"Bob Ross: Glückliche Unfälle, Betrug & Gier" bei Netflix:Malen für Zahlen

Lesezeit: 3 min

Mit seiner Afro-Frisur wurde Bob Ross berühmt, in der ersten Lebenshälfte trug er aber eine Elvis-Tolle. (Foto: Netflix)

Die Doku "Bob Ross: Glückliche Unfälle, Betrug & Gier" erzählt vom Streit ums Millionenerbe des berühmten TV-Malers.

Von David Steinitz

Ein Grund für die Beliebtheit des TV-Malers Bob Ross sei seine sanfte Stimme gewesen - er habe im Fernsehen immer so geklungen, als würde er gerade mit einer Frau im Bett liegen.

Das sagt seine ehemalige Geschäftspartnerin Annette Kowalski, und sie könnte wissen, wovon sie spricht: Sie soll eine Affäre mit Ross gehabt haben, obwohl beide mit anderen Partnern verheiratet waren. Sie soll aber auch nach Ross' frühem Tod - er starb 1995 mit 52 Jahren an Lymphdrüsenkrebs - dessen Nachlass gegen seinen Willen zu einem Bob-Ross-Devotionalienhandel ausgebaut haben.

Mit seinem Namen und seinem Gesicht, mit Tassen und T-Shirts, Farben und Pinseln und angeblichen Originalgemälden verdient sie bis heute jedes Jahr Millionen Dollar. Und zwar gegen den Willen des Verstorbenen. Das zumindest sagt sein Sohn im Dokumentarfilm "Bob Ross: Glückliche Unfälle, Betrug & Gier", der auf Netflix zu sehen ist. Darin erzählt der Regisseur Joshua Rofé aus der Perspektive des Sohnes vom erbitterten Streit ums Erbe der TV-Ikone.

Auf dem Sterbebett wollten die Geschäftspartner ihn dazu bringen, die Rechte an seinem Namen abzutreten

Steve Ross, 55, trat schon als Jugendlicher in "The Joy of Painting" auf, der Sendung seines Vaters. Die Serie, von der es 403 Episoden in 31 Staffeln gibt, war nicht nur in den USA, sondern weltweit ein Hit. Bis heute läuft sie auf vielen Sendern in nächtlicher Dauerrotation. Bis heute tourt Ross' Sohn durch Amerika und lehrt Landschaftsmalerei nach der Nass-in-Nass-Technik, die sein Vater unter Tausenden Hobbymalern populär machte, die ihn verehren wie einen Guru. Bob Ross, berichten begeisterte Jünger im Film, habe sie mit seinen Malkursen, mit Motiven von Bäumen und Wolken und Bergseen, aus tiefen Depressionen und Lebenskrisen gerettet.

Ross' Lieblings-Landschaftsmotive stammen aus Alaska, wo er als junger Mann viele Jahre auf der Eielson Air Force Base als Sergeant stationiert war. Damals, so zeigen es Fotos im Film, trug er noch nicht seinen legendären Afro, sondern eine veritable Elvis-Tolle. Die Leidenschaft fürs Malen verspürte er schon früh, und nachdem er seine Militärkarriere beendet hatte, wollte er die Malerei unbedingt in den Mittelpunkt seinen Lebens rücken.

Zunächst schlug er sich als Kunstlehrer und Vertreter für Malbedarf entlang der Ostküste durch. Sein Vorbild wurde der deutsche Exilant und Maler William "Bill" Alexander, der beim US-Sender PBS die Sendung "The Magic of Oil Painting" moderierte. Zu dieser Zeit lernte Bob Ross das Ehepaar Annette und Walter Kowalski kennen, und die beiden erkannten sein Potenzial: Weil die anderen TV-Mallehrer meist streng didaktisch auftraten, wurde ihnen schnell klar, dass der freundliche, lebensfrohe, ruhige Ross ein viel besserer Moderator sein würde.

Bob Ross' Sohn Steve lehrt bis heute die Nass-in-Nass-Maltechnik, für die sein Vater sich so begeisterte. Nur von dessen Erbe hat er leider nichts abbekommen, sagt er. (Foto: Netflix)

Und Bob Ross, der seinen kleinen Sohn aus erster Ehe und seine zweite Ehefrau gut versorgt wissen wollte, war einem Karriereschub durchaus zugetan. Auch die Öffentlichkeit scheute er nicht, er trat gern vor Publikum auf. Ross, seine Frau und die Kowalskis schlossen einen Vertrag ab, in dem sie als vier gleichberechtigte Geschäftspartner besiegelten, ihn gemeinsam zum Fernsehstar zu machen. Was dann ja auch mit minimalem Aufwand - schwarzer Hintergrundvorhang, eine Staffelei - zum großen Erfolg führte.

1983 ging "The Joy of Painting" auf Sendung und wurde ein Hit. Nach einigen Jahren, so deuten es der Sohn und einige von Ross' Weggefährten in Interviews in der Dokumentation an, habe es aber bereits Meinungsverschiedenheiten über die künftige Ausgestaltung des Bob-Ross-Imperiums gegeben. Während der Künstler selbst sich am liebsten auf seine Malkurse und seine Sendung konzentriert hätte, von der er oft drei oder mehr Folgen pro Tag aufnahm, schwebte den Kowalskis Größeres vor. Bob Ross als wandelnde Marke auf möglichst vielen Lizenzprodukten. Der Film porträtiert sie als skrupellose Geschäftemacher, die alle Konkurrenten aggressiv attackierten.

Weshalb die Nachricht, dass Ross an Krebs erkrankt war, für sie vor allem eine ökonomische Hiobsbotschaft gewesen sein soll. Das Ehepaar kommt im Film nur in Archivaufzeichnungen vor. Sie verweigerten eine Teilnahme vor der Kamera und leugnen lediglich schriftlich, dass Annette Kowalski jemals eine Affäre mit Ross gehabt habe und dass es kurz vor seinem Tod zum Zerwürfnis gekommen sei. Auch ein gutes Dutzend anderer Beteiligter wollte laut den Filmemachern nicht mitmachen - aus Angst, von den Kowalskis verklagt zu werden, was wohl oft vorkommt.

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Als dann der Vater im Sterben lag, sagt der Sohn, hätten die Kowalskis ihn gebeten, Ross eine Unterschrift abzuringen, um alle Rechte an seiner Person übertragen zu bekommen. "Man will mir auf dem Sterbebett meinen Namen stehlen", habe Bob Ross entsetzt gerufen. Die Kowalskis kamen nicht zu seiner Beerdigung.

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Warum sie trotzdem bis heute die Rechte an seinem Namen halten und Chefs der Bob Ross Incorporation sind? Ob sie tatsächlich Bilder, die Ross gar nicht gemalt hat, als seine verkaufen? Diesen Fragen gehen die Filmemacher akribisch nach. Die ganze Geschichte ist rechtlich ziemlich verworren und letztlich vielleicht nicht ganz so skandalös, wie der Film es streckenweise darstellt.

Trotzdem ist die Dokumentation ein schönes Porträt des Malers, dessen Gesicht jeder Mensch kennt, der nachts mal nicht schlafen konnte und den Fernseher eingeschaltet hat. Und dass ausgerechnet der sanfte Bob Ross im echten Leben gerne mit seiner Corvette jede Geschwindigkeitsbegrenzung missachtet hat, ist ja auch schön zu erfahren.

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