NFTs in Hollywood:Geld aus dem Nichts

Lesezeit: 5 Min.

Soll mit NFTs finanziert werden: Erstes Szenenbild aus Martin Scorseses "Killers of the Flower Moon" mit Lily Gladstone und Leonardo DiCaprio. (Foto: Paramount Pictures)

Der Hollywoodproduzent Niels Juul will Martin Scorseses und Michael Manns nächste Filme mit NFTs produzieren. Und kann das auch erklären.

Von Andrian Kreye

Man wird das Gefühl nicht los, dass Niels Juul gerne feixen würde in seinem hübschen Haus in Hollywood, aus dem er sich per Videoschaltung meldet. Zusammen mit Jonathan Bixby, der in einem Londoner Park auf einer Bank sitzt beim Gespräch, hat er so etwas wie die Traumformel für Filmproduzenten gefunden. Nie mehr mit Banken reden. Nie mehr Anträge auf Filmförderung schreiben. Nie mehr ewig auf Geld warten, Studiobosse anschleimen, Merchandise-Hersteller beim Drehbuch mitreden lassen. NFT lautet die Formel. Kannte man bisher eher aus dem Kunstbetrieb. Da bedeutet diese Abkürzung für Non-Fungible Token, dass man digitalen Besitz an einem Bild erwerben kann, ohne dafür ein physisch greifbares Werk zu bekommen. Setzt schon dreistellige Millionensummen um. Doch - und jetzt wird es ein wenig kompliziert, aber Jonathan kann das gleich erklären - ein NFT ist nicht einfach nur eine Datei, die mit einer Verschlüsselungstechnik zum Unikat programmiert wird.

NFTs sind wie so viele Anwendungen der Blockchain-Technologie eine neue Form von Verträgen. Das ist vor allem eine basisdemokratische Form des Wirtschaftswesens, bei der sich Computer zusammenschließen und ein System von Vertrauen und Kontrolle automatisieren. Das eliminiert die traditionellen Mittelsmänner wie Banken, Regierungen und Aufsichtsbehörden und überträgt alle Macht dem Kollektiv der Nutzer und Maschinen. Das ist weniger sozialistisches Ideal als der libertäre Fiebertraum vom hyperrationalen Homo oeconomicus, der sich in der absoluten Freiheit des digitalen Raums nur noch vor Adam Smiths unsichtbarer Hand des Marktes zu verantworten hat.

Was also verkauft ein Produzent, der einen Film mittels NFTs finanziert? Wobei man noch dazusagen sollte, dass Niels Juul nicht irgendein Indie-Produzent ist. Er hat die letzten beiden Filme von Martin Scorsese produziert ( "Silence" und "The Irishman"). Mit seiner neuen Firma NFT Studios arbeitet er gerade an Scorseses Western-Epos "Killers of the Flower Moon" mit Leonardo DiCaprio und an Michael Manns Biopic "Ferrari" mit Hugh Jackman. Nicht schlecht für einen Mann, der erst seit zwölf Jahren im Filmgeschäft ist. Davor hat der gebürtige Däne Sport- und Modemarken wie Cerruti, Everlast oder Kangol auf Vordermann gebracht und die Edelprollklamottenmarke Von Dutch mitgegründet. Und jetzt wird er die Filmfinanzierung auf den Kopf stellen, indem er - ja was eigentlich? "Jonathan, willst du das übernehmen?"

Allerbeste Freunde: Der Produzent Niels Juul (links) und der Regisseur Martin Scorsese. (Foto: privat)

Jonathan Bixby nickt in seine Handykamera. Bixby ist ein kanadischer Investor und sogenannter serial entrepreneur, wie man Leute nennt, die Firmen im Dauertakt gründen. Bei ihm waren das bisher vor allem Pharma und Blockchain. Mit seiner Londoner Firma NFT Investments finanziert er Juuls NFT Studios. "Jeder, der sich beteiligt, kann mit uns Executive Producer werden. Dazu gehören natürlich ein paar Boni. Man kann dann vielleicht den Dreh besuchen, die Stars treffen, zu einer Premiere gehen, sei es in L.A. oder in einem Metaversum wie Decentraland. Zum anderen ist man über den NFT Drop finanziell am Film beteiligt." Man darf nicht vergessen, dass bei allem Gerede über knappe Budgets und die zerstörerischen Kräfte des Internets der Film immer noch ein Geschäft ist, in dem man sein Geld vervielfachen kann, wenn es dann mal klappt.

Nur waren es bisher vor allem die Studios, die so verdienten und ihre immensen Betriebskosten damit finanzierten. Quereinsteiger, Privatinvestoren und Unabhängige bekamen von solchen Lizenzen selten etwas ab. "Wir stoßen da jetzt die Tür zu einem sehr exklusiven Club auf", sagt Juul. Dann bekommt man also, wenn man zum Beispiel 100 Dollar in einen Film investiert, der das Vierfache einspielt, vierhundert Dollar zurück?

Jonathan Bixby geht kurz dazwischen. "Kryptowirtschaft funktioniert ein bisschen anders." Er klingt so geduldig wie ein Wissenschaftler, der einem Laien Astrophysik erklärt. "Ein Krypto-Enthusiast möchte in etwas investieren, das deflationär ist, also etwas mit einem begrenzten Angebot und etwas, das wirklich gut durchdacht ist, und ich denke, das ist es, was wir anbieten." Wobei man alle möglichen Funktionen in so ein NFT einbauen kann. Zum Beispiel, dass die Produzenten und Filmschaffenden an jedem Weiterverkauf beteiligt werden. Was die beiden aber auch erobern, ist eine vollkommen neue Generation Investoren. "Es gibt eine Milliarde Menschen, die mehr als 20 Stunden ihrer Freizeit pro Woche im Metaversum verbringen", sagt Jonathan. "Was, denken Sie, werden die wollen? Wollen die in eine Bank gehen und in der Schlange stehen und mit einem Kassierer sprechen? Sie wollen Bitcoin. Wollen die physische Kunst aufhängen? Nein, aber die wollen Mitglied in einem exklusiven Club werden."

