Filmprojekt:Nicht von dieser Welt

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Tom Cruise und die Nasa planen einen Dreh auf der Raumstation ISS. (Foto: dpa)

Das Gemeinschaftsprojekt von Elon Musk, Tom Cruise und der Weltraumbehörde Nasa soll der erste Film werden, der im Orbit gedreht wird. Aber: Warum eigentlich?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wow, was für ein Stunt! Was für eine Choreographie! Was für Bilder! Das sind die Momente, in denen das Kino seine wahre Magie entfaltet: Die Zuschauer sitzen mit offenem Mund im Kinosaal, weil das, was sie da sehen, nur auf einer großen Leinwand so spektakulär, so atemraubend daherkommt, und Tom Cruise liefert zuverlässig - vor allem in dieser Actionfilm-Reihe, die nicht zufällig Mission Impossible heißt: In Fallout hüpft er vom Dach eines Gebäudes zum anderen (und bricht sich dabei den Fuß), in Ghost Protocol kraxelt er an der Außenhülle eines Wolkenkratzers, in Rogue Nation krallt er sich an der Tür eines startenden Flugzeuges fest.

Cruise ist bekannt dafür, diese Szenen selbst auszuführen und dabei möglichst auf Stuntleute und digitale Spezialeffekte zu verzichten. Nun möchte er offensichtlich, dass den Leuten im Kino der Unterkiefer ausgerenkt wird vor lauter Staunen: Die US-Weltraumbehörde Nasa bestätigte am Dienstag ein Projekt, über das in Hollywood seit Monaten spekuliert wird und an dem auch SpaceX beteiligt sein wird, die Raumfahrtfirma des Milliardärs Elon Musk: Zum ersten Mal in der Geschichte soll ein fiktiver Film komplett im Orbit gedreht werden, an Bord der internationalen Raumstation ISS.

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"Wir brauchen die Massenmedien, um junge Ingenieure und Wissenschaftler zu inspirieren, die ehrgeizigen Pläne der Nasa wahr werden zu lassen", schreibt Jim Bridenstein bei Twitter. Er ist der ranghöchste Nasa-Mitarbeiter und Berater von US-Präsident Donald Trump. Es gibt schon lange eine innige Verbindung zwischen der Weltraumbehörde und Hollywood, von der Serie Bezaubernde Jeannie über Stanley Kubricks Epos 2001: A Space Odyssee, das Space Shuttle im James-Bond-Abenteuer Moonraker und Alfonso Cuaróns Meisterwerk Gravity bis hin zum Wie-man-auf-dem-Mars-überlebt-Drama The Martian.

Diese Tradition wird nun fortgesetzt, bislang sind allerdings nur wenige Details bekannt: Der Film soll laut Informationen der Hollywood-Branchen-Nachrichtenseite Deadline kein Teil der Mission-Impossible-Reihe sein, sondern ein eigenständiges Werk. "Wir werden zu gegebener Zeit mehr über das Projekt verraten", heißt es in einer E-Mail von Nasa-Pressechef Matthew Rydin. Offenbar befindet sich der Film in der frühen Planungsphase, es sind weder Studios noch Produzenten noch ein möglicher Regisseur bekannt.

SpaceX wird am 27. Mai zum ersten Mal Astronauten der Nasa in der Rakete Crew Dragon zur ISS fliegen. Am 18. Februar hatte das Unternehmen verkündet, Ende 2021 oder Anfang 2022 vier Touristen zur Raumstation bringen zu wollen; es plant zudem einen Flug um den Mond, an Bord der Rakete Big Falcon soll sich der japanische Milliardär Yusaku Maezawa befinden.

Der wollte das Abenteuer zu einer Dating-Show ausbauen und die Suche nach einer Begleiterin in der Serie Full Moon Lovers präsentieren. Die Idee wurde ebenso verworfen wie der Plan von Produzent Mark Burnett ( Survivor, The Apprentice, Shark Tank) im Jahr 2000, den Teilnehmer einer Reality-Show zur Mir zu schicken - die russische Raumstation wurde 2001 außer Betrieb genommen. Das niederländische Unternehmen Mars One wollte über eine TV-Sendung eine Kolonie auf dem Mars finanzieren, musste jedoch im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden.

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Nun also das Projekt von Elon Musk und Tom Cruise - die beide, und das ist als Kompliment gemeint, verrückt genug sind, dass es tatsächlich klappen könnte. Der Space-X-Chef ist ein Meister in der Kunst, seine wissenschaftlichen Projekte massentauglich zu bewerben: An die Rakete Falcon Heavy ließ er beim Testflug im Februar 2018 einen Roadster seiner Elektroauto-Firma Tesla mit der Astronauten-Puppe Starman am Steuer montieren, das Fahrzeug kreist nun um die Sonne. Ein paar Monate später amüsierte sich Musk prächtig darüber, dass die Leute in Südkalifornien über ein Gebilde am Himmel spekulierten - es war die Rakete Falcon 9.

Cruise, 57, ist freilich nicht nur bekannt dafür, sich bei Dreharbeiten in gefährliche Situationen zu begeben. Er nutzt diese Sucht nach Adrenalin bei der Vermarktung seiner Filme intensiv, und das dürfte zum wahren Grund für das Projekt führen: Die Leuten haben auch über die wahnwitzigen Bilder im Weltraum-Spektakel Gravity gestaunt, als Sandra Bullock etwa die Raumkapsel besteigt, den Anzug auszieht und wie ein Baby im Bauch der Mutter schwebt. Die Szene wurde auf der Erde gedreht, dennoch war sie zauberhaft. Warum also Dreharbeiten auf der ISS?

Nun, die Nasa versucht seit einiger Zeit, die Raumstation zu kommerzialisieren - dazu gehört zum Beispiel auch Weltraum-Tourismus. Sie hat das Start-Up Axiom Space des ehemaligen Nasa-Managers Michael Suffredini damit beauftragt, Module zu entwickeln, die an die ISS gekoppelt werden können. Der französische Designer Philippe Starck, Sohn des Raumfahrt-Ingenieurs Andre Starck, ist für das Interieur verantwortlich. Das Unternehmen bietet bereits Tickets für 55 Millionen Dollar feil, das Transportmittel soll eine Space-X-Rakete sein - ein Film mit Cruise könnte das Angebot ins kollektive Gedächtnis tätowieren.

Cruise wird sich von nun an auf dieses Projekt vorbereiten, und er wird die Leute intensiv daran teilhaben lassen. Es dürften einzigartige Bilder werden, ein Beweis für die Magie des Kinos und das Zusammenspiel von Technik und Entertainment. Cruise dürfte in Geschichtsbüchern geführt werden als der Schauspieler, der die Hauptrolle im ersten Film übernommen hat, der im Weltraum gedreht worden sein wird. Auch aus PR-Sicht ist deshalb zu sagen: Wow, was für ein Stunt!

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