Interdisziplinäres Trend-Studium:Experten für Wasser sind gefragt

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Die Renaturierung von Gewässern kann ein Thema sein, auf das sich Fachkräfte für Wasser- und Bodenmanagement spezialisieren. Die Aufnahme zeigt eine spezielle Art von Grünalgen, die im Süßwasser und im Meer vorkommt. (Foto: Marek Mis/Mauritius Images)

Absolventen der Wasserwirtschaft arbeiten in verschiedenen Berufsfeldern. Manche spezialisieren sich auf Trinkwasser, andere auf Hochwasser-Risiken. Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Von Joachim Göres

"Was kann man machen, um die Risiken des Klimawandels zu minimieren?" Eine Frage, die sich Sophia Stobinski in ihrem Studium häufig stellt. Die 26-Jährige studiert im siebten Semester an der staatlichen Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Wasser- und Bodenmanagement. "Wir haben uns auch mit dem Thema Hochwasserrisiko beschäftigt", berichtet Stobinski von einem der vergangenen Semester. Sie lernte Computerprogramme kennen, mit denen man Überflutungen berechnen und darstellen kann, machte sich mit der Arbeitsweise von Regenwasserrückhaltebecken vertraut und diskutierte in Online-Seminaren, was zu tun ist, wenn Hochwasser auftreten. Das Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist für sie keine Überraschung: "Immer mehr Flächen sind versiegelt, der Boden kann die Wassermassen nicht aufnehmen. Dürre und Starkregen werden zunehmen. Diese Aktualität macht das Studium so interessant."

Stobinski belegte auch Module zu Themen wie Stadtentwässerung, landwirtschaftlicher Wasserbau, Altlastensanierung, Baubetrieb und Projekt-Management sowie verschiedene Wahlfächer. "Für mich ist das die richtige Mischung aus Naturwissenschaft und Technik. Und ich wollte keine große Uni mit Massenseminaren, deswegen habe ich mich für Suderburg entschieden", sagt Stobinski. Die Ostfalia betreibt zudem Campusse in Wolfenbüttel, Wolfsburg und Salzgitter.

Auch Laborpraktika und Exkursionen zu Kläranlagen gehören zum Studium

Suderburg? Die zum Landkreis Uelzen gehörende niedersächsische Gemeinde zählt rund 4500 Einwohner und 1400 Studierende. "In unseren Veranstaltungen sind wir oft nur 20 Personen, da kann man immer Fragen stellen, was ich mich in größeren Gruppen nicht trauen würde. Hier ist alles klein und familiär, wie in der Schule, ich fühle mich sehr wohl", sagt Stobinski. Ein weiterer Grund für die Wahl ihres Studienorts ist der hohe Praxisanteil. Dazu gehören Laborpraktika: In Bodenkunde analysiert man eine selbstgenommene Probe und bestimmt die Bodenart. In Geotechnik untersucht man die Lagerungsdichte und Bodenfeuchte der Erde. In Wasseranalytik steht die Bestimmung von Proben aus Fließgewässern auf dem Programm. Zum Praxisbereich gehören auch Exkursionen, etwa zu Kläranlagen. "Wegen Corona war leider eine geplante Fahrt nach Duisburg abgesagt worden", sagt die angehende Umweltingenieurin. Umso mehr hätten sich die Studentinnen und Studenten dann auf eine Exkursion nach Helgoland mit dem Schwerpunkt Gesteinskunde gefreut, ergänzt sie mit Blick auf die Rückkehr zu mehr Normalität im Studentenleben. Sieben Semester dauert in Suderburg das Studium, an dessen Ende nach einem 14-wöchigen Praktikum in einem Betrieb die Bachelor-Arbeit steht. Und wie geht es danach für Sophia Stobinski weiter? "Ich kann mir einen Beruf im Bereich Gewässerschutz oder Altlastensanierung vorstellen. Es gibt für Absolventen sehr viele Angebote."

Vor allem Behörden und kommunale Unternehmen werben um Fachkräfte. An dem einen Ort wird ein Bauingenieur mit Schwerpunkt Siedlungswasserwirtschaft gesucht, an dem anderen eine Fachdienstleitung für die Abteilung Wasser, Boden und Abfall. Oder ein Projektleiter Bau- und Sanierungsprojekte in der Abwasserreinigung - dies sind nur wenige Beispiele für typische ausgeschriebene Stellen, die sich an Frauen und Männer richten. Wobei in der Praxis bisher Männer in der Wasserwirtschaft dominieren: Nach einer Umfrage der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) von 2019 starteten 450 Frauen und 580 Männer mit dem Studium der Wasserwirtschaft. Doch im Beruf findet man deutlich weniger weibliche Fachkräfte, von den DWA-Mitgliedern sind nur 17 Prozent Frauen. Das will der Verband ändern, nicht zuletzt wegen des wachsenden Fachkräftemangels. So heißt es im DWA-Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2020: "Mittlerweile ist zu beobachten, dass auch die Absolventen der wasserwirtschaftlichen Studiengänge weniger werden."

