Eine Blitzkarriere zum internationalen Kinostar hat Sandra Hüller hingelegt. Im Mai vorigen Jahres wurden zwei Filme mit ihr im Wettbewerb des Festivals von Cannes gezeigt, "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer und "Anatomie eines Falls" von Justine Triet, der dann die Goldene Palme gewann. Sandra Hüller als Hedwig, die Gattin des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß, und als Romanautorin, die unter Verdacht steht, ihren Mann aus dem Fenster geschubst zu haben in einen tödlichen Sturz ... zwei Frauenrollen, die beklemmend Risse in der Fassade der bürgerlichen Gesellschaft sichtbar machen. Hüller erhielt exzellente Kritiken, bekam den César, den französischen Filmpreis, als beste Hauptdarstellerin. Und als Sonntagnacht in Hollywood die Oscars verliehen wurden, war Sandra Hüller ebenfalls dabei: Sie verpasste zwar den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle (sie war für ihre Rolle in "Anatomie eines Falls" nominiert); der Film von Justine Triet wurde jedoch für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet, "The Zone of Interest" als bester internationaler Film.
Arte hat aus diesem Anlass vier frühe Filme mit Sandra Hüller in die Mediathek gestellt, darunter ihren ersten Kinofilm, "Requiem", 2006, von Hans-Christian Schmid. Hüller spielt hier Michaela, ein Mädchen aus religiösem Elternhaus, sie studiert Pädagogik in Tübingen, hat epileptische Anfälle, glaubt sich vom Teufel besessen, wird Opfer eines Exorzismus. Ein beunruhigender kleiner Film, über gesellschaftliche und religiöse Repression und deren Kehrseite, die Angst eines jungen Menschen vor der Freiheit. "Einen Grundzweifel den schönen Dingen gegenüber, oder dem Glück an sich, das kenne ich eigentlich ganz gut", hat Hüller über diese Figur und ihre Probleme gesagt. 2006 bekam sie dafür den Deutschen Filmpreis. Den bekam sie 2017 auch für "Toni Erdmann" von Maren Ade, auch dies ein Film über Repression, über Selbstunterdrückung: Hüller als cool-verklemmte Business-Frau, die sich von ihrem Vater, Peter Simonischek, zeigen lassen muss, was Freiheit ist und das Glück der Anarchie.
"Anatomie eines Falls" und "The Zone of Interest" hat Hüller stark geprägt, die vier Filme auf Arte zeigen, dass sie auch ein wunderbarer Teamplayer ist. In "Amour fou" von Jessica Hausner, 2016, ist sie eine der jungen Frauen, hochtoupiert und mit korrekter Noblesse, die ihr Freund, der Dichter Heinrich von Kleist, fragt: Würden Sie mit mir sterben wollen? Der Junge sucht eine Sterbepartnerin und findet sie schließlich in der kranken Henriette Vogel. Ein Film in exquisiten Tableaus, Christian Friedel spielt Kleist, dem auf Erden nicht mehr zu helfen ist - in "The Zone of Interest" ist er Hüllers Ehemann, der KZ-Leiter Rudolf Höß.
Was Glück sein kann, darf Hüller in dem Film von Thomas Stuber "In den Gängen", 2018, erleben, sie ist eine junge Lagerarbeiterin in einem Großmarkt, die sich in den einsamen Franz Rogowski, einen Gabelstapelfahrer, verliebt. Eine scheue, verrückte Liebe, in der Sandra Hüllers kokette Schüchternheit wunderbar ins Spiel kommt.