Wahlkampf:Herrschen vor Hintergrund

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(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa Stefan Sauer/dpa Kay Nietfeld/dpa)

Kann es sein, dass die visuelle Kommunikation der Kanzlerkandidaten gerade von der jeweiligen Konkurrenz betrieben wird? Über einen Wahlkampf der Fotokatastrophen.

Von Peter Richter

Kurze Zwischenfrage, liebe Union: Was macht denn Armin Laschet vor dem Müllhaufen da? Was möchte dieses Bild uns sagen? Dass er nun nicht mehr für das Kanzleramt kandidiert, sondern für eine Rolle bei "Die Ludolfs - vier Brüder auf'm Schrottplatz"? Oder soll der Hintergrund den Zustand seines ursprünglichen Wahlkampfkonzepts darstellen? Es ist ja kein zufälliger Schnappschuss, sondern stramm durchinszeniert.

Irgendwer hat extra ein Rednerpult mit dem Landeswappen für den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen so aufgebaut, dass exakt dort exakt dieses Bild entstehen möge. Der Aufwand ist kaum geringer als bei Barockmalern, wenn sie hinter Herrscherfiguren ganz ähnliche Anhäufungen aus Säulen, Samt und Symbolischem drapiert haben. Seitdem weiß man doch, dass ein Porträt entweder einen neutralen Hintergrund hat - oder der Hintergrund zur entscheidenden Botschaft wird. Die also wäre hier?

Würde Wüst wohl nie machen: Sein Vorgänger als Ministerpräsident, Armin Laschet, im August 2021 im Überschwemmungsgebiet - vor interpretationsoffener Kulisse. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Oder ist die Frage falsch gestellt, weil sie eigentlich an jemand anderen gehen müsste? Anders gefragt also: Kann es sein, dass die visuelle Kommunikation der drei Kanzlerkandidaten gerade von den Wahlkampfzentralen der jeweiligen Konkurrenz übernommen wird? Es macht seit einiger Zeit stark den Eindruck.

Vor allem der Kandidat der Union ist ganz offensichtlich ein Hauptopfer visueller Kriegsführung seit diesen unseligen Bildern aus der Flutkatastrophe, auf denen er hinten herumfeixt wie beim Karneval, während vorne Steinmeier staatstragend spricht. Man weiß nur, dass eine Frau dort ausgesprochen komische Bemerkungen gemacht haben soll. Solange dem Publikum aber nicht enthüllt wird, wer diese Dame war (und wie dieser offensichtlich ja wirklich sehr witzige Witz ging, den sie da erzählt hat), muss man von einer Art Mata Hari im Auftrag der SPD ausgehen.

Wie das Bild "Erstkommunion anämischer junger Mädchen im Schnee" - nur halt in Grün

Oder jetzt wieder das Bild von Laschet bei diesem Regentermin im Flutgebiet: Katastrophenfotos werden zu Fotokatastrophen. Dass er die Hände in die Manteltaschen stopft, während er mit den Leuten spricht, ist eine Sache und soll vielleicht eine Volksnähe der schlechten Manieren ausdrücken. Aber da ist ja noch dieser junge Personenschützer, der Laschet dabei einen Regenschirm über den Kopf hält, dem klagenden Flutopfer aber nicht, sodass ein astreines Symbolbild herauskommt: "Der Bürger wird im Regen stehen gelassen." Und dieser Personenschützer schaut nun einmal auch wegen seiner dubiosen Pferdeschwanzfrisur eher danach aus, als habe sich da ein frecher Aktivist aus der "Grünen Jugend" in das Foto geschlichen.

Herrscherfiguren vor Hintergrund II: Annalena Baerbock und Robert Habeck mit Wald, monochrom grün. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Umgekehrt kann es aber auch nicht wirklich im Sinne der Grünen sein, dass wir diese Woche Annalena Baerbock und Robert Habeck beim seligen Versinken in einem Brandenburger Moor zusehen mussten. Das Bild, das dabei entstand, war im Prinzip das gleiche wie das, mit dem der französische Humorist Alphonse Allais einst die monochrome Malerei begründete - ein weißes Blatt Papier mit dem Titel "Erstkommunion anämischer junger Mädchen im Schnee". Nur halt in Grün.

Wo so die Kontraste rausgedreht werden, soll offenbar niemand an etwaige Konflikte denken.

Woran man bei dieser meist anhimmelnd unscharf durchs raschelnde Gras aufgenommenen Harmonie-Inszenierung tatsächlich denkt, sind allerdings eher die verschwiemelten Softpornobilder des sogenannten Lolita-Fotografen David Hamilton, Bilitis 90/Die Grünen sozusagen: Werden die beiden sich gleich in Zeitlupe in die Arme fallen? So sieht das jedenfalls aus. Soll das auch so aussehen? Ob das vielen der strengen 16-Jährigen zusagt, die diese Partei als Zielgruppe anpeilt und mit dem Wahlrecht ausstatten will, muss fürs Erste dahingestellt bleiben. Wer diese Partei eher nicht für voll nimmt und aktuell schon wählen darf, dürfte sich durch diese Bilder aber erst recht bestätigt fühlen.

Herrscherfigur vor Hintergrund III: Olaf Scholz mit Strandkorb, gestreift. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Sitzt Olaf Scholz wiederum deshalb auf aktuellen Bildern so vergnügt in einem rot gestreiften Strandkorb? Schönes Sinnbild für das Abwartende, geruhsam alle Stürme einfach Aussitzende des SPD-Wahlkampfs - wobei jeder, der schon mal in einem Strandkorb saß, auch weiß, wie schwer es ist, da jemals wieder rauszukommen, wenn man erst einmal die Füße hochgelegt hat. Aber immer noch besser als Scholz in Action, wenn er sich selber aussuchen durfte, was er anzieht. Denn bloß weil ein knackend weißes Businesshemd im Strandkorb vielleicht etwas, man könnte sagen: steif wirkt, sieht es noch lange nicht dynamischer aus, wenn der Finanzminister dafür beim Besuch der Hochwasseropfer die Gesundheitsschuhe, Jeans und Regenjacke eines Ostsee-Urlaubers beim Strandspaziergang anhat. Es sieht vielmehr aus wie: Termine verwechselt.

Auch als Scholz neulich bei seiner doch eher offiziösen Washington-Reise im entschieden schlabbernden Freizeitlook, im Grunde einem Schlafanzug, aus dem Flugzeug stieg, warf das vor allem die Frage auf, ob er dafür zu Hause im Bett womöglich Smoking trägt.

Zumal dort, in den USA, am besten zu lernen gewesen wäre, wie "casual" richtig geht - und wann es angemessen ist. Barack Obama, der gewiefte Styler, hat das so perfekt verstanden wie kaum einer vor ihm. Es gab und gibt praktisch kein peinliches Bild von ihm. Und diese absolute Beherrschung der eigenen Persona und der Bilder davon war gerade in seinem Fall keineswegs nur eine Sache persönlicher Eitelkeit. Sie war politisch elementar. Selbst bei Trump hatte man immer das Gefühl, dass er auch seine clownesken Aspekte ganz genauso gewollt, kalkuliert und im Griff hatte, einschließlich der schlimmen, signalroten Da-geht's-runter-Pfeile, die dieser Mann anstelle von Krawatten trug; deswegen ließ er schließlich sein Sakko auch beim Stehen ständig offen.

Niemand, nicht einmal ein Parteifreund, kann einem Politiker je so gefährlich werden wie ein Fotograf

Politiker seien aber doch auch nur Menschen, heißt es dann oft. Das trifft allerdings auch auf Fotografen zu, und die können manchmal ganz schön unbarmherzige Menschen sein. Politiker wiederum sind daher Menschen, die aus beruflichen Gründen wissen sollten, dass ihnen niemand, nicht einmal ein Parteifreund, je so gefährlich werden kann wie ein Fotograf, der genau dann abdrückt, wenn zufällig alles das schön sinnfällig zusammenkommt, was nach Ansicht der Gegner ohnehin gegen einen spricht. Aber wenn Fotografen derart dazu eingeladen werden, kann man ihnen auch keinen Vorwurf machen.

Vor einer Wahl, bei denen es vielen im Land wesentlich darauf ankommt, welcher der drei Kanzlerkandidaten es hoffentlich nicht wird, könnte das am Ende noch eine gute Nachricht für die Liberalen sein, die einfach nur stillhalten müssten, weil sie schließlich gar keinen Kandidaten in diesem Sinne haben. Es sei denn, Christian Lindner machte sich noch zu einem, indem er, sagen wir, herzförmige Geschenkbrezeln mit FDP-Schleifchen in die Kamera hält oder in aprikosenfarbenen Poloshirts posiert wie einer, der auf dem Weg zum Golfplatz bisschen flott wirken ... Sekunde ... Zuruf aus der Bildredaktion in diesem Moment ...

Christian Lindner mit Herz aus Lauge. (Foto: Steffi Adam/imago images/Future Image)

Habe er soeben erledigt. Im Sinne eines fairen Wahlkampfs ist das wirklich anständig.

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