Elgin Marbles:Stein des Anstoßes

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Ein Teil vom Fries des Parthenontempels, das sich im Besitz des British Museum befindet. (Foto: Leon Neal/AFP)

Griechenland und Großbritannien waren auf gutem Weg, den Streit über den Parthenonfries zu lösen. Nun eskaliert er erneut.

Von Tobias Zick

Es war eine andere Zeit. Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte das, was man heute Hellenische Republik oder auch Griechenland nennt, noch zum Osmanischen Reich. Und dessen Statthalter in Athen habe der Sache doch zugestimmt, hieß es später immer wieder aus London. Der dortige britische Botschafter, Lord Elgin, habe seinerzeit also völlig rechtmäßig gehandelt, als er wesentliche Elemente des Parthenon, des größten Tempels der Akropolis, nach England verschiffen ließ: unter anderem 21 Giebelfiguren sowie besonders gut erhaltene Teile des Frieses (als heutiger Baumarktkunde würde man so etwas vielleicht in der Abteilung "Zierleisten" suchen). Dort sind die Marmorskulpturen, auch Elgin Marbles genannt, seit 1816 im Besitz des British Museum.

Nun war für die Griechen damals die Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich keine ganz freiwillige Angelegenheit, weshalb eine wachsende Nationalbewegung die Gründung eines unabhängigen Staats im Jahr 1830 durchsetzte. Tragende Ideologie war der Philhellenismus - eine Rückbesinnung auf die Errungenschaften der Antike. Damit sollte auch die bis dato grassierende Wurschtigkeit gegenüber Menschheitsschätzen wie etwa den Marmorskulpturen des Parthenon ein Ende haben.

Aus heutiger griechischer Sicht steht es völlig außer Frage, dass die Elgin Marbles nach Athen gehören. Indem er diese Position jetzt in einem Interview mit der BBC darlegte, löste Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis allerdings ein diplomatisches Erdbeben aus. Sein britischer Kollege Rishi Sunak, der ihn eigentlich an diesem Dienstag zum Mittagessen in 10 Downing Street empfangen sollte, ließ das Treffen kurzfristig absagen.

Die Verhandlungen liefen in Richtung Leihverträge

Der Eklat kommt auch deshalb einigermaßen überraschend, weil sich zuvor eine behutsame Annäherung abgezeichnet hatte. Zwar beharren die Briten auf ihrer Grundhaltung, das British Museum als Schauplatz der gesamten Kulturgeschichte der Menschheit sei das einzig artgerechte Milieu für die antiken Marmorfiguren. Und nach britischem Recht dürfte man die Bestände des Museums ohnehin nicht veräußern. Um diese Hürde zu umgehen, hatten beide Seiten allerdings mögliche Arrangements auf Basis von Leihverträgen entworfen.

Mitsotakis erklärte im Anschluss an seine Ausladung, er hätte sich mit Sunak gerne direkt über dieses Thema ausgetauscht: "Wer daran glaubt, dass die eigene Haltung richtig und gerechtfertigt ist, braucht keine Angst vor Gegenargumenten zu haben." Der linke Oppositionsführer Stefanos Kasselakis sprang ihm bei: Es handle sich um eine "moralische Frage, die den schamlosen Diebstahl von Kulturgütern aus ihrem natürlichen Umfeld betrifft".

Sunak ließ verlauten, die Beziehungen seines Landes zu Griechenland seien "äußerst wichtig"; man arbeite ja etwa in der Nato und bei "gemeinsamen Herausforderungen wie illegaler Migration" zusammen. Über all das hätte man ja reden können - sein Stellvertreter wäre durchaus zu einem Treffen mit Mitsotakis bereit gewesen. Diese Ersatzlösung hatte der griechische Regierungschef abgelehnt - und per offizieller Erklärung nochmals seine "Verärgerung" bekräftigt.

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