Am 10. September 2009 ging im Architekturbüro von Paul Böhm ein Brief aus der Ditib-Zentrale ein, in dem die Bauherren der Kölner Zentralmoschee zu einer interessanten Beweisführung ansetzen. Die Baupläne des geplanten Gotteshauses sind beigelegt, aufgeschnitten und aneinandergeklebt, zu einer Perspektive, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Die Verfasser argumentieren dennoch, dass es dem Architekten Böhm gelungen sei, christliche Symbole in das Bauwerk einzuschmuggeln.
Es sind Kopien aus einem Religionslexikon beigelegt, die beweisen sollen, dass die Architekten neben Kreuzen auch ein verstecktes Christogramm eingearbeitet haben, ein verwobenes x und p, ein geheimes Christenzeichen. Auf den beigelegten Bauplänen ist es auch mit viel gutem Willen nicht zu entdecken. Trotzdem veränderten die Architekten den Entwurf für die komplette Kuppel. So wie schon so viele Male zuvor aus ähnlichen Gründen.
"Es war nie sehr einfach, diese Moschee zu bauen", sagt Paul Böhm. Und derzeit baut er überhaupt nicht mehr, er ist gekündigt. Wegen einer gewaltigen Kostenexplosion, Baumängeln und der falschen Farbe der ganzen Moschee, sagt die Ditib. Die Kosten seien auch deshalb gestiegen, weil der türkische Verein ständig Änderungswünsche hatte, mal ein geheimes Kreuz entdeckte, mal einfach den geplanten Basar verlegte. Eineinhalb Jahre hätten allein die Ausschreibungen für den Bau gedauert, so lange wie sonst der Bau selbst, verteidigt sich Böhm. So geht es hin und her, schon seit Wochen.
Es ist ein seltsamer Streit, der da tobt in Köln, weil man dachte, die Konflikte um die riesige Moschee in der Innenstadt seien längst beigelegt, weil mit der Moschee doch auch die Freude der Bürger über das schöne Bauwerk wuchs. Die Kölner blieben stehen vor der Betonkugel, vor den 55 Meter hohen Minaretten, vor der "Kölschen Moschee". Es erinnerte nur noch wenig an die Stimmungsmache der rechtsradikalen Bürgerbewegung pro Köln, das letztlich gescheiterte Bürgerbegehren im Jahr 2007.
Noch im Frühjahr sah es danach aus, als sei das einzig verbliebene Problem des fast fertigen Rohbaus der viele Taubendreck. Als könne bald die Eröffnung gefeiert werden und das Gelingen eines Projekts, das einen offenen und transparenten Islam symbolisieren könnte.
"Von dem Streit profitieren nur die Radikalen"
In Wahrheit gärte es schon lange zwischen dem Architekten und den Bauherren, seit einigen Wochen nun wird der Konflikt auch öffentlich ausgetragen. "Von dem Streit profitieren nur die Radikalen", sagt Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD). Als der Architekt Böhm sich am Mittwoch rechtfertigte, bewachte ihn ein privater Sicherheitsdienst, Rechtsradikale hatten sich angekündigt.
Böhm sieht den Grund für das Zerwürfnis vor allem im neuen Vorstand der Ditib, dem größten muslimischen Dachverband in Deutschland, der wiederum der Regierung in Ankara untersteht. Die Ditib will ihre Deutschland-Zentrale in der neuen Moschee einrichten, und wer sie bezieht und wie der Vorstand denkt, ist auch für das Verhältnis von Deutschen und Türken nicht unwichtig. Die SPD-Politikerin Lale Akgün glaubt, die Ditib werde immer konservativer und verschlossener, so wie die politische Großwetterlage in der Türkei. "Der Streit jetzt ist nur ein Symptom dafür."
Die Ditib besteht darauf, dass einzig Baumängel die Ursache des Zerwürfnisses seien. "Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt", sagt die Ditib-Sprecherin Ayse Aydin. Man hat einen Gutachter beauftragt, der 2000 Baumängel fand in einem Bau, der noch gar nicht übergeben und fertig ist. Viele hundert Nägel und Drahtreste im Beton sind dabei, die einfach entfernt werden könnten, aber auch eine gravierende 23-Zentimeter-Abweichung in der Kuppel. Außerdem will der Ditib-Vorstand nun womöglich eine weiße Moschee, keine aus hellem Beton. Architekt Böhm will weiterbauen, pocht auf sein Urheberrecht. Am heutigen Donnerstag will der Beirat der Moschee, dem viele Persönlichkeiten der Stadt angehören, einen Vermittlungsversuch starten. Sonst geht womöglich der ganze Streit wieder von vorne los.