Im Kino: Auftrag Rache:Mephisto geht fremd

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Mel Gibson spielt wieder einmal den Racheengel - doch selbst, wenn er zupackt, fehlt diese unbeherrschte, archaische Wut, die ihn einst auszeichnete.

Fritz Göttler

Mephisto geht fremd in diesem Film, er tummelt sich im korporativen Amerika, wie es sich im vergangenen Jahrzehnt so perfekt herausgebildet hat, im Schatten der neuen Weltordnung und Moral nach 9/11, in jener Dunkelzone also, in der undurchsichtige Firmenkonglomerate die Politik bestimmen, während die politische Instanz ihren Anspruch auf Kontrolle aufgegeben hat. Northmoor heißt die Firma in diesem Film, sie liegt wahrlich märchenhaft in den Bergen um Boston, und ihr Chef, der böse-charmante Danny Huston, blickt in seinem Büro durchs Panoramafenster direkt ins Flusstal. Was hier entwickelt wird, unterliegt absoluter Geheimhaltung, man hantiert nur vielsagend mit Begriffen wie schmutzige Bomben und saubere Energie.

Mephisto heißt Jedburgh in diesem Film und er wird gespielt - mit entsprechendem Akzent - vom Brit-Star Ray Winstone. Er geht fremd, weil man eigentlich nie sicher sein kann, dass dieser Jedburgh wirklich im Sinne seiner Auftraggeber handelt, Danny Hustons Firma und der Senatoren, die hinter ihr stehen. Jedburgh ist der Mann fürs Inoffizielle, für schmutzige Jobs und Aufräumarbeiten, und zwischendurch versucht er den Männern, mit denen er zu tun hat, die Konturen des Kodes zu vermitteln, nach dem er handelt.

Er tut das mit Akkuratesse und Kultiviertheit, und taucht dabei auch eines Nachts hinter dem Haus von Thomas Craven auf, der ein altgedienter Cop der Kripo von Boston ist und gerade in eine extrem persönliche Mördersuche verwickelt. Sie werden sich von da an regelmäßig treffen, in Autos oder auf einer Bank am Fluss, wo Jedburgh mit dezenten Zitaten von Diogenes und Fitzgerald operiert und versonnen an einem langstieligen Glas Rotwein nippt.

Die Kanten sind weg

Thomas Craven, das ist Mel Gibson, den man sechs Jahre lang nicht mehr auf der Leinwand gesehen hat, sechs Jahre, in denen er den wilden alten Mann markiert und dann versucht hat, den schlimmen Eindruck wieder zu verwischen, den er damit hinterlassen hat. Thomas Craven ist im Vergleich zu früheren Gibson-Helden - in Mad Max, Lethal Weapon, Payback - ein milder Charakter, die Kanten des Gesichts sind weg, und selbst wenn er energisch zupackt, fehlt jene unbeherrschte archaische Wut, die ihn einst auszeichnete.

Thomas Craven ist voll harmoniesüchtig, und die ersten Minuten des Films sind eine schöne kleine Studie zum Glück des Wiederfindens, wie einfach es ist, aber auch wie kurz und vergänglich. Die Tochter Emma (Bojana Novakovic), dem Vater entfremdet, in die Anti-Atom-Bewegung verstrickt, hat sich kurzfristig angemeldet, der Vater kauft fürs Abendessen ein, er ist natürlich zu früh am Bahnhof, sie fahren nach Hause, ob sie einen Freund hat, will er ziemlich bald wissen, er selbst ist Witwer, und dann sagt er plötzlich: You are my girl.

Und da klingt alles an, was zwischen ihnen besteht, diese Dichte und Sinnlichkeit, die nur schwer zusammenzubringen ist mit den Codes der Gesellschaft, Mel Gibson, der sich nun zu seinem Alter bekennt und noch einmal den Archetyp des patriarchalischen Amerika verkörpert. Die Tochter hat Nasenbluten, vor dem Essen bricht sie zusammen, der Vater will sie ins Krankenhaus fahren, er macht die Tür auf, ein Schuss . . .

Eine jakobinische Tragödie

Der Film entstand nach einer britischen Krimiserie der Achtziger, sechs Folgen, und Martin Campbell, inzwischen versierter Bondregisseur, hat beides gemacht, die Serie damals und nun das Gibson-Remake. Die neue Version von Edge of Darkness ist ein Krimi, ein Rachethriller, aber er lässt schnell die Genregrenzen weit hinter sich, wird desperat und mystisch. "Plötzlich erinnerte ich mich", schrieb Nick Pinkerton, Kritiker der Village Voice, "dass einer der Drehbuchautoren, William Monahan, der auch das Buch zu Scorseses Departed schrieb, in seinem Studium über die jakobinische Tragödie gearbeitet hatte." Mel Gibson und Martin Campbell nehmen das ganz ernst, diese verwinkelte love story und ihr Motto, "O Dad, wie lang hast du gebraucht, um zu mir zu gelangen . . ."

EDGE OF DARKNESS, GB/USA 2010 - Regie: Martin Campbell. Buch: William Monahan, Andrew Bovell. Nach einer TV-Serie von Troy Kennedy Martin. Kamera: Kamera: Phil Meheux. Schnitt: Stuart Baird. Mit: Mel Gibson, Ray Winstone, Danny Huston, Bojana Novakovic. Central Film, 114 Minuten.

Außerdem laufen an: Ajami, von Yaron Shani, Scandar Copti Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft, von Sacha Gervasi Ausnahmesituation, von Tom Vaughan Fall 39, von Christian Alvart Jerry Cotton, von Cyrill Boss, Philipp Stennert Parkour, von Marc Rensing Ein Prophet, von Jacques Audiard (Feuilleton Mittwoch) Teufelskicker, von Granz Henman

Im Video: Mel Gibson, Harrison Ford und Christian Ulmen: das sind nur einige Hingucker der neuen Kinowoche.

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© SZ vom 11.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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