Der Stehgeiger Paganini, der Schneider Albrecht Ludwig Berblinger, der flitzende Reporter Willi Busch ... Luftikusse, Tagträumer, Pioniere hat Tilo Prückner in den Siebzigern gern verkörpert, unter anderen in Filmen von Nikos Perakis, in "Bomber & Paganini", oder bei Edgar Reitz, "Der Schneider von Ulm", und in Niklaus Schillings "Der Willi-Busch-Report".
Es war die zweite Phase des Jungen Deutschen Kinos, plötzlich gab es, nach dem Regiment der Oberhausener mit ihrem Manifest, Anarchie auch im deutschen Kino, Hoffnungen mit Hochrisiko.
Die Tagträumer beließen es nicht mehr beim Träumen. Der Schneider von Ulm baute eine frühe Flugmaschine zusammen. Willi Busch, der die Werra-Post geerbt hatte, an der Zonengrenze, bastelte seine eigenen Fake-Sensationen zusammen, um seine Zeitung zu erhalten.
"Coming In" im Kino:Tolerant? Sind wir selber!
In "Coming In" erzählt Marco Kreuzpaintner von einem schwulen Friseur, der sich in seine hübsche Kollegin verliebt. Der Plot der Geschichte ist nicht ganz neu, aber erstmals in Form einer romantischen Komödie erzählt - und kommt ganz ohne plumpe Homo-Hetero-Klischees aus.
Tilo Prückner schien in seinem Element. Er hatte in den Sechzigern am Münchner Theater der Jugend gespielt, Anfang der Siebziger an der Schaubühne in Berlin, war unter anderem bei Peer Gynt dabei gewesen.
Eine ungeheure bodenständige Dynamik
Er spielte in Filmen von Wolfgang Petersen, Hans W. Geißendörfer, Reinhard Hauff, Peter Fleischmann, von den Achtzigern an machte er dann Fernsehen, unermüdlich, jede Menge Kriminalistik, "Adelheid und ihre Mörder", mit Evelyn Hamann, als "Tatort"-Kommissar Holicek, schließlich bei den "Rentnercops".
Das scheinbar Unscheinbare war sein Markenzeichen, und doch steckte eine ungeheure bodenständige Dynamik in dieser schmächtigen Figur, diesem schmalen Gesicht. Der gelbe Kabinenroller, in dem Willi Busch durchs Werratal brauste, hatte wieder Zukunft, er war unterwegs Richtung Mauerfall. Wie jetzt bekannt wurde, ist Tilo Prückner am 2. Juli 79-jährig gestorben.