Unterm Strich bleibt der Demokratisierungsgedanke. Fans als Investoren

So ganz versteht man das übrigens trotzdem nicht, weil es eine ganze Menge technischer Feinheiten gibt, wie man mit NFTs Geld verdient, die in der Mechanik des Blockchain-Verfahrens, der Wertsteigerung durch Reduzierung der Anzahl von NFTs und der Dynamik von Kryptowährungen liegen. Deswegen sind ja auch die ganzen Extras an das NFT gebunden. Die Setbesuche, Begegnungen mit den Stars, vielleicht eine Requisite als Souvenir. Unterm Strich bleibt der Demokratisierungsgedanke. Fans als Investoren. Wobei man jetzt aber doch mal ein wenig den Miesepeter spielen muss. Haben diese Investoren bei all der Demokratie dann nicht auch ein Mitspracherecht? Und liefert man sich gerade in der Krypto-Szene mit ihren NFTs nicht einer Welt aus, die bisher ein erstaunliches Maß an schlechtem Geschmack bewiesen hat? Wenn man sich die NFT-Kunst so ansieht, die da so viel Geld verdient, ist die in der Regel in der Ästhetik von Videospielen und Comics aus den Neunzigerjahren stecken geblieben, mit all den Porno-Macho-Techno-Scheußlichkeiten, die da dazugehören.

Niels Juul schüttelt den Kopf. "Ich denke, wir ebnen Künstlern einen Weg, die das bisher nicht in Betracht gezogen haben. Wir sind wählerisch, was das Material angeht, und wir wollen auf jeden Fall Qualität produzieren. Wir arbeiten hauptsächlich als Autoren- und Regiestudio. Aber wir sind auch offen für die Frage, was die Leute sehen wollen. Sie sind es also, die uns sagen: Das wollen wir machen, das können wir machen. Und dann werden wir das mit unserer Community testen. Und dann wird der Markt für sich selbst sprechen."

Noch ein Einwand. Macht man sich mit NFTs nicht von der Krypto-Ökonomie abhängig, die bisher extreme Ausschläge nach oben und unten hatte? Eindeutig eine Frage für Jonathan. "Glauben Sie mir, ich bin in der spekulativsten aller spekulativen Branchen. Und ich denke, die Antwort ist, dass es keine gute Idee ist, seine Ersparnisse in NFT Studios zu investieren. Man muss klug vorgehen, muss einen Portfolio-Ansatz verfolgen. Die kurze Antwort ist also, dass man den spekulativen Charakter von Kryptowährungen derzeit nicht loswird. Es ist spekulativ, Punkt."

Im Januar wird Niels Juul auf der Berlinale den ersten NFT-finanzierten Film vorstellen. "A Wing and a Prayer" heißt der und erzählt die Geschichte von Brian Milton, der 1998 auf den Spuren von Phileas Fogg aus Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" in einem Motordrachen einmal um die Welt flog. Ein guter Einstieg für die NFT Studios, findet Juul. "Der Film spielt buchstäblich auf der ganzen Welt. Er beginnt in London, dann geht es nach Russland, China, Japan und Nordamerika. Wir denken also auch global, denn der größte Teil der NFT-Gemeinschaften befindet sich in Asien und in Amerika."

In 80 Tagen um die Welt: Brian Milton in seinem Motordrachen. (Foto: GT Global)

Und wie macht man nun einem Mann wie Martin Scorsese klar, dass er sich in Zukunft auf NFTs einlassen soll? Versteht der das überhaupt, nachdem er sein Leben auf Drehs verbracht hat und ansonsten offensichtlich seine Freizeit damit verbringt, mit Fran Lebowitz in holzgetäfelten Cocktailbars herumzusitzen und sich königlich über ihre antimodernen Tiraden zu amüsieren, woraus er dann gleich eine Doku und die Netflixserie "Pretend It's a City" gemacht hat? Niels Juul lacht und nickt. "Vor drei Monaten hatte ich auch keine Ahnung, was das ist, und ich bin mir sicher, dass sich Marty und Michael und all die großartigen Leute, mit denen ich zusammenarbeite, am Kopf kratzen und fragen: Was soll das denn?" Aber es geht eben nicht nur um Geld und neue Formen der Investition und den enormen Reichtum der Kryptowelt. Es geht auch um die Zukunft.

"Ich habe drei Kinder, die mich über ihre Welt aufgeklärt haben", sagt Juul. "Für jemanden wie mich ist es wichtig, sich mit den Sprachen und Plattformen zu beschäftigen, auf denen die 20-Jährigen ihre Zeit verbringen. Und ich werde zu Marty und all meinen alten Freunden in Hollywood zurückgehen und sagen: Leute, das ist es. Ihr könnt direkt mit eurem Publikum sprechen, und sie können eure Investoren sein. Und ich denke, das ist Demokratisierung und Dezentralisierung. Ich bin also sehr, sehr begeistert. Ich freue mich da drauf. Yeah!"

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSpotify, Apple und Co.
:Lasst mich in Ruhe

Mal bin ich traurig, mal bald taub: Wie Musik-Streamingdienste uns auslesen und leider vor allem: bevormunden.

Von Andrian Kreye

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: