurück". Anfang der Neunziger wurde William Hurt wegen der Action-Hauptrolle in "Jurassic Park" gefragt, er lehnte ab, blieb lieber bei kleinen Filmen. So spielte er in "Smoke" von Wayne Wang neben dem Scorsese-Akteur Harvey Keitel - oder gleich beim Theater, auch Off-Broadway.

"Erfolg isoliert", sagte er mal in einem Interview, "der Oscar hat mich sicher isoliert. Das war gewissermaßen genau das Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte." Es steckt eine sanfte Selbstsicherheit, ja Selbstzufriedenheit in seinen späten Filmauftritten, eine animalische Unberechenbarkeit. Auf seinem Gesicht liegt immer ein unergründliches Lächeln. Das manchmal auch unsichtbar sein mag, ein Cheshire-Lächeln gewissermaßen, wie bei Lewis Carroll.

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