Stadt-Umland-Bahn Nürnberg:Schön gerechnet - oder unglaublich notwendig

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Mit eigener U-Bahn, aber mit einem lange geplanten Stadt-Umland-Bahn-Projekt auf der Kippe: Nürnberg und seine Metropolregion. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Tram-Verbindung zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach steht auf der Kippe - und polarisiert in der Metropolregion.

"Erlanger CSU versus Staatsregierung" vom 11. März und "CSU ist gegen Drei-Städte-Tram" vom 2./3. März:

Klimablinder CSU-Populismus

Wenn man die Diskussion um die Stadt-Umland-Bahn (StUB) in Nürnberg-Erlangen-Herzogenaurach verfolgt, wird man gewarnt: Man unterschätze nicht die Dicke der Bretter vor CSU-Hirnen. Was hat die CSU von Umwelt- und Klimaschutz begriffen? Man scheut das Risiko, "Autofahrer zu verärgern". Deswegen schreibt das Innenministerium "sorgenvolle" Briefe an das Verkehrsministerium mit der Bitte, die Reduktion der Bundesstraße um eine Spur abzulehnen. Die Prioritäten von CSU-Verkehrsministern haben jahrzehntelang den Ausbau eines leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) behindert. Jetzt wäre die Chance, mutige Korrekturen vorzunehmen und sich für die Zukunft zu wappnen. Individueller Autoverkehr in Innenstädten ist auf dem Rückzug, ein Auslaufmodell. In Paris sollen richtigerweise demnächst große, umweltbelastende SUVs erhöhte Parkgebühren zahlen.

Das ist ein Zeichen, über das die Erlanger CSU erhaben ist. Es steht zu befürchten, dass CSU-Populismus wieder ein zukunftsfähiges Projekt verhindert. Es bleibt zu hoffen, dass die Erlanger Bürger schlauer sind und am 9. Juni für den Bau der StUB stimmen.

Christian Delanoff, München

Die StUB ist ein Muss

Die Stadt-Umland-Bahn ist eine große Chance für Erlangen und die gesamte Metropolregion Nürnberg. Durch die stark gestiegenen Einwohnerzahlen und die damit verbundenen Mobilitätsbedürfnisse ist hier, als Ergänzung zum an seine Grenzen stoßenden Busnetz, längst ein effizienteres Verkehrsmittel geboten.

Vom Zweckverband Stadt-Umland-Bahn, einem Zusammenschluss der Städte Erlangen, Nürnberg und Herzogenaurach, unter großer Bürgerbeteiligung geplant, 90 Prozent der Gesamtkosten von Bund und Land gefördert, wird hier eine klimafreundliche Alternative für die Zukunft ermöglicht. Eine Trambahn bietet die Kapazität dreier Stadtbusse und kann zusätzlich auf einem sogenannten "Rasengleis" verkehren. Dieses bedeutet im Gegensatz zu einer neuen Busspur eine viele geringere Flächenversiegelung.

Ein Blick lohnt sich auch auf das erste Stück der bereits seit 2016 bestehenden Nürnberger Straßenbahnverlängerung Richtung Erlangen, wo die erwarteten Fahrgastprognosen bereits in den ersten beiden Jahren um 40 Prozent übertroffen wurden und inzwischen sogar eine Taktverdichtung erfolgt ist. Also hoffen wir auf die Überzeugung der Erlangerinnen und Erlanger, dieses Erfolgskonzept fortzuführen!

Felix Schirmer, Nürnberg

Unglaubwürdige Zahlen

Die Finanzierung für den Bau der Stadt-Umland-Bahn (StUB) steht und fällt mit dem Ergebnis der standardisierten Bewertung. Über diesen so objektiv klingenden Nachweis heißt es in einem Artikel des Magazins der Fahrgast vom Fahrgastverband "Pro Bahn? 2/2016 (S. 13): "Kritiker dieser Nutzen-Kosten-Analyse bemängeln, dass bei den Verfahren, die in der Regel vom Bundesverkehrsministerium und den Länderverkehrsministerien in Auftrag gegeben werden, in vielen Fällen politisch beziehungsweise vom Auftraggeber gewünschte, aber nicht sinnvolle Projekte ,schöngerechnet' werden, während volkswirtschaftlich sinnvolle, aber nicht genehme Vorhaben und insbesondere Alternativvorschläge ,kaputt gerechnet' werden."

