Comic:Muscheln, Münzen, Bitcoins

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(Foto: N/A)

Vitali Konstantinov erzählt in seinem Comic die Geschichte des Geldes mit witzigen Bildern und in klugen Sprechblasen.

Von Nikolaus Piper

Vor ein paar Jahren drehte der amerikanische Regisseur Ridley Scott einen Gangsterfilm mit dem Titel "Alles Geld der Welt" ("All the Money in the World"). Scott erzählt darin die Geschichte der Entführung von John Paul Getty III im Jahr 1971, dem Enkel des ebenso geizigen wie hartherzigen Ölmagnaten Paul Getty. Es ist wohl bloß ein Zufall, dass der Zeichner und Illustrator Vitali Konstantinov sein neues Geldbuch für Kinder und Jugendliche genau so genannt hat: "Alles Geld der Welt". Trotzdem sieht es fast wie gewollt aus, denn der Sachcomic, thematisiert immer wieder, was Geld in den Händen böser Menschen anrichten kann. Den Einband ziert ein dickes Schwein mit einer gangstermäßigen Sonnenbrille und einem goldenen Dollarsymbol als Halsschmuck. Der Autor, 1963 nahe Odessa in der damals sowjetischen Ukraine geboren, berichtet von sich selbst, er sei "im Sinne des Kommunismus erzogen und ausgebildet" und dann in den "wilden Raubtierkapitalismus der Perestroika geworfen" worden. Seit 1996 lebt er in Deutschland, in der "sozialorientierten Marktwirtschaft des Bundeskapitalismus".

Distanzierte Ironie, leicht antikapitalistisch angehaucht, zieht sich durch das ganze Buch, durch Wimmelbilder und Sprechblasen. Das ist kein Fehler. Geld ist zwar eine ernste Angelegenheit, aber man muss nicht unbedingt todernst davon erzählen, auch wenn man ein wenig dem systemkritischen Zeitgeist folgt. "Ohne Geld keine Welt?", fragt Konstantinov zu Beginn, um dann ein vergnügtes Schwein erklären zu lassen: "Geld ist ein System gegenseitigen Vertrauens." Der reichlich abstrakte Satz ist tatsächlich von zentraler Bedeutung, wenn man sich dem Phänomen Geld nähern will. Warum in einem Comic also nicht ein Schwein zu Hilfe nehmen, wenn sonst nur hochmögende Denker zu Wort kommen: Aristoteles etwa, John Locke, der chinesische Kaiser Qin Shi Huang Di oder auch Karl Marx. Der sitzt vor einem Teller Kartoffeln und einem Glas Wein und erklärt, Geld sei ein "Kuppler zwischen dem Bedürfnis und dem Gegenstand".

Konstantinov erzählt seine Geldgeschichte im Übrigen nicht nur aus dem Blickwinkel der Ökonomie, sondern vor allem aus dem der Numismatik, der Lehre von den Formen also, die Geld annehmen kann: Muscheln kommen vor, Steine, Wampums, Gold- und Silbermünzen, bedrucktes Papier, Kreditkarten und Kryptogeld. Der Weg vom Tauschhandel über die Anfänge des Geldwesens bis zur heutigen hochkomplexen Weltwirtschaft lässt sich anschaulich erzählen. Und natürlich gehören dazu auch Gangster - Räuber, Schwindler, Betrüger und Geldfälscher.

Witzige Bilder und kluge Sprechblasen machen den Comic eigentlich zu einem guten, unterhaltsamen Buch für ältere Kinder, Jugendliche und sogar Erwachsene. Eigentlich, denn "Alles Geld der Welt" hat einen großen Nachteil: Es ist streckenweise überfrachtet mit Details, die in keinen Zusammenhang gestellt werden und daher für Laien kaum zu verstehen sind. Ein Beispiel ist die Geldschöpfung durch die Banken, ein wichtiges Thema, das im Alltag zu vielen Missverständnissen führt. Der Autor bemüht sich, den Vorgang mit witzigen Zeichnungen verständlich zu machen. Der Versuch misslingt, weil der Platz nicht reicht. Wie bei der Geschichte des Freigeldes und seines Erfinders Silvio Gesell. Dessen Ideen und ihre Nachwirkungen bis in die Gegenwart sind nur vor ihrem historischen Hintergrund zu verstehen, der Weltwirtschaftskrise. Aber die kommt an dieser Stelle nicht vor. Ein paar Informationsschnipsel weniger und dafür deutlich mehr erzählte Zusammenhänge - dann wäre "Alles Geld der Welt" ein ideales Wirtschaftsbuch für junge Leute. (ab 10 Jahre)

Vitali Konstantinov: Alles Geld der Welt. Gerstenberg, 2022. 79 Seiten, 26 Euro.

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