Ein breites berufliches Betätigungsfeld - damit wirbt der Bachelor-Studiengang Ressourcenmanagement Wasser an der Hochschule für angewandte Wissenschaft Rottenburg um Studierende. Derzeit bekommt jeder Bewerber einen Studienplatz. Absolventen sind nach Angaben der württembergischen Hochschule unter anderem im Naturschutz (etwa bei der Gewässerrenaturierung), im Umweltschutz (im Hochwasserrisiko-Management), im nachhaltigen Tourismus (beim Wassertourismus), in der Siedlungswasserwirtschaft (bei der Versorgung mit Trinkwasser, der Entsorgung des Abwassers und dem Umgang mit Niederschlagswasser) und in der öffentlichen Verwaltung gefragt.

Dahin zieht es auch Alexander Groß. Er hat vor Kurzem an der Rottenburger Hochschule seine Bachelor-Arbeit abgegeben, für die er einen Gewässerentwicklungsplan für einen Bach im Landkreis Freudenstadt aufstellte. Groß ist erst Anfang 20 und will nun an der Hochschule Karlsruhe das dreisemestrige Master-Studium Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Wasserwirtschaft beginnen. "Ich möchte noch einen breiteren Überblick über das Fachgebiet bekommen", sagt er. Groß hat in München im Wasserwirtschaftsamt sein Praxissemester absolviert. In dieser Zeit konnte er eigene Projekte durchführen wie zum Beispiel die Analyse von Schwachstellen an den Hochwasserrückhaltebecken im Landkreis Freising. "Das ist ein interessanter Arbeitsbereich in einer Behörde gewesen", sagt Groß. Um dort später wie von ihm angestrebt als Abteilungsleiter arbeiten zu können, braucht er einen Master-Abschluss.

Auf den Berufsalltag sieht er sich schon jetzt gut vorbereitet: "Ich arbeite neben dem Studium als Werkstudent in einem Ingenieurbüro mit Schwerpunkt Trinkwasser. Dabei merkt man, dass man viele Inhalte aus dem Studiengang auch in der Praxis gebrauchen kann." Groß hat in Rottenburg einst mit 30 Kommilitonen als Erstsemester begonnen, jetzt sind sie noch 20 bis 25 Studierende im siebten Semester. "Zu Beginn tun sich einige mit Mathematik, Physik oder Chemie schwer. Diese Hürde muss man überstehen", sagt Groß. Neben diesen drei Fächern werden in den ersten beiden Semestern Grundlagen in Zoologie und Ökologie, Statistik, Hydrologie, Botanik, Geografie und Fachenglisch vermittelt. Mit Vor- und Nachbereitung sollte man dafür 40 Wochenstunden einplanen.

Die Hochschule Rottenburg will auch Wasserexperten für die Entwicklungszusammenarbeit ausbilden. Dafür gibt es Kooperationen mit Universitäten in Burundi und Venezuela für ein Auslandssemester. Wegen Corona war dies in letzter Zeit allerdings nicht möglich. "Wenigstens hatten wir im vergangenen Semester trotz der Pandemie drei Präsenzwochen, und es fand nicht alles online statt", sagt Groß und fügt hinzu: "Aus meinem Wohnheim sind viele zurück zu ihren Eltern gezogen, aber ich war froh, dass ich im Wohnheim geblieben bin und direkten Kontakt zu anderen Studierenden hatte."

Manche bekommen schon während der Ausbildung Job-Angebote

Soll man sich eher für eine Hochschule oder eine Universität entscheiden? Markus Wallner, Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der Ostfalia, empfiehlt: "Ich habe vor Suderburg an der Uni Hannover Wasserwirtschaft gelehrt und sehe keine großen Unterschiede. Wer mehr an der Praxis interessiert ist, für den ist die Hochschule eher geeignet, an der Uni kann man mehr vertiefen und forschen." Wallner weiß, dass viele Studierende eher die Frage Bachelor oder Master beschäftigt. "In Suderburg bekommen schon während der Bachelor-Arbeit viele Studierende Stellenangebote. Wer übergeordnet arbeiten, Konzepte entwickeln und Führungsaufgaben übernehmen will, für den ist ein Master sinnvoll."

Der Experte für urbane Sturzfluten spricht von einem konstanten Interesse an seinem Studiengang: "Die junge Generation macht sich angesichts des Klimawandels Gedanken über die Umwelt und die Suche nach nachhaltigen Lösungen. Dazu können wir an der Hochschule einiges beitragen." Auch andere aktuelle Probleme werden in Suderburg angegangen. Wallner leitet seit Kurzem ein Projekt, in dem Wasserproben aus Klärwerken genommen werden, um die Corona-Viruslast zu analysieren und dadurch möglicherweise Vorhersagen über die Entwicklung der Pandemie in einer bestimmten Region treffen zu können.

Die Homepage der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) bietet zahlreiche Informationen zum Thema Wasserwirtschaft. Dort kann man interne wie externe Stellenangebote abrufen. Laut dem Portal Studis-online lässt sich Wasserwirtschaft auch an den Universitäten Dresden und Duisburg-Essen sowie an den Hochschulen Hof, Koblenz, Magdeburg-Stendal und Weihenstephan-Triesdorf studieren. Wasser- und Bodenmanagement wird auch an den Unis Cottbus-Senftenberg, Freiberg, Hannover, Köln, Oldenburg und Stuttgart sowie an der Hochschule Potsdam angeboten.

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