Randy Newman:Kleine Leute, großes Missverständnis

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Heute füllt er große Hallen, aber das war auch schon mal anders: Randy Newman bei der Oscar-Verleihung 2020 im Dolby Theatre in Hollywood. (Foto: MARK RALSTON/AFP)

Kaum jemand beherrscht den bösen Humor in der Pop-Musik besser als Randy Newman, der 80 Jahre alt wird. Das Massenpublikum freilich assoziiert seinen Namen mit etwas ganz anderem.

Von Martin Zips

Humor in der Pop-Musik - das ist ein schwieriges Thema. Das Publikum überlässt den Spaß am liebsten irgendwelchen Komikern ("Wurstfachverkäuferin" von Helge Schneider), Liedermachern ("Tauben vergiften" von Georg Kreisler) oder Ballermännern (irgendwas mit "Friseusen" von Mickie Krause). Was aber ist mit dem klugen, dem hintergründigen Humor in diesem Bereich?

Ein Meister dieses Fachs ist seit Jahrzehnten US-Singer-Songwriter Randy Newman, der am 28. November 80 Jahre alt wird, wozu man ihn hier sehr beglückwünschen möchte. Vor keinem Thema schreckte er je zurück: Mal ließ er "The Great Nations of Europe" zu fröhlicher Marschmusik aufmarschieren, um anschließend deren blutige Kolonialgeschichte in vier Strophen in Grund und Boden zu rammen. Dann machte er sich über den Rassismus der sogenannten "Rednecks" aus den US-Südstaaten her, lobte das Äußere von Wladimir Putin ("Wenn er sein Hemd auszieht, möchte ich eine Dame sein") oder ließ in Obamas Amtszeit sein lyrisches Ich behaupten: "Ich träume von einem weißen Präsidenten. So einen wie die, die wir immer hatten." Das ist natürlich alles ironisch gemeint, wird allerdings gerade heute kaum noch verstanden. Wenn überhaupt, so ist Newmans Name dem Massenpublikum durch simple Songs wie "You've Got a Friend in Me" aus "Toy Story" bekannt oder durch andere gefällige, mitunter oscargekürte Soundtracks vor allem im Trickfilmbereich ("Monster AG", "Küss den Frosch", "James und der Riesenpfirsich"). Und ja, das wurde ihm, dessen Vater bei Benny Goodman Klarinette spielte und der drei Onkel hatte, die Filmkomponisten waren, in die Wiege gelegt: Newmans Onkel Alfred komponierte gar die "20th Century Fox Fanfare"!

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Obwohl dieser Mann also immer wusste, wie man in diesem Business richtig viel Geld macht: Humoristisch böse gezündelt hat er weiterhin. Schon Ende der Sechzigerjahre sang er, damals noch in kleinen, nicht ausverkauften Hallen: "It's Lonely at the Top". Heute verkündet er im Song "I'm Dead (But I Don't Know It)": "Ich habe zwar nichts mehr zu sagen, aber sage es trotzdem." Längst ist er in größeren Konzertsälen angekommen, obgleich wegen einiger Operationen der ein oder andere Termin zuletzt abgesagt werden musste.

Doch auch auf die Gefahr hin, vom Publikum permanent missverstanden zu werden, also so wie schon Bob Marley mit "No Woman, No Cry" oder The Police mit "Every Breath You Take" (so lustig, wie sie klingen, sind nämlich auch diese Lieder nicht): Randy Newman ließ sich nie beirren. Selbst nicht, als es 1977 wegen seines Songs "Short People" Proteste, Klagen, Verbote und Morddrohungen hagelte. Er meinte es ja immer gut, gerade mit kleinen Menschen, und wollte die Vorurteile anderer bloßstellen. Und er liebte es, sein lyrisches Ich immer wieder neue Perspektiven einnehmen zu lassen.

Deshalb wird man zu Randy Newmans 80. sicher wieder eines seiner Lieder auflegen: "Sail Away" zum Beispiel, was wie ein Ausflug aufs ruhige, sonnige Meer klingt, sich aber mit Sklavenhandel beschäftigt. Oder doch etwas Massentaugliches wie "I Miss You"? Gut ist alles von ihm.

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