SZ-Leserdialog:Über Liebesbriefe und Hassmails

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Es ist tatsächlich eine Herausforderung, Zuschriften zeitnah zu beantworten. (Foto: Dirk Schmidt)

Korrekturen, Anregungen, Kritik: Täglich erreichen die SZ-Redaktion mehrere Hundert Zuschriften. Was passiert eigentlich mit ihnen?

Von Alexandra Föderl-Schmid

Mit einigen habe ich mehr Kontakt als mit meinen Verwandten. Ich kenne die Einwürfe der Frau, die Vorlieben des Hundes und vor allem ihre Sicht auf die Welt: Es gibt Leser, die schreiben gleich mehrmals jede Woche einen Brief. Meistens mit der Hand, gestochen scharf - in jeder Hinsicht. Es gibt keinen Kommafehler, der nicht entdeckt wird. Und kein Bruch der Rechtschreibregel, der nicht auffällt. "Wir haben so kluge und gut informierte Leserinnen und Leser", meint Christian Mayer, der von den kundigen Rückmeldungen zu seinem Porträt über den Baron Münchhausen berichtet. Eine Leserin habe so viel über die historische Figur des "Lügenbarons" gewusst, sodass sie vielleicht sogar die geeignetere Autorin gewesen wäre.

Überhaupt die Historienseite: Wer aus Geschichte Geschichten macht, weiß: Es gibt immer Zuschriften. Die einen sind mit Interpretationen nicht einverstanden, den anderen fehlt dieses oder jenes Detail, und wiederum manche stellen Zitate und - logisch - Jahreszahlen auf den Prüfstand. Dabei gibt es für diese Seite einen fixen Fakten-Checker, einen historisch versierten Kollegen, der vor der Veröffentlichung noch einmal alles prüft und dann Fragen schickt: So auf zwanzig kommt er zumindest bei mir jedes Mal. Da werden Zitate hinterfragt, historische Vergleiche angestellt und vor allem Jahreszahlen gecheckt. Vor so manch peinlichem Fehler wurde ich da schon bewahrt, aber immer - wirklich immer - entdecken Leser Ungenauigkeiten und fangen dann auch gerne eine Debatte an.

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Da muss man sich auf längere Ausführungen einlassen. Es flattern dann mehrseitige Briefe oder längere E-Mails ins Haus. Die zu beantworten braucht Zeit. Das dauert länger, manchmal bedarf es dann auch der Hilfe der Kolleginnen und Kollegen vom DIZ, des Dokumentations- und Informationszentrums, die in Artikeln, Fachzeitschriften und Archiven wühlen, um Sachverhalte zu klären oder zu erklären. Oder um Ungereimtheiten aufzuklären.

Nicht jeder Leser bringt die Geduld auf, schickt dann Mahnungen hinterher oder macht seine Zurufe gleich als offenen Brief öffentlich. Es ist tatsächlich eine Herausforderung, Zuschriften zeitnah zu beantworten. Denn das kommt zusätzlich zur täglichen Arbeit, die einen manchmal schon zu neuen Recherchen und Themen geführt hat.

Täglich erreichen die SZ mehrere Hundert neue Zuschriften

Und es kommen täglich mehrere Hundert neue Schreiben allein in unserem zentralen E-Mail-Postfach an. Es obliegt den Kolleginnen, die sich tagtäglich darum kümmern, die Zuschriften von Leserinnen und Lesern herauszufiltern aus der Flut von Einladungen und Pressemitteilungen, die ebenfalls dort landen. Dann werden die Reaktionen weitergeleitet: direkt an die Autorinnen und Autoren und an das dafür zuständige Forum, wo sich wiederum Kolleginnen und Kollegen damit beschäftigen und überlegen, welche Zuschriften am Ende auch auf der Leserbriefseite veröffentlicht werden.

Es ist dem eingeschränkten Platz auf einer Seite geschuldet, dass von den mehreren Hundert Leserbriefen, die jede Woche an die Redaktion geschickt werden, nur ein Bruchteil publiziert werden kann - was aber dennoch manche empört, warum nicht ihr Schreiben ausgewählt wurde. Einige vermuten dahinter Zensur oder den kritisierten SZ-Kollegen oder die -Kollegin.

Gleiches gilt für die Online-Kommentare, in denen die Meinungen von SZ-Autorinnen und -Autoren hinterfragt werden. Online-Kommentare, die unter ausgewählten Artikeln gepostet werden können, sind - wie auch Leserbriefe - integraler Bestandteil des Anspruchs der SZ, mit ihren Leserinnen und Lesern in einen Dialog zu treten. Kritische Anmerkungen finden auch direkt den Weg in die Redaktion. Da wird uns der Spiegel vorgehalten.

"Allen Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann."

So gab es während der Pandemie Zeiten, in denen uns sehr viel Unmut erreicht hat: Das betraf unsere Berichterstattung, aber auch die Regelungen der Regierung. Nicht immer ist es einfach, auf diese Kritik einzugehen. Es gibt auch manchmal am gleichen Artikel Kritik, die sich widerspricht: In dem Fall gilt der Spruch meiner Großmutter: "Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann."

Schwierig bis unmöglich wird es, wenn nicht einmal das Bemühen um einen konstruktiven Austausch vorhanden ist, sondern die E-Mail ohne Anrede beginnt und vor allem aus Beschimpfungen besteht. Auch das gibt es: übelste Zurufe, die sich ausschließlich an Frauen richten. Und das kann bis zu Morddrohungen reichen. Nach einem Kommentar zur Testpflicht waren es mehrere Zuschriften, die so ekelerregend waren, dass man eine sehr dicke Haut braucht, um das nicht an sich heranzulassen.

Solche Pamphlete kommen fast immer anonym an. Es gibt auch einige wenige Leser, die mit vollem Namen und Adresse für ihre Beschimpfungen einstehen. Einige sind auch in Abo-Kündigungen enthalten, die jeden Morgen ins Postfach wandern. Wenn es eine inhaltliche Begründung gibt, dann ist das ein Anlass, darauf einzugehen. Ist ein konkreter Artikel - einer von 222, die wir durchschnittlich pro Tag publizieren - der Anlass für den Unmut, der zur Abbestellung des Abonnements führt? Dann wird der Autor oder die Autorin gebeten, darauf zu reagieren.

Schwieriger ist es, wenn allgemeine Unzufriedenheit geäußert wird. Dann besteht immerhin die Chance, genauer zu ergründen, woran es liegt. Wenn es sich um eine Melange von Gründen handelt - von Zustellungsschwierigkeiten über Probleme mit der SZ-Hotline bis zu allgemeiner inhaltlicher Kritik -, dann bemühen sich auch die Kolleginnen und Kollegen vom Leserservice, darauf einzugehen.

Manchmal reicht schon die schlichte Reaktion

Manchmal reicht schon die schlichte Reaktion, um bisherige Abonnentinnen und Abonnenten zu halten. Andere, die uns vorwerfen, über das Thema X zu wenig oder über das Thema Y gar nicht berichtet zu haben, lassen sich überzeugen, wenn man ihnen dazu ein Konvolut von publizierten Artikeln zusendet.

Es gibt aber auch Leser, die sich mit einem Packen Papier an uns wenden: Hinweise für weiterführende Recherchen, oft auch Erfahrungen im Umgang mit Behörden und das damit verbundene Gefühl, darüber müsse die SZ berichten. Aber nicht alles, was an uns geschickt wird, führt dann auch zu einem Artikel. Was wiederum manchmal zu Frustration und zu Zuschriften führt, mit dem Tenor: Ausgerechnet meine SZ berichtet nicht darüber.

Manche, die sich wegen eines konkreten Artikels geärgert haben, kehren wieder zur SZ zurück - einige schlicht, weil ihnen die Lektüre fehlt. Es gehört zu den schönen Erlebnissen, wenn sie sich melden, von ihren Entzugserscheinungen berichten. Andere wiederum stellen Vergleichsanalysen an - ehe sie sich gegen oder für ein SZ-Abo entscheiden. Das ist nicht immer schmeichelhaft, aber stets lehrreich.

Einige Leser schneiden Artikel aus, versehen sie dann gleich direkt mit Anmerkungen - sei es Kritik oder Lob. Nicht alle Vielschreiber erwarten eine Antwort, sondern manchen scheint das Schreiben an die SZ ein Wert an sich, eine Art Ritual zu sein. Es gibt auch Zuschriften, die sind so lustig (aus welchen Gründen auch immer), dass sie die Kollegen Roman Deininger und Max Hägler zu einer Lesung verarbeitet haben.

Weil hier in diesem Text fast immer von Lesern die Rede ist - das ist bewusst so. Denn der überwiegende Teil der Zuschriften stammt von Männern (von denen auch manche das Gendern vehement ablehnen). Und wie es im Leben halt so ist, man reagiert eher, wenn man sich über etwas ärgert statt sich freut. Aber es gibt auch wunderschöne Zuschriften von Leserinnen (!) und Lesern, die die SZ als konstante Begleiterin durch ihr Leben beschreiben, als ein Medium, das versucht, ihnen die Welt zu erklären.

Weil wir auch viele Zuschriften bekommen haben, dass wir zu viel über Negatives berichten, haben wir die Kolumne "Bester Dinge" gestartet - um auch Schönes, Kurioses und Wunderbares aufzugreifen, das oft in der täglichen Berichterstattung zu kurz kommt. Darauf verweise ich auch gerne in der Korrespondenz mit jenen Lesern, die uns nicht nur an ihrer kritischen Sicht auf die SZ, sondern auch an ihrem Leben - an ihren Problemen mit ihrer Frau oder ihrem Hund - teilhaben lassen. Die SZ ist so vielfältig wie das Leben - und so sind auch unsere Leserinnen und Leser.

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