Kolumne: Deutscher Alltag:Plusterjunge

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Mappus? Ist das ein lettischer Industrieller, ein Geograph in einem Asterix-Heft oder Häuptling der Schwaben? Wer sich in Stuttgart bedeutend fühlt, ist in München ein Fragezeichen und in Berlin ein Niemand.

K. Kister

Am späten Nachmittag gibt es in der Zeitungsredaktion eine sogenannte Titelkonferenz. Da stehen Wichtigheimer, im Verborgenen blühende Witzbolde, Schnellbeleidigte und auch ein paar normale Menschen zusammen, um Überschriften zu prüfen. Soll man sagen: "Iran überrascht den Westen" oder nicht vielleicht, eine flüchtige Inspiration archaischer Sprachmacht nutzend: "Iran überrumpelt den Westen"? Schwierige Entscheidung. Neulich stand zur Debatte: "Mappus stellt Merkel Ultimatum". Ein Redakteur bemerkte: "Mappus? Den kennt doch keine Sau." "Stimmt", pflichtete der Vielredehierarch bei, "kann man nicht machen. Kennt keine Sau." Man machte dann: "CDU-Ministerpräsident stellt Merkel Ultimatum."

"Mappus?" fragte der Redakteur - kennt keine Sau. Ist schon tragisch, dass jemand sich so kräftig aufplustert und dennoch nicht berühmt genug ist für eine Schlagzeile. (Foto: Foto: dpa)

Konsequentes Krawallieren

Ist ja schon tragisch. Da plustert sich einer mächtig auf, will der Kanzlerin ihre Grenzen zeigen, und dann weiß man nicht mal, ob Mappus ein lettischer Industrieller, ein Geograph in einem Asterix-Heft oder der aktuelle Schwaben-Häuptling ist. Nein, das liegt nicht daran, dass die Titelkonferenz-Redakteure zu doof wären. Die wissen recht gut, was man den Lesern zumuten kann. Wer sich in Stuttgart bedeutend fühlt, ist in München ein Fragezeichen und in Berlin ein Niemand.

Gerade die Fragezeichenniemands aber haben eine ausgeprägte Tendenz, Krawall zu schlagen. Mappus steht dabei in der Tradition seines Vorgängers Oettinger und nimmt sich allemal an Roland Koch ein Vorbild. Koch ist ein Beispiel dafür, dass man es vom Fragezeichenniemand durch konsequentes Krawallieren wenn schon nicht zum Ausrufezeichenjemand, so doch zum Ausrufezeichenausrufezeichen schaffen kann. "Koch stellt Merkel Ultimatum" geht als Schlagzeile genauso wie etwa "Ahmadinedschad will Atomwaffen". Auch "Koch will Atomwaffen" oder "Ahmadinedschad stellt Merkel Ultimatum" ist möglich, verständlich und glaubwürdig.

Nun gibt es Menschen, die schon als Ausrufezeichen auf die Welt gekommen sind wie etwa der letzte SED-Parteichef Gregor Gysi oder Dieter Bohlen. Mit denen könnte man immer Überschriften machen, will es aber nicht. Diese geborenen Ausrufezeichen schweben stets in der Gefahr, dass sie sich zum Fragezeichen entwickeln, gerade weil sie dauernd zuspitzen, Ultimaten stellen, welterklären. Es gibt viele berufsmäßige Widersprecher, die man nur wahrnimmt, weil sie stets für obstinate Besserwisserei gut sind, wie zum Beispiel der hochfragezeichenmäßige CDU-Mittelständler Josef Schlarmann. Zieht man in Betracht, wie diese Leute prominent geworden sind, spricht es schon wieder für den Stuttgarter Ministerpräsidenten, dass man ihn jenseits des Killesbergs für einen Letten hält.

© SZ vom 25.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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