Söders Genderverbot:Sternchen-Krieg in Bayerns Amtsstuben

Lesezeit: 4 min

Will das Gendern in Bayerns Ämtern und Schulen verbieten: Ministerpräsident Markus Söder (CSU). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Manche halten das Gendern für eine Überfrachtung der Sprache, viele sehen darin aber Normalität und Gerechtigkeit - und wundern sich über die CSU auf Verbotskurs.

"Die Sternchen-Krieger" vom 16. Dezember, "Mit Raketenantrieb und Schwebebahn gen Zukunft" vom 6. Dezember, "Bildungsverbände kritisieren Söders Genderverbot an Schulen" vom 5. Dezember:

Bisher ging es ohne Zwang

Keine Person wird gezwungen zu gendern. Keine Person wird gezwungen, ein Gender-Sternchen oder einen Gender-Doppelpunkt zu verwenden. Und es gibt in Bayern, in Deutschland und auf der Welt wahrhaft dringendere Probleme als das Gendern. Was aber der bayerische Ministerpräsident vorschlägt, entbehrt jeglichen Verstandes: Gendern zu untersagen! Dabei weiß jedes Kind, dass alles, was verboten ist, seinen besonderen Reiz hat.

Glaubt der Ministerpräsident, Kinder würden über ihre Mutter, die sie mit dem Auto in den Kindergarten fährt, plötzlich sagen: "Meine Mama ist ein Autofahrer." Die Kinder bauen selbstverständlich Schneefrauen neben Schneemännern. Sie wissen auch, dass im Zug eine Schaffnerin die Fahrkarten kontrolliert, und ein Polizeiauto auch von einer Polizistin gefahren wird. Sollen Grundschulkinder ihre Lehrerin in Zukunft mit "Guten Morgen, Herr Lehrer" begrüßen? Oder wird Herr Söder seine Kolleginnen Dreyer, Schwesig und Rehlinger mit "Herr Kollege" anreden? Das wäre doch absurd und lächerlich!

Jede Veränderung bedeutet erst einmal eine Verlangsamung und eine innere Abwehr. Siehe Rechtschreibreform. Wer verliert heute noch ein Wort darüber? Kein Mensch. So wird es auch mit dem Gendern sein. Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen.

Mich deucht, es gibt eher einen anderen Grund für das Untersagen-Wollen des Genderns: Wenn der Ministerpräsident nach seiner Regierungserklärung von der Fraktionsvorsitzenden der AfD, Ebner-Steiner, sofort dafür belobigt wird, diesen ihren Programmpunkt übernommen zu haben, dann ist klar, woher der Wind weht. Ob er da mal nicht im Trüben fischt? Hat er ja schon einmal probiert und ist dabei baden gegangen. Am besten, er bleibt, was er schon so häufig gewesen ist: ein Ankündigungs-Ministerpräsident.

PS: Ich möchte einmal Mäuschen sein, wenn Herr Söder schulpflichtigen Kindern erklärt, dass sie nicht mehr gendern dürfen...

Angelika Beck, Bad Wörishofen

Verbotspartei CSU

Es ist schon sehr interessant, dass diejenigen, die behaupten, sie würden zum Gendern gezwungen, jetzt alle zwingen (wollen), nicht zu gendern. Das kommt wohl vom Ministerium für Wahrheit (George Orwell, 1984).

Michael Beck, Wolfenbüttel

Gender-Ideologie

Erstaunlich, wie viel Aufhebens man um das sogenannte Genderverbot von Herrn Söder macht. Dabei ist dies lediglich ein Versuch, einen ideologisch motivierten Eingriff in das Standarddeutsch einzudämmen, der unsere Sprache nicht schöner macht - und "gerechter" schon gar nicht. Es waren und sind übrigens die Verfechter des Genderns, die, meist ausgehend von den sogenannten Gender-Studies-Lehrgängen an den Universitäten, den Gebrauch dieser akademischen Kunstsprache zum moralischen Gebot erhoben. Von Studenten und Lehrpersonal wurde ganz selbstverständlich erwartet, dass sie sich dieses Jargons bedienten. Ausgehend von den Universitäten zog das oft als Nötigung empfundene moralische Gebot zum Gendern dann seine bekannten Kreise zu den Behörden, staatlichen Einrichtungen und öffentlich-rechtlichen Medien.

