"Pig" mit Nicolas Cage auf DVD und VoD:Schwein gehabt

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Auch eine Form der Paarbeziehung: das Trüffelschwein Apple und Nicolas Cage. (Foto: David Reamer/imago)

Nicolas Cage wird in "Pig" sein Trüffelschwein geklaut, und er will es unbedingt wiederhaben. Ist das vielleicht die beste Story der Filmgeschichte?

Von David Steinitz

Natürlich kommt man als begeisterter Filmfan, zumal als Kritiker, irgendwann zu der Einsicht, dass die Geschichten, die es zu erzählen gibt, endlich sind. Frau trifft Mann. Superheldin rettet Welt. Vin Diesel fährt Auto (in "Fast & Furious", Teil eins bis neun). Fast alles nur Variationen der gleichen Handvoll Storymuster.

Umso größer das Verdienst des amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Michael Sarnoski, der sich für sein Spielfilmdebüt "Pig" eine Geschichte ausgedacht hat, die man so wirklich noch nicht gesehen hat: Nicolas Cage wird sein Trüffelschwein geklaut. Spoiler: Er vermisst es sehr.

Falls sich jetzt jemand fragt, ob es sich bei dieser so simplen wie genialen Synopsis vielleicht um einen der besten Filmplots handelt, der jemals in Hollywood erdacht worden ist, lautet die Antwort selbstverständlich: Ja! Der Film ist auf DVD, Blu-ray und als Video-on-Demand verfügbar. Dass er es in Deutschland nicht ins Kino geschafft hat, ist bedauernswert, denn "Pig" ist ein bizarres und rührendes Kunstwerk, wie man es nicht alle Tage zu sehen bekommt.

Was für Menschen sind das, die nicht mal vor Schweinsnapping zurückschrecken?

Robin (Nicolas Cage) lebt in der Wildnis von Oregon in einer verwunschenen Waldhütte, die den Ansprüchen der Gebrüder Grimm unbedingt genügen würde. Seine einzige Weggefährtin in der Einsamkeit: Die Trüffelschweindame Apple, mit der er gemeinsam kostbare Pilze im Erdboden aufspürt. Die beiden verstehen sich, wie sich nur zwei Liebende verstehen können, ohne Worte.

Abends bereitet Robin auf dem offenen Feuer eine rustikale Tarte mit Trüffeln und Steinpilzen zu. Mjam. Die Pfanne stellt er auf die Stufen vor seiner Hütte und teilt das Abendmahl mit seinem Schwein. Nur donnerstags wird die Zweisamkeit gestört, da fährt immer ein junger Yuppie namens Amir in seiner knallgelben Protzkarre vor und holt die nächste Kiste Trüffel ab, die er dann im fernen Portland für Robin verhökert. Aber gut, von irgendwas muss man ja auch als Eremit leben.

Natürlich ist das Ganze nur eine Rolle, und Nicolas Cage heißt in dem Film wie gesagt Robin. Aber man hat trotzdem große Lust, sich vorzustellen, dass der Mann im wirklichen Leben selbst mit einem Trüffelschwein in einer Waldhütte lebt. Das würde irgendwie zu seiner Karriere passen. Erst Megafilmstar und Oscarpreisträger; dann Protagonist unzähliger obskurer B-Pictures, Youtube-Wutvideos und einem Ratgeber fürs gepflegte Fluchen - aber jetzt glücklich mit Schwein weit weg vom blöden Hollywood.

Bevor Robin (Nicolas Cage) sich im Wald verkroch, war er Portlands begnadetster Koch. (Foto: David Reamer/Imago)

Die bitteren Krokodilstränen jedenfalls, die Nicolas Cage alias Robin vergießt, als zwei Junkies bei ihm einbrechen, ihn niederschlagen und die Trüffel-Lady Apple entführen, sehen so rührend echt aus, dass man sich fragt, wo der Schauspieler aufhört und der echte Nic Cage anfängt, oder ob es sich vielleicht um einen komplett irren Dokumentarfilm handelt. Die Konstellation erinnert ein bisschen an Keanu Reeves und seinen Hund, dem zu Beginn von "John Wick" Böses angetan wird, nur noch herzzerreißender.

Apple ist also weg, und das ist kein Zustand, den Nicolas/Robin aushalten kann, ohne verrückt zu werden. Er braucht sein Schwein wieder. Also verlässt er seine Hütte gen Zivilisation. Zu Fuß natürlich. Als er endlich ein Diner erreicht und nach der Bedienung fragt, die er hier einst kannte, erfahren wir auch, wie lange er nicht mehr unter Menschen war: Die Kellnerin ist nämlich seit zehn Jahren tot. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen Yuppie-Trüffelkurier Amir anzurufen, der ihn im gelben Sportwagen durch die Gegend fahren muss, um das Schwein zu finden. Denn Amir verdient gut an den Trüffeln und hat selbst ein Interesse daran, dass das Borstenvieh wieder auftaucht.

Die Trüffelszene ist ein gnadenloses Pflaster, halb Edelgastronomie, halb Mafia

Die beiden nehmen Apples Spur auf, bekommen hier und da Hinweise aus der Oregoner Trüffelszene, die, wie wir lernen, halb Gourmetgastronomie, halb Mafia ist. Eine Welt, die Robin von früher kennt. Es stellt sich nach und nach heraus, dass er einst der begnadetste Starkoch Portlands war. Eine Legende, die von einem Tag auf den anderen verschwand, aber deren Kochkünste zu einem sagenumwobenen Mythos geworden sind, von dem sich die Gastroleute immer noch ehrfürchtig erzählen.

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Ja, die Gastroleute, da gibt es komische Gestalten, anscheinend besonders in Portland. Einer zum Beispiel veranstaltet in einem versteckten Kellergewölbe so eine Art "Fight Club" für Kellner und Köche. Dort steckt Robin ordentlich Prügel ein, um auf die nächste Spur zu seinem Schwein zu kommen. Während er Apples Fährte folgt, erfährt man als Zuschauer, warum er sich aus der Welt zurückgezogen hat (ein Drama Shakespeare'schen Ausmaßes natürlich) und dass er immer noch wie ein Gott kochen kann.

Das ist auch gut so, denn als er letztlich auf seinen Endgegner trifft, einen herzlosen Trüffelgierschlund, der vor Schweinsnapping und anderen Scheußlichkeiten nicht zurückschreckt, kann er ihn natürlich nur mit einem fabelhaften Menü bezirzen. Also ungefähr so, wie man es aus "Ratatouille" kennt, als die Ratte Remy den Restaurantkritiker Anton Ego mit ihren Gaumenfreuden weichkochte. Nur eben mit Nicolas Cage. Man kriegt gleich wieder feuchte Augen, wenn man nur dran denkt.

Vielleicht wird "Pig" einst im Rückblick den Moment markieren, in dem es mit Nic Cage wieder aufwärtsging in der Achterbahnfahrt des Lebens - und in dem Schauspieler und Person für immer unauflöslich verschmolzen sind. Nächstes Jahr kommt zumindest sein nächster Film ins Kino, und in dem spielt Nicolas Cage einen Mann namens Nicolas Cage. Der Titel des Films: "The Unbearable Weight of Massive Talent". Wir freuen uns.

Pig , USA 2021 - Regie: Michael Sarnoski. Buch: Vanessa Block, Michael Sarnoski. Mit: Nicolas Cage, Alex Wolff, Adam Arkin. Leonine, 92 Minuten. Als Heimvideo.

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