Wiener Burgtheater sorgt für Kontinuität:Wer A sagt, muss auch B

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Karin Bergmann, geboren 1953 im Ruhrpott, kam 1986 mit Claus Peymann ans Wiener Burgtheater. Jetzt ist sie Intendantin. (Foto: Roland Schlager/dpa)

Karin Bergmann bleibt bis 2019 Intendantin des Wiener Burgtheaters. Für sie sprach vor allem ihre große Erfahrung mit dem Haus. Obwohl Bergmanns Vergangenheit an der Bühne auch Angriffsflächen bieten könnte, ist ihre Berufung eine gute Entscheidung. Applaus!

Von Wolfgang Kralicek

Bei Pressekonferenzen sind Ovationen an sich nicht üblich. Und doch wurde Karin Bergmann von den Journalisten am Dienstag im Wiener Burgtheater mit Applaus empfangen. Wie schon vor einem halben Jahr, als Bergmann nach der Entlassung von Intendant Matthias Hartmann die interimistische Leitung übertragen worden war, wurde die Entscheidung des österreichischen Kulturministers Josef Ostermayer (SPÖ) auch diesmal ausgesprochen positiv aufgenommen. Nicht nur die meisten Journalisten, auch Ensemble und Mitarbeiter sowie der Aufsichtsrat waren entzückt.

Bergmann wird das Burgtheater nun also nicht bloß zwei Interimsjahre, sondern eine volle Fünfjahresperiode lang leiten, bis Mitte 2019. Für die 1953 in Recklinghausen geborene Bergmann sprach vor allem ihre große Erfahrung mit dem Haus. In verschiedenen Funktionen und unter drei verschiedenen Intendanten (Peymann, Bachler, Hartmann) hat sie von 1986 bis 2010 insgesamt 17 Jahre an der Burg verbracht.

Mit ihrem freundlichen, aber auch trockenen und vor allem verlässlichen Arbeitsstil hat sie sich im Haus viel Vertrauen erarbeitet. In der aktuellen Krisensituation des Burgtheaters ist das ein wichtiges Kapital.

Entscheidend für seine Wahl sei nicht zuletzt die bisherige Performance der Interimsdirektorin gewesen, erklärte Ostermayer: "Karin Bergmann hat Ruhe ins Haus gebracht." Die künstlerische Leitung war im Frühjahr nach der fristlosen Entlassung Hartmanns ausgeschrieben worden.

Hartmann wird eine Mitverantwortung am finanziellen Desaster des Burgtheaters vorgeworfen. Das Haus hat in der Spielzeit 2012/2013 einen Bilanzverlust von fast 20 Millionen Euro verbucht.

Ressourcen jenseits des Materiellen

Unter den 29 Bewerbern waren acht Frauen. Die sechsköpfige Findungskommission, der auch der im Juli verstorbene Gert Voss angehörte, führte mit zwölf Bewerberinnen und Bewerbern Vorgespräche, lud fünf zu intensiven Hearings und unterbreitete dem Minister schließlich einen Zweier-Vorschlag.

Wer der zweite Kandidat war, wurde nicht bekannt gegeben. Neben Bergmann waren zuletzt gerüchteweise noch der Dresdner Intendant Wilfried Schulz und der Regisseur Michael Thalheimer im Rennen.

Ihre Berufung mache sie froh und dankbar, sagte Bergmann. Vor einem halben Jahr habe sie sich nicht vorstellen können, jetzt wieder hier zu stehen. Damals hätten sie viele für ihren Mut bewundert, eine solch schwierige Aufgabe zu übernehmen. Sie selbst habe das nie so gesehen: "Ich wusste, dass das Haus über Ressourcen verfügt, die jenseits des Materiellen liegen. Und dass man hier auf Dauer nur gewinnen kann."

Eigentlich habe sie bei der Pressekonferenz ein Plakat mit einem Zitat aus dem neuen Stück von Ewald Palmetshofer affichieren wollen: "Wer A sagt, muss auch B." Genau das hätten der Minister und sie hiermit getan.

So naheliegend die Entscheidung für Bergmann ist, so heikel war sie auch. Ihre Burgtheater-Vergangenheit hat sie nicht nur für den Posten prädestiniert, sondern sie auch angreifbar gemacht.

Zuletzt ließen ihr Vorgänger Hartmann und dessen Anwälte keine Gelegenheit aus, Bergmann anzuschwärzen und als Teil jenes dubiosen Finanzsystems darzustellen, das Hartmann und der früheren Geschäftsführerin Silvia Stantejsky den Job gekostet hatte. Im arbeitsrechtlichen Prozess, den Hartmann gegen das Burgtheater führt, wird Bergmann als Zeugin auftreten.

Man habe auch diese Frage offen besprochen, erklärte Minister Ostermayer, und Bergmann habe ihm glaubhaft versichert, dass es da nichts gebe, was gegen sie verwendet werden könne.

Den für ihre Glaubwürdigkeit entscheidenden Schritt hatte Bergmann schon 2010 gesetzt, als sie das Burgtheater nach nur einem Jahr als Hartmanns Stellvertreterin verließ - nachdem sie intern vergeblich davor gewarnt hatte, der neue Direktor produziere zu viel.

Jede Menge Pläne

Die Folgen werden gerade ausgebadet: Derzeit produziert das Burgtheater weniger denn je. "Wir haben eine Sparspielzeit, das auszuhalten ist nicht leicht." Für die Zukunft aber hat Bergmann jede Menge Pläne. Sie kündigte Inszenierungen von Martin Kušej ("Er gehört für mich an dieses Haus"), Alvis Hermanis, Andreas Kriegenburg und Herbert Fritsch an; sie möchte mit der Kärntner Autorin Maja Haderlap und verstärkt mit Kollegen aus den östlichen Nachbarländern zusammenarbeiten.

Auch an "ganz große, epochale Stoffe" solle das Burgtheater sich heranwagen, an Stoffe wie die "Göttliche Komödie", die "Orestie" oder einen neuen "Jedermann".

Dass ihr Vertrag nicht um fünf Jahre, sondern nur auf fünf Jahre verlängert wurde, ist in Bergmanns Sinn. "Im Moment erscheint mir das als der richtige Zeitraum. 2019 werde ich 66 Jahre alt sein." Eine Verlängerung wäre grundsätzlich möglich, erklärte der Minister, die Stelle werde aber wieder ausgeschrieben. Dann kommen auch Kandidatinnen und Kandidaten infrage, die zur Zeit nicht frei sind - etwa die bis 2018 ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg gebundene Karin Beier. Jetzt aber ist erst einmal Karin Bergmann am Zug. Applaus!

© SZ vom 15.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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