Waffen als Sammler-Objekte:"Es sind Kulturgüter"

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Bernhard Pacher, 59, leitet das Auktionshaus Hermann Historica in Grasbrunn. (Foto: Stephan Rumpf)

Bernhard Pacher, der 500 Schusswaffen besitzt, über den Unterschied zwischen "Waffennarr" und "Waffensammler", Psychotests und die Gefahren für die Allgemeinheit.

Interview von Rudolf Neumaier

Der promovierte Jurist Bernhard Pacher, 59, besitzt 500 Schusswaffen, überwiegend Pistolen. Er sammelt sie. Früher war der Österreicher Kunde bei Hermann Historica, viele seiner Stücke ersteigerte er hier. Seit zwei Jahren leitet Pacher selbst das Auktionshaus in Grasbrunn bei München. Das Geschäft mit Sammlerwaffen ist schwieriger geworden.

SZ: W arum sammelt man Waffen?

Bernhard Pacher: Aus demselben Grund, warum auch andere Gegenstände gesammelt werden, Modelleisenbahnen zum Beispiel oder Radiogeräte. Alte Waffen sind handwerkliche Meisterwerke, in ihnen stecken Geschichte und in manchen auch Geschichten. Es sind Kulturgüter.

Sind Sie schon mal dafür kritisiert worden, dass Sie eine Waffe als Kulturgut bezeichnen? Waffen töten.

Ich kann das jedem erklären. Waffen wurden und werden nicht nur zum Töten benutzt. Sie schützen auch, sie dienen der Selbstverteidigung. Es gibt Sportwaffen. Und früher hatten Waffen auch einen repräsentativen Zweck. Kulturgüter sind sie für mich schon allein wegen ihrer außergewöhnlich exakten Bearbeitung. Die Technik finde ich am faszinierendsten.

Aber funktionieren Feuerwaffen denn nicht ganz einfach, indem heiße Gase ein Geschoss durch einen Lauf jagen?

Schauen Sie allein auf die Entwicklung am Ende des 19. Jahrhunderts. Da wurde nach Möglichkeiten gesucht, das Nachladen zu automatisieren. Es entstanden innerhalb von 20 Jahren geniale Lösungen, um das Laden von Patronen aus einem Magazin in einen Lauf zu ermöglichen. Solche Systeme wurden nicht über CNC-Fräsmaschinen oder 3-D-Drucker gefertigt.

Das Pistolen-Design hat sich allerdings nicht gerade durch eine besondere Ästhetik hervorgetan, oder?

Das war mühevolle Handarbeit, für die man 350 verschiedene Werkzeuge und bis zu 500 Bearbeitungsschritte brauchte, bis jedes einzelne Teil aus vollen Stahlblöcken gefräst war, funktionierte und absolut passte. Wie mühevoll das war, können wir uns heute kaum noch vorstellen. Nehmen Sie die C96 von Mauser: Sie hat eine einzige Schraube, die nur die Griffschalen befestigt. Der Rest ist ineinandergesteckt und nur durch Reibung, Feder und Klemmwirkung zusammengehalten. Eine geniale Konstruktion!

Im Kommentar zum Waffengesetz steht "Für den 'Waffennarr' , dem es lediglich darum geht, Waffen und Munition zusammenzutragen, ohne dass er damit weitergehende Zwecke verfolgt, scheidet ein Sammlerbedürfnis von vornherein aus". Was unterscheidet Waffensammler von Waffennarren?

Wer eine Sammlung begründen will, muss ein Interesse für und Kenntnisse über eine bestimmte Art von Waffen nachweisen. Fachliteratur und ein Engagement in Geschichtsvereinen können eine gute Basis sein. Dann braucht man ein Sammlungsziel. Etwa eine bestimmte zeitliche oder geografische Herkunft, eine Waffengattung oder eine besondere Herstellungsweise. Oder Sie sammeln Waffen, die Zeugnis eines historischen Ereignisses sind, etwa bei einer Schlacht zum Einsatz kamen.

Und mit diesen Waffen schießen Sammler dann auch?

So einfach ist das nicht. Wir haben in Deutschland drei Arten von Waffenbesitzkarten. Die grüne für Jäger, die gelbe für Sportschützen, die rote, die nach meinem Eindruck aber leider kaum noch ausgestellt wird, für Sammler. Wer nur eine rote Karte besitzt, darf gar nicht schießen. Wer zusätzlich Jäger oder Sportschütze ist, könnte mit der Waffe unter Umständen schießen, wenn sie ihm dafür nicht zu schade ist. Dazu muss er die entsprechende Sachkunde nachweisen. Aber noch einmal, Waffensammler sind kulturhistorisch interessiert und leben pazifistisch.