Zur Erinnerung: Das mit circa 500.000 Einwohnern vergleichsweise kleine Nürnberg leistet sich neben Bussen und Straßenbahn den Luxus einer zusätzlichen U-Bahn, die man - insbesondere wegen der hohen Bau- und Instandhaltungskosten für den Tunnel und die unterirdischen Bahnhöfe - üblicherweise nur in den Metropolen der Welt findet. Auf Rückfrage weist der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) auf eine standardisierte Bewertung hin. Ebenfalls auf Rückfrage erfahre ich vom Bundesrechnungshof, dass die standardisierte Bewertung dort inhaltlich nicht geprüft wurde.

Für die StUB wurde ein tägliches Fahrgastaufkommen von 46.000 Passagieren prognostiziert (StUB-Broschüre) - das war allerdings vor Corona und dem Beginn von Heimarbeit, die hier im Großraum wegen der überwiegenden Bürotätigkeiten in einem hohen Maße möglich ist und auch aktuell praktiziert wird, zum Beispiel bei Siemens im neuen Campus. Außerdem: Würden die Siemens-AG-Mitarbeiter das zusätzliche öffentliche Verkehrsangebot überhaupt in ausreichender Zahl nutzen? In der Vergangenheit hatte das Unternehmen eher auf das Auto gesetzt, da stand das Angebot an kostenlosen (!) Firmenparkplätzen im Vordergrund ...

Als ich den Zweckverband fragte: "Dass auf der geplanten StUB-Trasse ein Schienenfahrzeug mehr Fahrgäste gewinnen kann als ein Bus, liegt an der bekannten höheren Attraktivität von Schienenfahrzeugen - wie sehe der Zugewinn an Fahrgästen jedoch aus, wenn das viele Geld, das dieses einzelne Projekt bindet, in das Busangebot in der Region investiert würde, etwa in vom Verkehr getrennte Abschnitte, häufigere Fahrten, zusätzliche Strecken, und so weiter?", erhielt ich die Antwort: "Die Frage nach dem alternativen Ausbau des Busnetzes stellt sich nicht, da die Zuwendungen von Bund und Land zweckgebunden sind. Sollte die StUB nicht realisiert werden, entfallen die bewilligten Fördergelder. Das bedeutet, dass der Region über eine halbe Milliarde Euro verloren gehen würden. Eine 'Umverteilung' in das hiesige Busnetz ist ausgeschlossen, da wir keinen Einfluss auf die Zuteilung der Fördermittel haben."

Fazit: Nicht der größtmögliche Nutzen für den öffentlichen Verkehr ist das Kriterium für die Vergabe, sondern die Erfüllung formaler Kriterien und das Sichern von Geldern für die eigene Region. Im Interesse der Glaubwürdigkeit des StUB-Projektes halte ich es für dringend geboten, die vorliegende standardisierte Bewertung durch ein unabhängiges Institut prüfen und das Ergebnis anschließend der Öffentlichkeit präsentieren zu lassen. Sonst wird das hier auffällig viel mit den fragwürdigen Verkehrsprojekten, neben der U-Bahn Nürnberg haben wir ja auch noch den Main-Donau-Kanal, auf dem man nur selten ein Schiff sieht.

Klaus Werner, Erlangen

CSU-Autolobby

Hier decouvriert sich eine anscheinend vertragsbrüchige "Staatspartei" als eine verlässliche Automobillobbyistin im Kampf gegen die von ihr zu vertretenden Bürgermehrheiten. Die hysterische Angst vor der Reduktion von Parkplätzen für eine Minderheit von Erlanger Autosesselsitzern verhindert dort die Steigerung der Lebensqualität von Tausenden von Pendlern zwischen Uni und Siemens und Nürnberg und den Weltfirmen in Herzogenaurach. In München geht's doch auch. Viel Spaß weiterhin im Stau auf der B4!

Günter Meyer, Laufen/Salzach

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