Favoriten der Woche:Halb Hund, halb Polizist

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Sonya Yoncheva (Foto: Sony Classical)

Fünf Wochengewinner: Opernsängerin Sonya Yoncheva, der Philosoph Karl Löwith, die Comicserie "Dog Man", "Stairway to Heaven" und die Literaturzeitschrift "arch+".

Von SZ-Autoren

Ein verspäteter Gruß der Blumenkinder? Das Cover des neuen Albums von Sonya Yoncheva passt gut zwischen Biosocken und Bergtee, und auch der Titel "Rebirth" klingt ein bisschen durch den Wind. Es ist aber dann doch etwas ganz anderes, was man hier zu hören bekommt. Ein recht populäres Klassik-Album zwar, aber kein esoterisches Gesäusel. Im Gegenteil. Die bulgarische Opernsängerin mit der kraftvollen süß-herben Sopranstimme hat sich ihre allerpersönlichsten Wünsche erfüllt und singt Arien, Lieder und, naja, auch einen Abba-Song.

Man merkt aber nicht gleich, dass er von Abba ist, die zarte Begleitung mit Harfe, Flöte und Streichern führt den Hörer in ganz andere Gefilde, lenkt zurück zum Beginn des Albums, zu den Anfängen der Oper, zu deren Erfinder und erstem Großmeister Claudio Monteverdi, zu dessen Meisterkollegen Francesco Cavalli, Alessandro Stradella, zu deren Genie, aus einem Trauergesang eine selbstbewusste kunstvolle Arie zu formen, die gleichsam im Singen über sich hinauswächst und den Hörer mit sich reißt. Das entspricht auch dem ganzen Projekt, das Yoncheva mit dem Barockmusik-Spezialisten Leonardo García Alarcón nun verwirklichte. Die Idee stammt aber noch aus der Zeit, als sie bei ihm in Genf studierte und in der Titelpartie von Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" debütierte. Yoncheva hat dann die große Opernkarriere verfolgt, ausgiebig und erfolgreich, pendelte zwischen Met, Scala, Royal Opera House und den anderen großen Bühnen der Welt.

Für zarte Lautenlieder wie "The Silver Swan" von Orlando Gibbons blieb da kaum Zeit. Aber jetzt, im Lockdown, wie sie berichtet, erinnerte sie sich der Anfänge, der jugendlichen Visionen und Vorlieben. Zu ihren Visionen gehört jedenfalls die Idee, Musik sei zeitlos, vermittle ein "Gefühl grenzenloser Freiheit" und könne ein "Weckruf zur Wiedergeburt, zur Erneuerung" sein. Das ist entwaffnend naiv und herrlich eskapistisch, und wenn Esoterik immer solch wunderbare musikalische Darbietungen hervorbrächte, man würde nur noch bei Sternenkreis, Hexenladen, Abraxas, Jupiter Spirit und Healing Mentor einkaufen. Helmut Mauró

Karl Löwith

Links Archivar Ulrich von Bülow, rechts Karl Löwith im Kimono im japanischen Exil. (Foto: DLA Marbach)

"Archivkino" nennt das Deutsche Literaturarchiv Marbach die Videos. In ihnen werden aus Nachlässen berühmter Autoren "Merkwürdigkeiten" vorgestellt, wie es Archivleiter Ulrich von Bülow in schönem alten Deutsch ausdrückt. Wenn man den klugen Archivar etwas verkniffen und etwas leiernd vor dem Bücherregal sitzend sieht, während daneben die Fundstücke eingeblendet werden, muss man zugestehen: Dieses Video, das nach letztem Stand 206 Aufrufe hatte, ist nicht für den Massenmarkt gemacht.

Aber wer sich für den Philosophen Karl Löwith (1897-1973) interessiert, und dafür gibt es sehr gute Gründe, wird die Dreiviertelstunde mit Spannung verfolgen. Zum Beispiel, wie Löwith, protestantisch getauft und trotzdem wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt, 1936 als Stipendiat in Rom eine Landpartie mit seinem früheren Lehrer Martin Heidegger macht, der zu einem Gastvortrag zu Besuch ist, und wie Löwith dann später an entsprechender Stelle noch einen Zusatz in sein Tagebuch einfügt: "er das Parteiabzeichen im Knopfloch!" (Löwiths Tagebücher sind noch nicht vollständig publiziert und sollen demnächst im Verlag Matthes & Seitz erscheinen.)

Dem Hakenkreuz im Knopfloch von Heidegger & Konsorten entfloh Karl Löwith noch im selben Jahr nach Japan, auf eine Professur an der Universität Tōhoku in Sendai. Dort schrieb er nicht nur eines seiner beiden Hauptwerke, "Von Hegel zu Nietzsche", das die Orientierungslosigkeit der bürgerlichen Gesellschaft geistesgeschichtlich erklärt, sondern interessierte sich für buddhistische Übungen und trug auch mal Kimono. Eine japanische Klangschale aus Löwiths Besitz erklingt dreimal als Gong in diesem Video, ein Akt, den der Archivar mit einer Art stoischer Komik vollzieht.

Als Japan als deutscher Kriegsverbündeter auch nicht mehr sicher ist, geht Löwith ins nächste Exil in den USA (sein Adressbuch wird eingeblendet) und schreibt das zweite Hauptwerk "Weltgeschichte und Heilsgeschehen". Das Buch wird erst 1953, ein Jahr nach seiner Rückkehr auf einen Lehrstuhl in Heidelberg, auf Deutsch erscheinen und viel Eindruck machen: Es geht um die säkularisierte Heilserwartung, die die moderne Fortschrittsidee in den Totalitarismus führte. Und Gong. Johan Schloemann

Dog Man

Auf den Hund gekommen: Dav Pilkeys Superpolizist mit seinem Gehilfen Petey (Foto: Adrian Verlag)

Nach Monaten im Homeschooling zählt jede Minute, in der die Kids nicht zocken, sondern, zum Beispiel, auch mal ein Buch lesen. Gut, dass Dav Pilkeys Comic-Serie "Dog Man" (ab acht Jahren, bislang sechs Bände im Adrian Verlag) so irre lustig ist und der Text nicht allzu schwer. Dog Man ist halb Hund halb Polizist - nach einem Unfall wurde der Kopf des einen auf den Körper des anderen genäht und "eine neue, verbrechensbekämpfende Sensation von der Leine gelassen". Dass dieser Superheld beim Kampf gegen das Böse schon mal abgelenkt ist, Eichhörnchen jagt oder ein wichtiger Brief in der Hundeschnauze verschwindet - geschenkt. Immerhin gibt es noch den Kleinen Petey, ein adoptiertes Kätzchen, und den Roboter-Kumpel 80-HD, die als "Supa Kumpels" Dog Man zur Seite stehen und auch zusammenhalten, um Peteys Vater, eine böse Katze, auf den Weg des Guten zurückzuführen. Pilkeys Comics sind aus popkulturellen Schnipseln so hinreißend zusammengeschustert wie ihr Titelheld. Vielleicht lassen die Zuhauseschüler ihre Erziehungsberechtigen ja mal mitlesen. Martina Knoben

Stairway to Heaven

Große Freude: Im Jahr 2020 bestätigte ein US-Gericht, dass Jimmy Page (mit Robert Plant bei einem Konzert in New York, 1988) das Gitarrenintro von "Stairway" nicht von der Band "Spirit" geklaut hatte. (Foto: Don Emmert/AFP)

Kleiner Geburtstagsgruß: Es war ein Freitag, 5. März 1971, in Belfast, als Jimmy Page sich auf der Bühne seine Doppelhalsgitarre umhängte und, zum ersten Mal öffentlich, diese zarten, arpeggierten Akkorde zupfte. A-moll zunächst, auf den höchsten vier Saiten. Dann die chromatische Abwärtsbewegung auf der D-Saite: gis, g, fis, f. Jeweils mit Gegenbewegung auf der hohen E-Saite: a, h, c. Dazu sang Robert Plant etwas von einer Lady, die alles Glitzernde für Gold hält. Und einer Treppe zum Himmel. Dann wird das Ding langsam größer. Dann fast orchestral. Und danach war der Hard-Rock, bis dato doch eine eher urtümliche Veranstaltung, unwiederbringlich verändert. Dem Epischen war der Weg geebnet. Geigen wurden erlaubt. Queen konnten berühmt werden. Und Gitarrenläden hängten "No Stairway"-Schilder in die Testzimmer für Gitarren, damit die Verkäufer irgendwann am Tag noch andere Songs hören konnten. Und die Zuschauer in Belfast? "Waren zu Tode gelangweilt", erzählte Bassist John Paul Jones später. "Sie wollten etwas hören, das sie kennen." Jakob Biazza

arch+ über Berlin

Nicht die Schlossattrappe ist der größte Wahnwitz der jüngeren Berliner Baugeschichte, sondern die tausend anderen Bauten in Historienschminke, mit denen das einst poröse Wende-Berlin nahezu luftdicht ausgefüllt wurde. In seinen beiden aktuellen Heften blickt arch+, die umwerfend gut gemachte Architekturzeitschrift, zurück auf die drei Jahrzehnte, seit die Mauer fiel und Berlin unter Dauerbeschuss städtebaulicher Visionen geriet und gleichzeitig zum El Dorado der Investorenbranche wurde. Während das erste Heft, "Berlin Theorie", die ideologischen Kämpfe nachzeichnet und bis in die Gegenwart verfolgt, zeigt das zweite, "Berlin Praxis", anhand etlicher Beispiele, wie fortschrittliches, zukunftweisendes und soziales Bauen auch in einem in jeder Hinsicht enger werdenden Berlin möglich ist. Jörg Häntzschel

arch+. Nr. 241, "Berlin Theorie", Dezember 2020, Nr. 242, "Berlin Praxis", Februar 2021.

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