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Welche Gefahr stellen Sammlerwaffen für die Allgemeinheit dar?

Wenn mich eine Terrororganisation überfiele und meine Waffen erbeuten würde, dann viel Spaß. Meine 250 Kurzwaffen haben 80 verschiedene Kaliber. Für viele gibt es auch gar keine Munition mehr, die dürften sich die Terroristen selber stricken. Die würden verzweifeln an dieser Beute.

Wie werden Waffensammler kontrolliert?

Früher besuchte mich in Klosterneuburg (nördlich von Wien; Anm. d. Red.) alle fünf, sechs Jahre ein Sachverständiger, der in Zivil kam. Heute kommen zwei uniformierte Beamte, da steht immer ein Polizeiauto vor der Tür. Und alle sehen, beim Pacher ist wieder die Polizei. Da entstehen Gerüchte. Das ist einer der Gründe, warum viele Sammler sagen: Ich will nicht mehr. In Deutschland gibt es die gleiche unangemeldete Verwahrungskontrolle wie in Österreich. Es ist wichtig und richtig, dass alle Waffen registriert sein müssen. Aber mit der Häufigkeit der Kontrolle von Sammlern kann man es auch übertreiben. Die Hürden für den Erwerb und die Verwahrung sind hoch genug. Ich brauche für meine Sammlung eine Mauer mit 20 Zentimeter Stahlbeton und eine Wertraumtür mit 400 Kilogramm. Baustatisch ist das eine Herausforderung.

Mit Waffen ist nun mal viel Unheil angerichtet worden.

Kriminalstatistisch sind alte Waffen, wie sie für Sammler vor allem interessant sind, völlig irrelevant. Welcher Bankräuber zieht mit einem alten Jagdgewehr los? Oder mit einem Revolver aus dem 19. Jahrhundert? Wer einen Anschlag plant, holt sich die Waffen doch aus dem Darknet. Der Täter von Hanau, ein Sportschütze, war eine Ausnahme. Was glauben Sie, wie viele Waffen aus dem Jugoslawien-Krieg unterwegs sind, die auf illegale Abnehmer warten? Eine Kalaschnikow AK-47 bekommt man für weniger als 50 Dollar.

Wie würden Sie den gegenwärtigen Markt beschreiben?

Es ist sehr schwierig. Immer mehr Schusswaffen werden eingeliefert, immer weniger werden verkauft oder versteigert. Man merkt es, wenn eine große Sammlung auf den Markt kommt: Der Preisverfall der weniger gut erhaltenen Stücke ist enorm, der kleiner gewordene Sammlerkreis wird anspruchsvoller und schaut auf gut erhaltene Spitzenstücke - die Massenware bleibt liegen.

Was passiert damit?

In der Regel müssen die Erben sie bei den Waffenbehörden abliefern. Dort werden sie eingeschmolzen. Ewig schade, da wird Kulturgut vernichtet. Waffenersatzteile, die nicht unters Waffengesetz fallen und daher nicht vernichtet werden müssen, finden Sie allerdings bei Online-Versteigerungen, Gewehrschäfte und Magazine etwa.

Sterben die Waffensammler aus?

Einige hören auf, weil ihnen die Auflagen zu viel werden, andere aus Altersgründen. Viele Sammler fürchten, die Weitergabe an Erben oder Käufer werde eines Tages verboten. Dieses Szenario halte ich für plausibel. In 30 Jahren wird es wohl keine Waffensammler mehr geben. Wir verkaufen, seit ich hier die Geschäfte führe, die vierte Sammlung jenseits der tausend Stücke. Und wir haben weitere drei in der Pipeline.

Waffen haben keine gute Lobby. Das könnte mit dem Negativbeispiel USA zusammenhängen, wo man sich im Baumarkt bewaffnen kann.

Der Trend geht dahin, die Bürger zu entwaffnen. Man könnte Überlegungen anstellen, was unsere Politik antizipiert. Denn schauen Sie, wann und wo es absolute Waffenverbote gab: In Deutschland unter Hitler, in der Sowjetunion unter Stalin, in China - je totalitärer das System, desto weniger toleriert es bewaffnete Bürger. Allerdings ist die USA auch kein Vorbild. Was da läuft, halte ich für Wahnsinn.

Kürzlich hat der Bundestag das Waffengesetz verschärft.

Ich habe kein Problem mit Psychotests, wie in Österreich, und mit Verwahrungskontrollen, in Maßen. Ein Waffengesetz löst kein Gewaltproblem. Ein IS-Kämpfer geht nicht ins Auktionshaus und kauft sich eine historische C96 für 2000 Euro.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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