"Jurassic World: Ein neues Zeitalter" im Kino:Tyrannosaurus Blues

Lesezeit: 3 min

Ob dieser Dino sich die Zähne geputzt hat? DeWanda Wise und Laura Dern in "Jurassic World: Ein neues Zeitalter". (Foto: John Wilson/Universal)

Schon wieder startet eine "Jurassic World"-Fortsetzung. Warum die Dinosaurier ein Wunder der Kinokunst sind - und ihr schlimmster Fluch.

Von David Steinitz

"Jurassic World: Ein neues Zeitalter" ist der sechste Film der Dino-Reihe. Allein in den ersten paar Minuten hat man das Gefühl, mehr Dinosaurier zu sehen als im kompletten Original-"Jurassic Park" von 1993.

Im neuen Film trifft die junge Heldengeneration der letzten Folgen auf die Protagonisten der ersten Teile. Die Dinosaurier haben sich mittlerweile auf dem ganzen Globus verteilt. Eine sinistere Biotech-Firma will das neue Zeitalter mit Dino-Gen-Manipulationen für Weltherrschaftspläne nutzen. Wer angesichts dieser Synopsis darüber sinniert, ob man in Hollywood vielleicht eine Prügelstrafe für faule Drehbuchautoren einführen sollte, hat recht. Wer vollkommen zufrieden ist, wenn man mal zweieinhalb Stunden den Kopf mit donnernder Dino-Action durchgepustet bekommt, ohne sich über Löcher in der Dramaturgie Gedanken machen zu müssen, hat aber vielleicht auch recht.

Die Magie des ersten "Jurassic Park" wird sich ohnehin nie wiederholen lassen. Denn das Staunen über die Zauberkünste der visuellen Effektmagier ist längst einem müden Gähnen gewichen.

Mehr Schauplätze, mehr Figuren und mehr Showeffekte haben schon in "Faust II" nicht geholfen

Als Steven Spielberg und sein Team sich 1991 an die Vorbereitungen zur Verfilmung von Michael Crichtons Roman "Dino Park" machten, hatten in Hollywood noch die Puppenbastler das Sagen. Kleine und große Modelle waren das A und O der Tricktechnik. Das Problem: Sie sahen nie ganz echt aus. Der Puppencharakter ließ sich nicht verbergen.

Im Fachjargon nannte man das Phänomen "motion blur". Wenn ein Mensch sich vor der Kamera schnell bewegt, zum Beispiel die Arme hochreißt, wird diese Bewegung in der Aufnahme kurz unscharf, verschwimmt und sieht deshalb natürlich aus. Die Bewegungen von teils tonnenschweren Puppenmonstern aber, die mit Stop-Motion-Technik durchs Bild gehievt werden, sind vor der Kamera immer scharf und wirken deshalb unnatürlich und ruckelig.

Weshalb Spielbergs Mitarbeiter von Industrial Light & Magic zunächst versuchen wollten, die fehlende Bewegungsunschärfe der Modelle digital am Computer zu erzeugen. Bis der ILM-Tüftler Steve "Spaz" Williams ohne Erlaubnis seiner Chefs einfach mal ein ganzes T-Rex-Skelett am PC entwarf und es Spielberg und seinen Leuten zeigte. Es soll, so will es die Legende, geweint worden sein vor Glück bei der kurzen Vorführung. Und Spielberg erzählt bis heute, dass er in diesem Moment gewusst habe: Das ist die Zukunft.

In den Nahaufnahmen waren trotzdem weiterhin Modelle zu sehen, aber in der Totalen wurde vor allem mit Computeranimationen gearbeitet. Weshalb die Dinos zum Staunen der Zuschauer auf der ganzen Welt tatsächlich zum Leben erwachten, wie man es sich nie zuvor zu träumen gewagt hatte. "Jurassic Park" ist einer der prächtigsten Hollywoodfilme der Geschichte, weil man auch den Machern hinter und den Schauspielern vor der Kamera das Staunen und die kindliche Freude über dieses Wunder ansieht. Steven Spielberg hat damit die Grenzen des Kinos verschoben wie fast kein Regisseur vor oder nach ihm - gleichzeitig aber auch den Sieg der Pixelbastler über die Filmkünstler besiegelt. Die Folgen baden die Zuschauer in nahezu allen Hollywoodfilmen der Gegenwart aus.

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Die Drehbuchautoren schludern bei ihren Geschichten, die Regisseure lassen sich seltener visuelle Überraschungen einfallen, weil im Notfall ja jede Menge Schauwerte in der Postproduktion eingefügt werden können. Diese Arbeitsweise sieht man mustergültig auch in "Jurassic World: Ein neues Zeitalter" von Regisseur Colin Trevorrow. Handwerklich ist der Film makellos, die Soundeffekte, die visuellen Effekte sind alle state of the art.

In einem Kino mit guter technischer Ausstattung wird man im Sessel so kräftig durchgeschüttelt , wie es sich für einen anständigen Popcornfilm gehört. Aber ob man sich eine Woche oder gar einen Tag später noch an irgendein Detail erinnert, das sich in die Erinnerung frisst, wie es große Kinomomente unwiderruflich tun? Nein.

Mehr Schauplätze, mehr Figuren, mehr Showeffekte, diese typischen Sequel-Elemente haben ja schon in "Faust II" nicht geholfen. Und weil die ganze Erde als Schlachtfeld mit diesem Film jetzt auch abgehakt ist, gibt es nächstes Mal vermutlich "Jurassic Wars" im Weltraum. Vielleicht schaut das Alien ja vorbei.

Jurassic World: Dominion , USA 2022 - Regie: Colin Trevorrow. Buch: Emily Carmichael, Colin Trevorrow. Kamera: John Schwartzman. Mit: Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum. Universal, 146 Minuten. Kinostart: 9. Juni 2022.

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