Unbekannte Flugobjekte:Ästhetische Kriegsführung

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Identifiziertes Flugobjekt: Ein Sea-Hawk-Hubschrauber hebt vom Deck des US-Flugzeugträgers Abraham Lincoln ab. Vor allem das amerikanische Militär scheint es vielen Ufos angetan zu haben. (Foto: HANDOUT/REUTERS)

Was Ufos mit Militär- und Spionagetechnologie verbindet: Eine kleine Anfrage bei dem Künstler und Geheimdienst-Spezialisten Trevor Paglen.

Von Peter Richter

Kommt natürlich immer ganz drauf an, wen man fragt. Man könnte zum Beispiel auch Tom Dongo anrufen, der bei Sedona in Arizona lebt und als Experte für Ufos, Zeitreisen und das Tunnelsystem der Aliens zwischen Flagstaff und Clarkdale, ebenfalls Arizona, gilt. Aber Tom Dongo hat darüber so viele Bücher geschrieben, mit Beweisfotos und allem, dass er die Veröffentlichungen der Behörden zu Ufo-Sichtungen vermutlich ohnehin nicht ernst nehmen dürfte. Was sollen die bringen, was seinesgleichen nicht ohnehin immer schon besser wusste?

Stattdessen daher kurze Frage an Trevor Paglen, was seiner Meinung nach davon zu halten ist. Paglen ist von Beruf bildender Künstler, allerdings mit einem Hintergrund als Geograf sowie, weil der Vater Militäraugenarzt war, einer Kindheit auf Stützpunkten der US Air Force, darunter fünf Jahre in Wiesbaden, und das wiederum heißt: in ständiger Präsenz von Objekten, die einerseits das Ende der Welt in sich tragen, andererseits so schön aussehen, als wären es Skulpturen von Cosima von Bonin. Oder mit Paglens eigenen Worten: "Atomraketen sind scary, aber ich könnte sie den ganzen Tag lang anstarren."

Es dürfte auf eine Kombination aus Drohnen und elektronischer Kriegsführung hinauslaufen

Von dieser nahezu klassischen Ästhetik des Beängstigenden und Inkommensurablen leben nun auch seine eigenen Arbeiten. Bilder, die aussehen, als hätten Gerhard Richter und William Turner gemeinsam die Hügel von West Virginia gemalt, dabei hatte Paglen nur ein extremes Teleobjektiv vor die Kamera geschraubt, um ein meilenweit hinter einem Stacheldrahtzaun liegendes Weltall-Abhörzentrum zu fotografieren, in dem offiziell Astronomen auf Botschaften von Außerirdischen hoffen, eigentlich aber der Geheimdienst NSA auf durchaus irdische Signale aus anderen Ländern lauscht, die praktischerweise von den Gestirnen reflektiert werden, sogenannter "Moon bounce"-Effekt. Der gute alte Mond verliert ein bisschen seine Unschuld auf Paglens Bildern, so wie auch seine rasend vollen Sternenhimmel von einer etwas anderen Romantik sind, wenn er einem dazu erklärt, wie viel von dem, was man nachts sieht, Satelliten sind, warum kaum ein Satellit keine Spionagefunktion hat, und dass diese Büchsen noch im All kreisen werden, wenn die Erde längst verglüht ist.

Der also zu eher ernüchterndem Pathos neigende Trevor Paglen schrieb zurück, dass die Ufo-Sichtungen, die jetzt offiziell gemacht worden sind, seiner Ansicht nach auf eine Kombination von Drohnen und elektronischer Kriegsführung hinauslaufen dürften. Er verwies auf eine der letzten von Tyler Rogoways Kolumnen "The War Zone" auf dem Militärtechnik-Blog "The Drive", und das ist keine anheimelnde, aber eine recht erhellende Lektüre.

Das fängt bei dem Umstand an, dass Ufos jetzt eher UAPs genannt werden, Unidentified Aerial Phenomena, um die Sache sachlicher zu fassen, wobei "unidentifiziertes Flugobjekt" im Ursprung ja auch erst einmal nur hieß: Da wurde was in unserem Luftraum gesehen, und wir wissen nicht, was es ist. Die Verknüpfung dieses Begriffs mit der Idee von außerirdischem Leben kam ja dann erst dazu und ist, wenn man Rogoway folgt, ein Problem, das in Geheimniskrämerei und Mystifizierung wurzelt. Denn dass diese Flugobjekte beobachtet wurden, zweifelt er nicht an. Wohl aber, dass sie so unerklärlich seien. Der Punkt, an dem er sich von Ufo-Fans wie Tom Dongo leider verabschieden muss, ist der: Sie dürften eher irdischen als außerirdischen Ursprungs sein, und immer schon der Militärspionage gedient haben.

"Ich glaube, kleine grüne Männchen sind immer erst die letzte Erklärung"

Es ist ja auffällig, dass Ufos (oder neuerdings eben UAPs) regelmäßig dort beobachtet wurden, wo wichtige Militär- und/oder Atomanlagen liegen, U-Boote und Kriegsschiffe trainieren. Für die deutlich attraktiveren Luftansichten von New York, Venedig oder Dresden haben Ufos bisher weniger interessiert. Rogoway zeigt unter anderem die Konstruktionszeichnung eines Ballons mit Aufnahmetechnik aus dem Jahr 1945, der verblüffend jenen Lichtbällen mit metallischem Schimmergerät in der Mitte entspricht, die auch zuletzt wieder in ungewöhnlich großer Flughöhe beobachtet worden seien. Er titelt "Feindliche Drohnen spionieren die USA aus, und das Pentagon tut so, als seien es Ufos", und legt die finstere Pointe nahe, dass, wer auch immer diese Dinger losgeschickt, das kulturelle Stigma der Sache taktisch schon mit eingeplant hat: Weil Ufos einerseits so populär sind, andererseits als Einbildung gelten, werden Piloten, die eines sehen, nachher lieber den Mund darüber halten, als ihre Fluglizenz zu gefährden. Man müsste an dieser Stelle wohl von so etwas wie kultureller oder ästhetischer Kriegsführung reden. Damit ist zwar nicht gesagt, dass außerirdische Lebensformen ausgeschlossen seien. Aber Trevor Paglen schreibt: "Ich glaube, kleine grüne Männchen sind immer erst die letzte Erklärung, die wir heranziehen sollten." Smiley dazu. In Anbetracht der Tatsache, dass die Amerikaner offenbar nicht einmal wissen, ob sie von regulären Staaten oder vielleicht auch von irgendwelchen Terrorgruppen ausspioniert werden, wäre es vielleicht sogar noch die beruhigendere.

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