Das Thema Gendern kam also quasi erst mit dem Gebot "Tue Gutes und gendere!" in die Welt. Erst mit dem Widerstand gegen die sprachliche Umerziehungsmaßnahme von oben kam es hie und da zu Einschränkungen beziehungsweise der Abschaffung des Gendersprachgebrauchs. Im Übrigen ist nicht erst seit Prof. Eckhard Meinekes "Studien zum genderneutralen Maskulinum" nachgewiesen, dass die Gendersprache weder sprachwissenschaftlich noch moralisch gerechtfertigt ist.

Albert Buchmeier, München

Ein Ablenkungsmanöver

Ein neuer Vorstoß unserer Verbotspartei CSU im Kosmos der Wichtigkeit auf dem Niveau der Bild-Zeitung. Aber unser Bäume-Umarmer und Ministerpräsident nimmt sich eben jedes Themas an, von dem er sich Wählerstimmen erhofft. Seine eigentliche Arbeit, wie zum Beispiel, einen Plan zur Stromversorgung für das beste Bundesland aller Bundesländer zu haben, den man nicht alle paar Jahre ins Gegenteil verkehren muss (Stromtrassen nein, Stromtrassen ja) oder, um beim Thema zu bleiben, dafür zu sorgen, dass die Schulen in akzeptablem Zustand wären (Gebäude und Ausstattung) und die Klassengrößen nicht noch immer auf dem unsäglichen Niveau meiner schon lange vergangenen Schulzeit liegen würden, kann offenbar ruhig liegen bleiben. Dass er dabei mittlerweile AFD-Themen vertritt, scheint ihn nicht zu stören. Aber hier wiederholt sich die Geschichte. Schon um 1933 dachten viele der Konservativen, dass sie Hitler "einhegen" könnten, um sich nach dem Scheitern dieses Vorhabens dann von Schwarz nach Braun "umfärben" zu müssen. Hauptproblem ist leider der Wähler, der sich leicht auf Nebenschauplätze dirigieren lässt (Bierzeltreden) und nicht bemerkt, dass wir uns zurzeit in Bayern das schlechteste politische Personal seit Langem leisten.

Ferdinand Maier, Passau

Problem des Patriarchats

Als Feministin, die selbstverständlich gendert, amüsiere ich mich, mit welcher Vehemenz manche Politiker (in diesem Fall nicht -innen) gegen das Gendern tatsächlich so was wie Krieg führen. Bringt ihnen dieser Aufstand so viel? Was auffällt, ist, dass die Parteien, deren Führer so besonders heftig gegen das Sternchen streiten, in ihren Reihen den geringsten Frauenanteil haben. Ob da ein Zusammenhang besteht? Sprache repräsentiert Wirklichkeit, und Männer, die den Frauen in der Sprache keinen Platz gönnen, sind auch in der Realität nicht bereit, ihnen in ihrer Männer-Riege Platz zu machen.

Ursel Heinz, Herten

Eher hinter als auf dem Mond

Unser Ministerpräsident will Bayern zum führenden Hightech-Standort des europäischen Kontinents weiterentwickeln. Gut gebrüllt Löwe, aber unser Bundesland, das am Nordrand der Alpen liegt, bricht bei Schneefall fast völlig zusammen. Der Flughafen sowie Züge, S- und Straßenbahnen fallen gleich mehrere Tage aus. Komischerweise sind in Österreich die Züge trotz Schneefalls gefahren. Aber natürlich, Herr Söder, Bayern war wieder viel besser und hatte deutlich mehr Schnee, als der Nachbar Österreich ...

Dass wir in Bayern auch bei alternativen Energien an der Spitze liegen, das verdankt unser Bundesland der vor Jahrzehnten bereits erschlossenen Wasserkraft und leider weniger der unendlichen Kraft von Sonne und Wind. Deren Ausbau hinkt, im Vergleich zu anderen, weit hinterher. Auch dass wir von der Windkraft Norddeutschlands abgeschnitten sind, verdanken wir einem früheren Ministerpräsidenten, ebenfalls von der CSU, der die notwendigen Stromtrassen blockiert hat. Damit ja kein bayerischer Bürger beeinträchtigt wird, wird nun alles unter die Erde vergraben. Das bezahlt aber nicht der Freistaat Bayern, sondern das bezahlen wir alle. Zum Lohn verzögert sich das dringend benötigte Stromnetz um Jahre.

Gender-Sternchen in Bayern verbieten - eine weitere politische Großtat. Die CSU ist und bleibt ein Männerclub, in dem Frauen mit und ohne Sternchen keine große Rolle spielen. Allerdings liegt das große Potenzial für die MINT-Berufe (Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik; d. Red.), die man in Bayern für Hightech dringend benötigt, vor allem bei den Frauen.

Dr. Herbert Lippmann, Starnberg

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: