Mel Gibson:"Wollen Sie auch noch eine Entschuldigung?"

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"Ich war zu betrunken, um mehr als fünf Sätze zu sprechen": Vier Jahre nach seinem News-Auftritt als lallender Antisemit meldet sich Mel Gibson zurück.

Roland Huschke

Die erste Pressetour nach dem Skandal um Alkoholfahrt und antisemitische Beleidigungen - es herrscht angespannte Stimmung. Reporter sind für Mel Gibson offenbar erst mal Gegner. Ein enger Vertrauter des Stars bleibt im Raum, mischt sich zuweilen ein, mit ausgesuchter Höflichkeit. Good cop, bad cop. Gibson vermeidet eine halbe Stunde lang fast jeglichen Blickkontakt, wirkt latent gereizt, nestelt umständlich an der Zitrone für seinen Tee.

SZ: Ihr neuer Film trägt in Deutschland den Titel "Auftrag Rache".

Gibson: Oje. Sehr subtil.

SZ: Aber nachvollziehbar, ist doch der Mel-Gibson-Rachefilm schon ein kleines Genre für sich . . .

Gibson: Ich glaube, Sie wollen mir da eine Obsession andichten. Dabei arbeite ich nur im Einklang mit der Historie des Geschichtenerzählens. Vergeltung ist ein zentrales Motiv von der griechischen Mythologie bis zu den jakobinischen Tragödien, von Shakespeare bis zu Alexandre Dumas. Wahrscheinlich haben sich schon die Höhlenmenschen überlegt, wie sie den Gegnern ihre Verluste heimzahlen können. Meine Filme transportieren dieses Thema nur in eine moderne Umgebung.

SZ: Sind Sie nicht auch ein bisschen besessen von Leidensfiguren?

Gibson: Nein, ich habe ebenso viele Komödien wie Dramen gedreht und kann persönlich sehr gut auf schmerzhafte Gefühle verzichten. Aber nach acht Jahren Pause vor der Kamera suchte ich eine Rolle, die zu meinen Stärken passt. Und ich verstehe einen Familienvater auf der Suche nach den Mördern seiner Tochter instinktiv einfach viel besser als andere Figuren. Um genau zu sein, erinnerte er mich an Hamlet, den ich auch schon gespielt habe. Er wird im Laufe der Story vergiftet und ist praktisch schon tot, bevor er noch rasch all jene umlegt, die es verdient haben.

SZ: Sie selbst litten jahrelang unter Depressionen. Haben Rollen für Sie auch therapeutische Wirkung?

Gibson: Ich versuche das nicht allzu sehr zu analysieren. Aber die Konfrontation mit meinen Ängsten spielt sicher eine Rolle. Warum wollen Kinder lieber Geschichten über Monster und Trolle hören als über Feen und Blümchen? Weil sie damit ihre Furcht bekämpfen. Ähnlich funktionieren viele Filme. Auch ich trage Ängste in mir und gehe sie manchmal offensiv an. Apocalypto etwa war die Konfrontation mit einer Urangst nach der anderen.

SZ: Vor vier Jahren gerieten Sie wegen Trunkenheit am Steuer und antisemitischen Äußerungen in die Schlagzeilen. Wie haben Sie das erlebt?

Gibson: Ich habe das weitgehend ausgeblendet, weil ich keinen Gewinn darin sehe, an meiner eigenen Hinrichtung teilzunehmen. Ich kenne die Mechanismen der Medien seit dreißig Jahren und kann nur staunen, wie mit zweifelhafter Berichterstattung von den wahren Problemen der Welt abgelenkt wird. Derzeit trifft es Tiger Woods, der gerade öffentlich auf allen Kanälen gedemütigt wird und damit allen Ernstes etwa Meldungen aus Afghanistan verdrängt.

SZ: Fühlen Sie sich missverstanden von den Medien?

Gibson: Das ist ein Kampf, den ich gar nicht erst aufnehme, weil ich ihn nicht gewinnen kann. Irgendwer da draußen will immer meinen Kopf - und gerade Hollywood liebt es, mich als konservativen Republikaner zum Feindbild zu stilisieren. Höchst irritierend, denn ich habe die politische Rechte nie unterstützt.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Mel Gibson von schlechtem Timing spricht.

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SZ: Verstehen Sie nicht, dass Ihnen nach Ihren Äußerungen tiefes Misstrauen entgegenschlägt?

Gibson: Was soll ich denn noch machen? Die protokollierten Statements waren völlig übertrieben. Es hieß, ich hätte eine "Tirade" abgefeuert, dabei war ich zu betrunken, um mehr als fünf Sätze zu sprechen. Es war der Tag, an dem Israel in den Libanon einmarschierte ( tatsächlich sechs Tage später, Red.), und in meinem besoffenen Schädel habe ich dazu dumme Kommentare gemacht. Als ich das anderntags in der Zeitung las, dachte ich nur: Oh fuck, das tut mir leid. Ich habe mich seither entschuldigt. Mehrfach. Im amerikanischen Fernsehen. Wollen Sie auch noch eine Entschuldigung?

SZ: Also gilt in Ihrem Fall nicht: In vino veritas?

Gibson: Das römische Reich war eine ziemlich durchgeknallte Kultur und ich bezweifle, dass dieser schöne Spruch jemals der Wahrheit entsprach. Ich für meinen Teil schieße jedenfalls die unsinnigsten Knaller immer dann ab, wenn ich richtig voll getankt habe.

SZ: Stars in Ihrer Liga streben für gewöhnlich die Arbeit mit Hollywoods Meisterregisseuren an. Warum haben Sie eigentlich nie mit Spielberg oder Scorsese gearbeitet? Oder mit Ridley Scott, den Coens, Michael Mann . . .

Gibson: Dafür gibt es keinen anderen Grund als schlechtes Timing. Michael Mann offerierte mir seinerzeit Der letzte Mohikaner, und Ridley Scott wollte mich in Gladiator - doch das ging jeweils nicht mit meinen Bedürfnissen zusammen. Gerade Ridley ist ein guter Freund und ein begnadeter Filmemacher. Wir hatten im Lauf der Jahre sicher zwanzig Meetings wegen verschiedener Projekte. Ehrlich gesagt, heckt er gerade heimlich etwas aus, von dem ich hoffe, dass es für mich passt.

SZ: Und was ist von dem Wikinger-Epos zu erwarten, das Sie als Ihre nächste Regiearbeit angekündigt haben?

Gibson: Es ist zu früh für Details, doch die Idee ist einfach zu verführerisch, weil es noch nie einen authentisch wirkenden Film über nordische Krieger gab. William Monahan, der Autor von The Departed - Unter Feinden, schreibt das Drehbuch - was knifflig werden dürfte, denn er liebt starke Dialoge, während ich die Story weitgehend auf der visuellen Ebene erzählen möchte.

SZ: Was ist eigentlich dran an der Legende, dass Sie Ihre erste Hauptrolle in Mad Max nur bekamen, weil sie in der Nacht davor in eine Schlägerei gerieten und plötzlich angemessen verwegen für die Rolle aussahen?

Gibson: Nun, wir werden wohl nie erfahren, ob ich die Rolle vielleicht auch ohne meine lädierte Visage bekommen hätte. Aber die Story stimmt. Wenn du dich in Australien mit Anfang zwanzig nicht auch mal prügelst, dann kann irgendwas nicht mit dir stimmen. Wobei mir einfällt: Die Presse hat mich damals schon enttäuscht. Es hieß, die Pflaster in meinem Gesicht würden die Folgen einer kosmetischen Operation verbergen. Aber sehen Sie sich meine Falten an! Ich denke gar nicht daran, mich je unters Messer zu legen. Tut bestimmt mehr weh als die Folgen eines Faustschlages.

© SZ vom 11.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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